Gabriele Praschl-Bichler

Die Habsburger und das Übersinnliche


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übersinnliche Begabung zu besitzen. So verhält es sich zum Beispiel mit all jenen Menschen, die sich ganz stark auf die Erfüllung eines bestimmten Wunsches konzentrieren und dafür bereit sind, Rituale – welcher Art auch immer – zu vollführen, um dieses Ziel zu erreichen. Dafür ist man jederzeit bereit, auf die ältesten und sinnlos scheinenden Bräuche zurückzugreifen, die seit Beginn der Menschheit existieren. Nicht einmal die Mitglieder der europäischen Herrscherhäuser haben davor zurückgeschreckt, sich ihrer im Bedarfsfall zu bedienen. Als ein Beispiel von vielen kann der Besuch einer heidnischen Kultstätte herangezogen werden, die eines Tages auch die damalige Königin von Frankreich aufgesucht zu haben scheint. Warum sie das tat und was sie sich davon erwartete, wird in den folgenden Zeilen erklärt: »In der Umgebung von Verdun setzen sich die kinderlosen Frauen auf einen Felsen, der die Umrisse einer sitzenden Frau aufweist und in der Gegend der ›Stuhl der heiligen Lucie‹ genannt wird. Sie sind überzeugt, daß dadurch ihre Kinderlosigkeit behoben wird, und es heißt, daß Anna von Österreich*) vor der Geburt Ludwigs XIV. ebenfalls hier gesessen sei.« (Flammarion, S. 31)

      Unter den Mitgliedern der österreichischen Kaiserfamilie, die im 19. Jahrhundert lebten, galt Kaiserin Elisabeth als besonders abergläubisch. Um das sogenannte »Böse« von sich abzuwehren, trug sie stets eine Menge Glücksbringer und Amulette mit sich. Ein Leben lang wich sie den Blicken der (nach Volksglauben) unheilbringenden Raben aus und vermied aus Angst vor Spuk und Erscheinungen Gänge in der Dunkelheit. Hauptsächlich scheint eine außerordentlich rege Phantasie Schuld an ihrer Furchtsamkeit getragen zu haben. Ein anderer Grund, warum paranormale Phänomene damals ständig präsent waren, lag am herrschenden Zeitgeist. Denn zu Elisabeths Lebzeiten war es geradezu »Mode« geworden, mit der außersinnlichen Welt in Kontakt zu treten. Da auch sie »chic« sein wollte, nahm sie – wie übrigens etliche Mitglieder der kaiserlichen Familie – an spiritistischen Zirkeln teil. Neben all diesen Einflüssen von außen war sich die Kaiserin zudem ganz sicher, eine übersinnliche Begabung zu besitzen. Vor allem meinte sie, jederzeit mit Verstorbenen in Kontakt treten und sich mit ihnen austauschen zu können. Welche Erlebnisse sie dabei hatte und wieviel Erfolg ihr beschieden war, ist auf den Seiten 96 ff. nachzulesen. Wie seine Mutter und etliche andere Habsburger hat auch Kronprinz Rudolf an »mediumistischen Séancen« teilgenommen. Noch intensiver hat sich seine einzige Tochter Elisabeth, spätere Prinzessin Windisch-Graetz, mit der außersinnlichen Welt auseinandergesetzt. Sie hat gemeinsam mit einem der bedeutendsten Wissenschaftler ihrer Zeit Poltergeist-Erscheinungen untersucht und mit ihm parapsychologische Experimente geleitet.

      Wenn man von den Habsburgern und paranormalen Phänomenen spricht, darf man die zahlreichen Prophezeiungen nicht vergessen, die – bei Nostradamus begonnen und bis in die Zeit des Ersten Weltkriegs reichend – niedergeschrieben wurden und später auch tatsächlich eingetroffen sind. Selbstverständlich haben Weissagungen, Spuk und Erscheinungen mit dem Niedergang der Monarchie aber nicht ihr Ende genommen. Vielmehr geistert und poltert es noch immer heftig in den meisten ehemaligen habsburgischen Palästen: Allerdings sind die Betroffenen heute nicht mehr die Mitglieder der kaiserlichen Familie, sondern eine völlig andere Menschengruppe – die Bewohner und Beamten der verstaatlichten Schlösser. Die meisten Vorfälle wurden und werden bis in unsere Zeit aus der Hofburg gemeldet, doch auch das viel jüngere Schloß Schönbrunn und einige andere Häuser, die sich noch in Familienbesitz befinden, blieben nicht vom Spuk verschont. So habe ich im Zuge meiner Beschäftigung mit der Kulturgeschichte der österreichischen Kaiserfamilie von deren Nachkommen mehrmals gehört, daß auch andere Villen, Land- und Forsthäuser sowie Wirtschaftsgebäude von Erscheinungen heimgesucht wurden. Ich brauche sicherlich nicht zu betonen, daß ich solchen Geschichten immer sehr aufmerksam lauschte. Denn die Thematik des Übersinnlichen hat mich schon immer sehr interessiert. Außerdem konnte ich mir gut vorstellen, daß es eine Menge daran interessierter Leser gäbe. Jedoch hatte ich mir strikt vorgenommen, niemals darüber zu schreiben. Und das obwohl sich mir das Thema immer wieder – und besonders in letzter Zeit – immer stärker »näherte«.

      Zu Kaiserin Elisabeths Lebzeiten war es geradezu »Mode« geworden, mit der außersinnlichen Welt in Kontakt zu treten. Da auch sie »chic« sein wollte, nahm sie – wie etliche Mitglieder der kaiserlichen Familie – an spiritistischen Zirkeln teil.

      Kurz nach dieser Begegnung fragten mich die Mitarbeiter meines Verlags, worüber ich im nächsten Jahr schreiben wollte. Da sich von meiner Seite kein Thema besonders aufdrängte, bat ich um Ideen und staunte nicht schlecht, als sich in der Liste der vorgeschlagenen Titel unter anderem »Die Habsburger und das Übersinnliche« befand. Diesen Zufall, zur selben Zeit von zwei verschiedenen Seiten auf dasselbe Thema angesprochen zu werden, faßte ich nun als deutliche »Aufforderung von drüben« auf, mich endlich schriftlich mit dieser Materie zu befassen. Da ich aber – wie früher erwähnt – niemals Notizen über die mir berichteten Phänomene oder Erscheinungen gemacht hatte, befand ich mich nun in der unangenehmen Lage, das vor Jahren Erfahrene aus dem Gedächtnis zurückrufen zu müssen. Das klappte natürlich nur in den wenigsten Fällen, weshalb ich daran ging, meine ›Informanten‹ von früher neuerlich zu kontaktieren. Da in der Zwischenzeit zwei ältere Herrschaften verstorben waren, wandte ich mich an deren Nachkommen und fragte um etwaige Notizen nach. Wirklich war das meiste in schriftlicher Form erhalten. Zuletzt bat ich um die Erlaubnis, das an mich Weitergegebene veröffentlichen zu dürfen. Ich habe sie für alle Geschichten erhalten, wurde aber manchmal gebeten, nicht alle Betroffenen beim Namen zu nennen. Diesem Wunsch bin ich selbstverständlich entgegengekommen.

      Idealszenerie zum Thema »Die Habsburger und das Übersinnliche«: Blick von Schloß Schönbrunn auf das nebelige Wien (aufgenommen wenige Tage nach dem Tod Kaiser Franz Josephs im November 1916).