weiter gegen Maybury zu fortgeschlichen, in der Hoffnung, weiteren Gefahren zu entrinnen, wenn er die Richtung nach London einschlug. Die Leute hielten sich in Gräben und Kellern verborgen, und viele der Überlebenden hatten sich nach Woking Village und Send aufgemacht. Der Mann war fast verschmachtet vor Durst, bis er endlich in der Nähe des Brückenbogens der Eisenbahn ein geborstenes Wasserrohr entdeckte, aus dem das Wasser wie aus einer Quelle sich auf die Straße ergoss.
Das war der Bericht, den ich Stück für Stück aus ihm herausbekam. Während des Erzählens wurde er ruhiger und versuchte, mir die Dinge so anschaulich zu machen, wie er sie gesehen hatte. Seit Mittag, sagte er mir gleich anfangs, hatte er keinen Bissen zu sich genommen. Ich fand etwas Hammelfleisch und Brot in der Speisekammer und brachte es ins Zimmer. Wir zündeten keine Lampen an, aus Furcht, die Aufmerksamkeit der Marsleute auf uns zu lenken. Und immer wieder stießen unsere Hände zusammen, wenn wir nach Brot oder Fleisch langten. Während er sprach, traten die Gegenstände um uns dunkel aus der Dunkelheit heraus, und die niedergetretenen Büsche und Rosensträucher draußen wurden deutlich sichtbar. Es sah aus, als hätte eine Schar Menschen oder Tiere den Rasen zerstampft. Allmählich nahm ich auch das Gesicht meines Gastes wahr; es war geschwärzt und eingefallen, wie ohne Zweifel auch das meine.
Nachdem wir unsere Mahlzeit beendigt hatten, tappten wir uns leise in mein Studierzimmer hinauf, und ich blickte wieder durch das offene Fenster. In einer einzigen Nacht war aus dem Tal eine Aschenstätte geworden. Die Feuer waren jetzt heruntergebrannt. Wo Flammen gewesen waren, sah man jetzt nur Rauchsäulen. Aber die zahllosen Trümmer eingestürzter und verwüsteter Häuser, die geborstenen und geschwärzten Bäume, welche die Nacht verhüllt hatte, erhoben sich nun unheimlich und furchtbar in dem unbarmherzigen Schein der Morgendämmerung. Hie und da aber war ein Gegenstand glücklich dem Verderben entronnen — hier ein weißes Eisenbahnsignal, dort das Ende eines Glashauses, weiß und heil inmitten der Verheerung. Nie vorher in der Geschichte der Kriegsführung war eine Zerstörung so wahllos und allgemein vor sich gegangen. Und beleuchtet von dem aufsteigenden Licht im Osten, standen drei jener metallischen Riesen bei der Grube. Ihre Dachkappen drehten sich im Kreise herum, als überblickten sie die Verwüstung, die sie angerichtet hatten.
Mir schien, als hätte die Grube sich erweitert. Und immer wieder fuhren Stöße lebhaft grünen Dampfes gegen den heller werdenden Himmel auf — fuhren auf, drehten sich wirbelnd, verteilten sich und verschwanden.
Jenseits erblickte man die Feuersäulen von Chobham. Sie wurden Säulen blutig roten Rauches beim ersten Strahl des Tages.
1 Kampftaktik, um den Gegner durch andauernden, wenn auch ineffektiven Beschuss zu binden. <<<
2 Das Maxim-Maschinengewehr (französisch Maxim-Mitrailleuse, englisch Maxim Gun) war das erste selbstladende Maschinengewehr. <<<
XII. Die Zerstörung von Weybridge und Shepperton
Als es heller wurde, zogen wir uns vom Fenster, von dem wir die Marsleute beobachtet hatten, zurück und gingen leise die Stiege hinab.
Der Artillerist stimmte mit mir überein, dass das Haus nicht der Ort sei, um dort zu verweilen. Wie er mir mitteilte, hatte er vor, die Richtung nach London einzuschlagen, um dort mit seiner Batterie — Nr. 12 von der reitenden Artillerie — zusammenzutreffen. Meine Absicht war es, sofort nach Leatherhead zurückzukehren; und so mächtig war der Eindruck, den die Kraft der Marsleute auf mich gemacht hatte, dass ich fest entschlossen war, meine Frau nach Newhaven zu bringen, um dort mit ihr, und zwar ohne Verzug, das Land zu verlassen. Denn das hatte ich schon klar begriffen, dass die Gegend um London unvermeidlich der Schauplatz verhängnisvoller Kämpfe werden müsse, ehe Geschöpfe wie diese vernichtet werden konnten.
Aber zwischen uns und Leatherhead lag der dritte Zylinder unter der Obhut der Riesen. Wäre ich allein gewesen, so hätte ich, glaube ich, alles in die Schanze geschlagen, und hätte querfeldein meinen Weg eingeschlagen. Aber der Artillerist riet mir davon ab: »Einer rechten Frau«, sagte er, »erweist man keinen Gefallen, wenn man sie zur Witwe macht.« Und schließlich ließ ich mich überreden, unter dem Schutz der Wälder mit ihm nördlich bis Street Chobham zu gehen. Dort wollten wir uns trennen. Dann wollte ich einen großen Umweg über Epsom machen, um Leatherhead zu erreichen.
Ich wäre auf der Stelle aufgebrochen, aber mein Gefährte war in aktivem Dienst gestanden und er verstand es besser. Er veranlasste mich, das ganze Haus nach einer Feldflasche zu durchstöbern, die er mit Whiskey füllte; und jede mögliche Tasche stopften wir mit Päckchen Zwieback und Fleischschnitten an. Dann schlichen wir uns aus dem Hause heraus und liefen, so schnell wir konnten, die schlechte Straße hinab, auf der ich die Nacht vorher gekommen war. Die Häuser schienen verlassen. Auf der Straße lag eine Gruppe dreier vom Hitzestrahl getroffener, dicht nebeneinanderliegender Leichen; und hie und da sah man Gegenstände, welche die Leute auf ihrer Flucht verloren hatten —- eine Uhr, einen Pantoffel, einen Silberlöffel und ähnliche armselige Kostbarkeiten. An der Ecke gegen das Postamt zu stand ein kleiner Karren, mit Koffern und Hausgerät bepackt, ohne Pferd, halb umgestürzt mit einem gebrochenen Rad. Eine Geldschatulle war hastig aufgebrochen und in den Wirrwarr zurückgeschleudert worden.
Außer dem Pförtnerhäuschen beim Waisenhaus, das noch immer brannte, hatte keines der Häuser hier sehr gelitten. Der Hitzestrahl hatte die Schornsteine abgeschlagen und war weitergefahren. Dennoch schien es außer uns keine lebende Seele am Maybury-Hügel zu geben. Die Mehrheit der Bewohner hatte auf der Old Woking Road — derselben, auf der ich nach Leatherhead gefahren war — ihr Heil in der Flucht gesucht, oder sie hielt sich verborgen.
Wir gingen den kleinen Feldweg hinab, an der Leiche des Mannes in Schwarz, die jetzt vom nächtlichen Hagelschlag ganz durchnässt war, vorüber, und schlugen uns am Fuß des Hügels in das Gehölz. Wir arbeiteten uns bis zur Eisenbahn hindurch, ohne einer lebenden Seele zu begegnen. Das Wäldchen jenseits des Eisenbahndammes war nichts als ein Haufen zerschmetterten und verkohlten Holzes; zum größten Teil waren die Bäume umgestürzt, aber eine geringe Anzahl stand noch da, trostlose graue Stämme mit dunkelbraunen statt grünen Nadeln.
Auf unserer Seite waren kaum andere Spuren des Feuers wahrzunehmen, als dass einige näherstehende Bäume versengt waren; doch nicht genügend,