Скачать книгу

wohl nicht verlangen, Suse. Wenn du trotzdem sauer auf mich bist, dann hast du ein Problem. Ich wollte es nur nicht erzählen, weil ich ja gemerkt habe, wie verrückt du auf Adrian bist. Ruf also bitte zurück und hör auf, mit mir zu schmollen.«

      Nichts. Weder an diesem Abend noch am nächsten. Christine sah keinen Grund, noch einmal hinter Suse herzulaufen. Es mußte wohl erst einige Zeit vergehen, bis Suse wieder zur Vernunft käme.

      Einen Tag später war sie dann abgelenkt, denn ihr neuer Kollege, jedenfalls für die Zeit des Urlaubs von Dr. Fellhaber, wurde ihr vorgestellt und machte einen netten Eindruck. Der Eindruck war sogar so nett, daß Christine wiederum Grund hatte, ihr Schicksal zu beklagen. Sie wußte ja, daß er eine Freundin hatte, oder sogar eine Verlobte, wenn sie es richtig erinnerte. Alle akzeptablen Männer waren vergeben.

      Tobias Reiter betonte, daß er sich auf die Zusammenarbeit sehr freue. Dazu lächelte er so charmant, daß zwei der Schreibdamen glänzende Augen bekamen. Christine versicherte ihm, daß sie ihm alle helfen würden, sich schnell einzuarbeiten, und dann spendierte Dr. Fellhaber Kaffee und Kuchen für alle, und sie hatten Gelegenheit, sich an dem Charme des jungen Notars zu erwärmen. Wie wohl seine Verlobte war? Hoffentlich wußte sie, wie glücklich sie sich schätzen konnte.

      Die nächsten drei Wochen würde die Arbeit sicher noch mehr Spaß machen als vorher. Christine hatte keine Ahnung, daß es eher umgekehrt kommen würde. Allerdings hatte daran nicht unbedingt Tobias Reiter Schuld, sondern eher ihre kleine Lüge ihrer Mutter gegenüber.

      *

      Es begann ganz harmlos. Am Sonnabend wollte Christines Mutter ihren Enkel sehen. Christine hatte nichts dagegen, ihn für drei Stunden hinzubringen, weil sie dann Gelegenheit hatte, ein paar Einkäufe zu machen, ohne alle fünf Minuten von Daniels Wünschen bedrängt zu werden. Jeder Supermarkt, jedes Kaufhaus hatten eine unglaubliche Anziehungskraft auf Daniel. Immer war er auf der Suche nach neuen Spielen oder anderen Kleinigkeiten, die sie sich dann wenigstens genau ansehen und merken sollte.

      Sie bummelte also im Einkaufszentrum herum. Daß das Restaurant Orpheus in der Nähe lag, war reiner Zufall. Christine ging hier immer einkaufen.

      Um halb drei war ihr nach einem Cappuccino. Ihre Einkäufe hatte sie ins Auto gebracht, um die Tüten nicht mitschleppen zu müssen. Sie wollte gerade das kleine Café betreten, in dem man sie gut kannte, als sie plötzlich eine Stimme hörte, die ihr vertraut war.

      »Na, so ein Zufall…, Christine…«

      Adrian von Manger stand da und lächelte sie an. Christine wußte nicht, wie sie reagieren sollte. Suse hatte nicht angerufen. Adrian interessierte sich nicht für ihre Freundin. Mußte sie nun weiterhin kühl und ablehnend sein, oder durfte sie zeigen, daß sie sich ebenfalls freute…

      »Haben Sie einen Moment Zeit für einen Kaffee? Ich treffe mich gleich mit einem meiner besten Freunde und seiner Verlobten, aber soviel Zeit bleibt mir noch. Sie kommen hier sowieso vorbei. Wenn wir uns ans Fenster setzen, kann ich sie sehen.«

      »Ich weiß nicht…«

      »Ich hatte den Eindruck, daß Sie sowieso gerade hineingehen wollten. Oder mögen Sie meine Gesellschaft nicht?«

      Das war eine klare Frage, die eine offene Antwort verdiente.

      »Doch, natürlich.«

      »Na also.«

      Sie setzten sich ans Fenster. Adrian bestellte und sah sie dann aufmerksam an.

      »Wie geht es Ihnen?«

      »Danke, gut.«

      »Und Daniel?«

      »Ebenso. Er ist bei meiner Mutter, aber ich hole ihn nachher ab.«

      »Und wollen Sie nicht doch einmal mit ihm zu mir kommen? Als meine Gäste? Ich bin sicher, es wird ihm gefallen.«

      »Das glaube ich auch. Aber ich weiß wirklich nicht…«

      »Wenn es wegen Suse ist… Ich bin nicht interessiert, sie näher kennenzulernen. Ich sage das ganz offen, weil ich den Eindruck habe, daß es ein Problem für Sie ist.«

      »Ich…«

      »Oh, entschuldigen Sie, da kommen meine Freunde… Moment…«

      Zu ihrem ungläubigen Staunen sah Christine, daß draußen Tobias Reiter und eine hübsche dunkelhaarige Frau vorbeigehen wollten. Gleich darauf kam Adrian von Manger zu ihnen herein.

      »Nanu, das ist ja ein Zufall. Hallo, Frau Baerwald. Das ist Viola, meine Verlobte. Viola Holzner.«

      Sie setzten sich, und schon nach fünf Minuten war eine angeregte Unterhaltung im Gange. Christine mußte plötzlich daran denken, daß Adrian von Manger beim Kennenlernen so getan hatte, als wäre sie die erste Notarin in seinem Bekanntenkreis. Dabei war Tobias Reiter sein Freund…

      Wie gut, daß sie keine Gelegenheit mehr hatten, über Suse zu sprechen. Christine wußte immer noch nicht, welche Antwort sie ihm wohl geben wollte.

      Doch es kam noch komplizierter. Suse kannte dieses Café natürlich auch. Sie wohnte ebenfalls in der Nähe. Und sie kam herein, nachdem auch sie ihre Einkäufe erledigt hatte. Allerdings ging sie sofort wieder hinaus, als sie ihre Freundin dort sitzen sah. Eigentlich hatte sie das gehofft, da sie Christines Gewohnheiten kannte, aber als sie die fröhliche Runde dort entdeckte, hätte sie am liebsten eine Szene gemacht. Soweit war es also her mit der angeblichen Rücksicht, die Christine ihr vorgegaukelt hatte! Sie saß bereits neben Adrian und ihnen gegenüber gemeinsame Freunde! Adrian hatte sie also schon als seine Neue vorgestellt…

      Die Enttäuschung und Ungerechtigkeit schnürte ihr fast den Hals zu. Die Kellnerin, die ihr gerade Platz machen wollte, damit sie vorbeigehen konnte, sah Suse erstaunt an, denn offenbar hatte sie einen merkwürdigen Laut von sich gegeben. Jetzt drehte sie sich um und eilte hinaus. Sie ging in einer anderen Richtung davon, so daß sie nicht am Fenster vorbeigehen mußte.

      »Eben war Ihre Freundin da, Frau Baerwald, aber sie ist gleich wieder gegangen«, teilte die freundliche Kellnerin Christine mit, als sie für jeden am Tisch einen Cognac servierte, den Tobias Reiter bestellt hatte.

      Christine erstarrte. Sie sah Adrian an, der sie ebenfalls anschaute.

      »Oh…, das ist…«

      »Christine, es ist nicht Ihre Schuld. Sie kann uns doch nicht zwingen…«

      »Sie ist meine beste Freundin. Ich möchte ihr nicht weh tun. Ich muß… jetzt sowieso gehen.«

      »Aber sie hat uns doch schon gesehen«, wandte er leise ein.

      »Ich muß meinen Sohn abholen«, beharrte Christine und kam sich ziemlich albern vor. Es war tatsächlich nur ein Zufall gewesen, daß sie sich hier getroffen hatten, aber für Suse mußte es wirken, als wären sie alle vier hier verabredet gewesen. Wenn Suse ihr nicht glauben würde, könnte ihre Freundschaft damit ein Ende gefunden haben. War ein Mann das Wert?

      »Wo kommst du denn jetzt erst her? Und eine Fahne hast du auch«, begrüßte ihre Mutter Christine.

      »Tut mir leid, wenn ich mich etwas verspätet habe. Ich traf noch einen … Freund… und da…«

      »Wen denn, Mama?«

      »Adrian, mein Schatz. Ich soll dich grüßen.«

      Das hatte er ihr extra aufgetragen.

      »Ich will nicht von ihm gegrüßt werden.«

      Christine sah ihren Sohn erstaunt an. Was waren denn das für Töne? Bisher hatte sie den Eindruck gehabt, daß Daniel Adrian mochte. Aber jetzt war sowieso alles durcheinander, da kam es darauf auch nicht mehr an.

      Diesmal bekam sie im Auto nichts aus ihm heraus. Es habe ihm bei Oma gefallen, versicherte er ziemlich einsilbig auf ihre Frage. Als sie zu Hause waren, ging er gleich in sein Zimmer. Christine versuchte, Suse zu erreichen, sprach aber diesmal keine Nachricht auf den Anrufbeantworter. Sie würde doch ungehört verhallen.

      Der Sonntag wurde gemütlich und streßfrei.