Scott Meyer

AUF ZAUBER KOMM RAUS


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falsch gemacht. Offensichtlich hatten die Einheimischen diesem Roy bereits alles über Zauberer und die Ausbildung erzählt. Wahrscheinlich hatten sie ihm von Martins Ankunft erzählt und damit war Roy wohl auch klar geworden, dass die anderen Zauberer Zeitreisende waren wie er selbst.

      Phillip hätte Martin jetzt wohl gesagt, dass es hier etwas über das Zuhören und über das Nichtreden zu lernen gab. Aber Martin hätte ihm nicht zugehört.

      Martin lächelte Roy an. »Willkommen in Leadchurch, Roy. Wir sollten reden.«

      Roy antwortete: »Das werden wir. Sobald ich mein Bier ausgetrunken habe.«

      Er hob den Steinkrug an die Lippen. Dieser schien noch mehr als halb voll zu sein.

      Martin lehnte sich ein wenig zu ihm hin. »Es ist unerlässlich, dass wir uns unterhalten – unter vier Augen.«

      »Ich dachte mir schon, dass du unter vier Augen meinst, sonst hättest du wohl einfach drauf losgeredet«, sagte Roy. »Deshalb muss es ja warten, bis das Bier ausgetrunken ist. Ich bezweifle, dass Pete mich den Krug mitnehmen lässt, oder Pete?«

      »Nein, Roy, der Krug bleibt hier.«

      »Siehst du, Martin. Wenn du also nicht willst, dass ich mein Bier in deinen Hut umfülle, müssen wir bleiben, bis ich fertig bin.«

      Martin setzte bedächtig seinen paillettenbesetzten Hut ab, ohne die Augen von Roy abzuwenden, murmelte einige unverständliche Worte und zog aus seinem Hut einen Krug, der mit denen von Pete identisch war. Er wusste, dass sie identisch waren, weil die in der Taverne verwendeten Krüge von ihm selbst auf die gleiche Weise erschaffen worden waren, bevor er sie Pete geschenkt hatte.

      »Da bitte«, sagte Martin lächelnd, »dieser Krug gehört mir, nicht Pete. Den können wir jetzt mitnehmen wohin wir wollen.«

      Roy antwortete darauf: »Gut. Pete, bitte fülle den Krug meines jungen Freundes mit Bier. Dann kann er sich die Zeit vertreiben, während ich austrinke. Setz dich doch, Martin. Es sei denn, du willst ihn mit nach draußen nehmen und da auf mich warten. Ist schließlich dein Krug.«

      Martin saß schweigend am Tisch, sein warmes Bier fast unberührt. Auch Roy redete kaum. Vielmehr erzählten die anderen Gäste Roy eifrig alles über die anderen Zauberer in der Gegend und über die Ereignisse des letzten Monats. Martins Ankunft. Das Duell, in dem Martin von Phillip besiegt worden war. Die geheimnisvollen Todesfälle in Rickard's Bend. Martins Laune besserte sich, als sie zur Schlacht von Camelot kamen und zum Duell zwischen ihm, Merlin und Phillip. Er musste zugeben, dass er ziemlich gut dabei wegkam, so wie sie die Geschichte erzählten. Im Alleingang. Einen mächtigeren Gegner fordernd, um seinen Freunden Zeit zu verschaffen. Furchtlos einem scheinbar sicheren Tod ins Auge blickend. Martin fühlte sich ziemlich heldenhaft. Bis Roy das Gehörte zusammenfasste.

      »Kurz gesagt, Junior hat den Mund zu voll genommen und sein Meister musste ihn raushauen.«

      Es herrschte eine gespannte Stille. Martin beschloss, sich nichts anmerken zu lassen. Er war der erfahrenere Zauberer. Er war eindeutig im Vorteil.

      »Nein, Roy«, sagte Martin kopfschüttelnd, »so einfach ist die Sache nicht.«

      Roy schnaubte: »Wieso, was habe ich vergessen? Hast du geheult?«

      So viel zum Thema, sich heldenhaft zu fühlen, dachte Martin bei sich.

      Endlich leerte Roy sein Bier. Er versuchte seine Zeche bei Pete zu begleichen, der davon aber nichts hören wollte und meinte, das Bier sei ein Willkommensgeschenk. Martin dagegen musste für sein Bier den vollen Preis bezahlen, mit dem Hinweis, er sei ja schon länger in der Stadt. Die beiden Zauberer traten hinaus in die kühle Nachtluft. Martin hatte eine öffentliche Konfrontation mit dem auf so unerklärliche Weise beliebten Neuankömmling vermieden, aber nun, mit etwas Abstand zu Roys Fanklub und mit einem Bier intus, fühlte er sich ungehemmter.

      »Sieh mal, Roy«, begann er, »als ich die Nachricht erhielt, dass du hier bist, habe ich alles liegen und stehen lassen und bin den ganzen Weg von London hierhergekommen, nur um dich zu treffen.«

      »Heißt es jetzt nicht Camelot?«, fragte Roy.

      »Noch. Wir werden das wieder ändern. Jedenfalls bin ich den ganzen Weg …«

      »Du hast dich teleportiert. Vergiss nicht, mein Sohn, ich habe die gleiche Datenbank gefunden wie du. Ich weiß, dass unsere Welt eine Simulation ist und ich weiß, wie man mit Hilfe der Datenbank die Simulation verändern kann. Sonst wäre ich erst gar nicht hier. Ich weiß, wie man teleportiert und du wahrscheinlich auch. Also, tu nicht so, als ob die Entfernung eine große Zumutung für dich gewesen wäre.«

      Martin fuhr herum und stupste Roy mit seinem Stab an die Brust.

      »Weißt du, Roy, ich bin deinetwegen hier. Du kannst dir hier jede Menge Probleme einhandeln, wenn dir keiner zeigt wie die Dinge laufen. Deshalb bin ich auch hier, um dir zu zeigen wie die Dinge laufen. Um dir Probleme vom Hals zu halten.«

      Roy schob Martins Stab mit übertriebener Sorgfalt weg von sich. »Okay, okay. Beruhige dich, Großer. Reg dich nicht auf. Ich weiß zu schätzen, dass du mich hier empfängst, aber ich bin ein erwachsener Mann. Ich muss mir von einem Kind nicht erklären lassen, wie's läuft.«

      »Na bitte, das zeigt, wie wenig Ahnung du hast. Seit über einem Jahrzehnt gibt es Leute wie uns und andere, die noch weiter zurück in der Zeit gereist sind als wir. Ein komplettes System baut auf dieser ›Datenbank‹ auf, das Dinge tut, an die du noch nicht mal gedacht hast. Dinge, wie den Alterungsprozess zu stoppen. Nur weil Zauberer äußerlich ein bestimmtes Alter zu haben scheinen, heißt das noch lange nicht, dass sie auch wirklich so alt sind. Was weißt du denn schon, ich könnte hundert Jahre alt sein.«

      Martin stürmte davon, die Straße runter. Roy folgte ihm, nachdenklich.

      Schließlich meinte er: »Das ist ein gutes Argument. Daran hatte ich nicht gedacht.«

      »Es gibt so vieles, an das du nicht gedacht hast, Roy. Deswegen bin ich hier.«

      Sie gingen eine Weile schweigend nebeneinander her und fanden sich nach der nächsten Ecke auf dem Hauptplatz der Stadt wieder. Die mit Blei gedeckte Kirche, die der Stadt ihren Namen gab, befand sich auf der anderen Seite des Platzes. Sie zeichnete sich allerdings nachts, wenig überraschend, nicht sonderlich gut ab. Einige wenige Bürger waren noch unterwegs. Ein oder zwei trugen Fackeln, doch den meisten genügte das Licht des Sternenhimmels. Roy und Martin gingen weiter über den Platz.

      »Wie gesagt, du könntest älter sein als ich«, sagte Roy.

      »Ja, das könnte ich.«

      »Aber, vorhin in der Bar …«

      »Taverne. Du solltest dir angewöhnen, zeitgemäße Begriffe zu verwenden. Der Verrottete Stumpf ist eine Taverne.«

      »Vorhin in der Taverne haben sie erzählt, dass du erst ein paar Monate hier bist.«

      »Stimmt.«

      »Dann wäre dein Alterungsprozess auch erst seitdem gestoppt. Du bist fünfundzwanzig, oder?«

      »Dreiundzwanzig.«

      »So oder so, du bist ein Kind und es war mir ein Vergnügen, aber gibt es vielleicht einen Erwachsenen, um mich auszubilden?«

      Martin blieb stehen. Roy blieb einen Schritt später ebenfalls stehen, drehte sich um und feixte ihn an.

      Der Zauberstab wechselte von Martins rechter in seine linke Hand. Versonnen blickte er dabei auf die kleine Gipsbüste von Santo, König der Luchadores. Er sah wieder zu Roy und sprach gelassen die Worte: »Akiri grandan

      Martin begann, gespenstisch silbern zu glühen, in einem Licht, welches ein Gittermuster auf seiner Haut erscheinen ließ. Entlang der Gitterlinien teilte er sich in hunderte kleine Klötze, in ihrer Gestalt winzigen Särgen nicht ganz unähnlich. Die Klötze flogen auseinander und wirbelten um Roy herum, der sich vor Verblüffung nicht rühren konnte. Die Klötze vervielfältigten sich und setzten sich wieder zu etwas zusammen, das aussah wie Martin. Nur das der jetzt drei