Kelly Stevens

Fesselnde Spiele


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verstand ich mich gut, und wenn mein Teilstipendium und mein Studentenjob nicht ausreichten, um finanziell über die Runden zu kommen, steckten sie mir immer mal wieder Geld zu.

      Bis zu jener Nacht zwei Wochen vor meinem Abschluss, als ich mitten in der Nacht aus dem Schlaf geklingelt wurde: Meine Eltern hatten einen Autounfall, ich solle doch bitte sofort in die Notaufnahme kommen.

      Im Krankenhaus teilte mir eine übermüdete Ärztin mit, dass mein Vater bereits auf dem Weg ins Krankenhaus gestorben sei und meine Mutter gerade notoperiert werde. Drei Tage lang sah es so aus, als könne sie es schaffen, bis auch sie starb.

      Wie in Trance beendete ich meine letzten Prüfungen und versuchte mich gleichzeitig um jede Menge Organisatorisches zu kümmern, von dem ich keine Ahnung hatte und mit dem ich völlig überfordert war. Einige Verwandten und Freundinnen unterstützten mich, mein Freund nicht. Auch er beendete zu dieser Zeit sein Studium und wollte feiern, nicht mit mir im Haus meiner Eltern sitzen, Sachen sortieren und Trübsal blasen.

      Es dauerte weitere vier Wochen, bis ich mich von ihm trennte. Genauso lange dauerte es, bis ich den Entschluss gefasst hatte, mein Elternhaus zu verkaufen. Selbst dort einziehen wollte ich nicht mehr, es vermieten genauso wenig, und einen Leerstand konnte ich mir nicht leisten.

      Leider waren die Hypotheken noch so hoch, dass nach dem Verkauf kaum Geld übrig blieb. Meine Eltern waren beide noch relativ jung gewesen, gerade einmal Mitte Vierzig. Rücklagen besaßen sie nicht. Selbst das Auto, von dem jetzt nur noch Schrott übrig war, war auf Kredit gekauft worden.

      Nachdem ich eine Weile in Selbstmitleid versunken war, krempelte ich meine Ärmel hoch, verkaufte bis auf wenige Ausnahmen alles, was sich irgendwie zu Geld machen ließ, und verkündete, dass ich nach London ziehen würde, um eine berühmte Designerin zu werden.

      Schöner Plan.

      Die Realität holte mich sehr schnell zurück auf den Boden der Tatsachen. London war unglaublich teuer, Wohnraum war heiß begehrt, und auf noch eine hoffnungsvolle angehende Designerin hatte in der Metropole nun wirklich niemand gewartet.

      Also nahm ich mir ein WG-Zimmer, mietete mir einen Platz in einem Start-Up-Loft für Jungdesignerinnen, und suchte irgendeinen Job, der mich vorerst über Wasser halten würde.

      Nachdem ich aus diversen Job rausgeschmissen wurde, weil ich mich angeblich zu dämlich anstellte, oder selbst kündigte, weil ich wie der letzte Dreck behandelt wurde, hatte ich das Glück, als Fotoassistentin bei Marcel anzufangen, einem Fotografen, der sich auf künstlerische Aktfotografie spezialisiert hatte. Durch ihn bekam ich meinen ersten Einblick in die BDSM-Szene, und er war auch derjenige, der mich zum ersten Mal zu Frankie mitnahm, vormittags, als der Club für die Öffentlichkeit noch geschlossen war, um ein Bondage-Shooting zu begleiten.

      Man könnte sagen, dies war der Moment, in dem ich wusste, wohin ich gehörte, obwohl ich vorher noch keinerlei Berührungspunkte mit der Szene gehabt hatte.

      Nur wenige Tage später stand ich vor Frankie und fragte nach einem Job. Ich wollte alles über BDSM lernen.

      Einen Job wollte er mir als blutiger Anfängerin zwar nicht geben, aber er vermittelte mich an Peter, den Rigger, der das Bondage für Marcels Shooting durchgeführt hatte.

      Er war erfahren, verantwortungsbewusst und auf der Suche nach einem neuen Model.

      Ich war zierlich, leicht, beweglich und fühlte keine Angst, sondern nur Vorfreude.

      Die Seile gaben mir den Halt, den ich verloren geglaubt hatte.

      Seine Stimme lockte mich, mich fallen zu lassen und Verantwortung abzugeben, die so schwer auf mir gelastet hatte.

      So sehr sie mich auch von außen betrachtet festhielten, in den Seilen fühlte ich mich frei.

      Peter war ein guter Lehrer. Er war ruhig und geduldig, erklärte mir viel und behandelte mich nie wie eine Dienerin, sondern immer wie ein Künstler sein Model. Ihm vertraute ich blind, sogar im übertragenen Sinne, denn für viele Shootings trug ich eine Maske, die mein Gesicht verdeckte, nicht nur, weil es ästhetischer aussah, sondern auch, um meine Identität zu verbergen.

      Peter war Arzt, keiner, der für den National Health Service arbeitete, sondern er behandelte ausschließlich Privatpatienten in seiner eigenen Praxis. Wie ich bald erfuhr, wohnte er ganz in der Nähe des Clubs und war einer der Ärzte, die entweder standby vor Ort waren oder in Notfällen kurzfristig gerufen werden konnten.

      Er bezahlte mich nur, wenn wir offizielle Shootings veranstalteten oder für Performances auf Conventions, aber für ihn hätte ich auch umsonst gearbeitet. Ein netter Nebeneffekt war, dass ich jederzeit, auch wenn Peter nicht da war, freien Zugang zum Club hatte, ohne Mitglied sein zu müssen, denn eine Mitgliedschaft hätte ich mir niemals leisten können.

      Es dauerte noch einige Monate, bis ich mich entschloss, mich von meinen normalen Designerträumen zu trennen und stattdessen auf Fetischkleidung zu spezialisieren. Und wie es der Zufall wollte, befanden sich meine potentiellen Kunden direkt vor meiner Nase: im Club.

      Nachdem ich ein paarmal in meinen außergewöhnlichen, aufsehenerregenden Outfits dort aufgetaucht war und einige Gäste Frankie gefragt hatten, ob er wisse, wo man so etwas kaufen könne, wurde er zu meinem besten Vermittler. Provision wollte er keine, stattdessen bot er an, mich als Session-Assistentin anzulernen, damit ich im Club aushelfen konnte.

      Im Laufe der Zeit lernte ich sowohl bei ihm als auch bei unterschiedlichen Doms und Dominas, wobei letztere deutlich in der Unterzahl waren. Ich wurde immer höflich behandelt, selbst wenn ich, aus welchen Gründen auch immer, selbst in Ketten gelegt wurde. Allen im Club ist klar, dass ich niemands Sub und auch nicht devot bin. Ich bin Kat, Designerin und Bondage-Model. Das ist mein Leben.

      Inzwischen ist mein Tee fast kalt geworden. Ich kippe ihn herunter, ziehe mich aus, putze mir die Zähne und krieche unter meine Bettdecke, wo ich fast sofort in einen tiefen, aber nicht traumlosen Schlaf falle: Irgendwie geistern sowohl Frankie als auch meine Eltern und Daniel in meinen Träumen durch die Clubräume.

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