Höhepunkt zusteuert (der sogenannte „Presslufthammer“) … Fühlst du dich dann unsichtbar, im Stich gelassen, von einer Woge der Enttäuschung überrollt, weil er gleich wieder fix und fertig sein wird, während du selbst noch nicht einmal angefangen hast, warm zu werden?
Oder wenn dein pflichtbewusster Partner das Gefühl hat, zuerst dich befriedigen zu müssen, bevor er sich selber Befriedigung verschafft, und sich nun abmüht, dich durch Stimulieren der Klitoris zum Orgasmus zu bringen. Und weil er so bemüht ist, alles „richtig“ zu machen, bringst du es nicht übers Herz, ihn zu kritisieren. Aber eigentlich reibt er doch zu fest, oder zu schnell? Oder du bist zu trocken? Stehst du dann unter Leistungsdruck und hast das Gefühl, du müsstest dich beeilen und endlich den Höhepunkt erreichen, damit er endlich zur „Sache“ kommen kann – zur Penetration und Ejakulation?
Machst du dir Sorgen, es könnte ihn langweilen, wenn er dich stimuliert? Oder wird dir plötzlich selber langweilig? Gehst du manchmal aus deinem Körper raus und schreibst in Gedanken deinen Einkaufszettel? Oder fällt dir plötzlich ein, dass du deinem Jüngsten für den morgigen Schulausflug noch ein paar Brote schmieren musst? Oder steigst du auf irgendeine andere Weise aus deinem physischen Körper aus, etwa indem du dich in eine heiße sexuelle Fantasie hineinsteigerst, um zum Höhepunkt zu kommen? Oder hast du eigentlich schon das Interesse verloren, machst aber trotzdem weiter mit deiner Fantasie, nur weil dein Partner sonst enttäuscht wäre und sich nicht gut fühlen würde, wenn er es nicht schafft, dich zum Orgasmus zu bringen? Und täuschst du gelegentlich sogar einen Orgasmus vor, nur um die ganze leidige Sache endlich hinter dich zu bringen?
Damit bist du nicht allein. Leider kennen heutzutage die meisten Frauen einige oder alle dieser Gefühlszustände aus eigener Erfahrung. Aber all diese Vorstellungen lassen eine essenzielle Wahrheit außen vor: dass dein Körper absolut dazu imstande ist, einen tiefen, anhaltenden, total erfüllenden orgasmischen Zustand zu erleben.
Der Orgasmus ist aber kein Ziel, das wir erreichen, indem wir darauf losgehen – wenn wir das Richtige machen oder das Richtige denken. Vielmehr ist der Orgasmus ein Seinszustand, der sich auf ganz natürliche Weise einstellt, wenn wir uns beim Sex mehr entspannen. Durch Entspannung öffnet sich die Frau für ihr inneres Erleben und holt das Zentrum ihrer Aufmerksamkeit nach innen, zu sich selbst zurück. Dadurch kann sich das exquisite Zusammenspiel der männlich-aktiven und weiblichrezeptiven Energien entfalten und für beide, Mann und Frau, zu einer länger andauernden, lustvollen Erfahrung aufblühen. Jetzt könntest du die berechtigte Frage stellen: „Wenn das wahr ist, wieso wissen dann nicht mehr Menschen darüber Bescheid? Warum ist sexuelle Unzufriedenheit für so viele Frauen eher die Regel statt die Ausnahme?“
Man könnte es so beantworten: Wir Menschen bleiben, wenn es um unsere wahre sexuelle Natur geht, unwissentlich kurzsichtig. Wir haben keine Ahnung von unserem höheren Potenzial, und wie wir Zugang zu ihm bekommen. So wie die Dinge stehen, sind wir bei der üblichen Art, wie Sex praktiziert wird, weder körperlich noch seelisch sensibel, offen und empfänglich genug, um eine höhere sexuelle Erfahrungsebene einzuladen – beziehungsweise uns von der göttlichen Energie berühren zu lassen, was eine präzisere Beschreibung wäre. Eigentlich sind wir die Gastgeber und das Göttliche ist unser Gast, aber damit das Göttliche in uns eintreten kann, muss erst der Raum dafür geschaffen werden.
Die heute allgemein akzeptierte Ansicht über „normalen“ Sex hält die Frauen in Abhängigkeit von einer männlich geprägten Sexualität. Diese lässt dem ebenso wichtigen weiblich-rezeptiven Gegenpol keinen Raum, sich sexuell so auszudrücken, wie es dem weiblichen Wesen und der weiblichen Energie entspricht. Die gängige männlich orientierte Vorgehensweise ist geprägt von einem nach außen gerichteten, nach Erregung heischenden sexuellen Verhalten, durch das die ureigensten weiblichen Qualitäten förmlich an die Wand gedrückt und „platt gewalzt“ werden. Durch den üblichen Sexstil wird der Same von Unzufriedenheit und sexuellen Fehlfunktionen fest eingepflanzt – und zwar in beide Geschlechter! Im Grunde sind es gerade die weiblichen, empfindsamen Qualitäten (sofern sie nicht durch kulturelle Fehlleitung deformiert sind), die das Eintreten eines orgasmischen Zustandes bei Frau und Mann ermöglichen. Dazu muss die Frau körperlich mehr in ihrer Mitte ruhen und sich entspannen, damit sie die echte männliche Kraft in sich aufnehmen, sie umwandeln und durch ihre weiblich-rezeptive Kraft auf eine höhere Ebene heben kann.
Heutzutage unterstützen viele Frauen unwissentlich, oft aber auch wissentlich, die Dominanz des Mannes im sexuellen Verhalten. Viele Frauen berichten von häufig schmerzhaften Erfahrungen während und nach dem Geschlechtsverkehr, die sie aber stillschweigend über sich ergehen lassen, um den Partner zufrieden zu stellen. Zahllose Frauen nehmen es als unvermeidlich hin, dass Sex für sie eine grobe, aggressive Erfahrung ohne jeden Ausdruck von Zärtlichkeit und Liebe bedeutet. Ich erinnere mich, wie mir während eines Seminars eine Frau erzählte, sie hätte keine Ahnung gehabt, dass Sex so behutsam und sanft sein kann. Oft machen wir Frauen bei dem allgemein üblichen „Geschlechtsverkehr“ auch einfach deshalb mit, weil „man es schon immer so gemacht hat“ und es uns deswegen inzwischen völlig „normal“ vorkommt. Wir haben einfach keine Ahnung, dass man es auch ganz anders machen könnte.
Infolge der unbewussten gesellschaftlichen Konditionierung der Frau treten die ureigensten weiblichen Qualitäten häufig deformiert in Erscheinung:
. Aus Weichheit wird Schwäche
. Aus Rezeptivität passive Resignation.
. Aus Fürsorglichkeit Bevormundung.
. Aus der Schönheit der Hingabe Unterwürfigkeit.
. Einfühlungsvermögen wird zu klebriger Anhänglichkeit.
. Die Fähigkeit zu geduldigem Abwarten maskiert sich als Trägheit.
. Liebe kann in Eifersucht abgleiten und zum manipulativen Gebrauch der weiblichen Eigenschaften verführen.
. Die Freude des Nicht-Tuns und der Entspannung zu lähmender Trägheit und Untätigkeit verkommt.
. Die weibliche Anpassungsfähigkeit zeigt sich verfälscht als kollabierten Zustand.
. Der freie Ausdruck individueller Gefühle als Sentimentalität und Launenhaftigkeit.
. Intuition und hellseherische Fähigkeiten können die Grenzlinie zu Paranoia und Hysterie überschreiten.
. Die Fähigkeit Ereignisse ohne kontrollierendes Eingreifen sich entfalten zu lassen kann als unangebrachte Unentschlossenheit und Mangel an Initiative auftreten.
. Empfindsamkeit verkehrt sich zur Opferrolle oder wird in den Dienst der Angst gestellt.
. Der Sinn für Schönheit verkommt zum Festhalten an äußeren Erscheinungen.
. Der Nesttrieb wird zum zwanghaften Sicherheitsbedürfnis.
. Aus still duldender Stärke kann masochistische Abhängigkeit werden.
. Das Bewusstsein der Verbindung zum Universum jenseits aller persönlichen Grenzen kann so weit gehen, dass eine Frau zu abgedreht und unverbindlich wird, um sich persönlich abzugrenzen.
Diese Deformation der weiblichen Qualitäten sind die unbewusste Folge unserer kulturell bedingten Entfremdung von unserer authentischen Weiblichkeit und unserem essenziellen Wesen. Es sieht zwar so aus, als würde der Mann bei der üblichen Art des Geschlechtsverkehrs mehr Befriedigung erlangen als die Frau, aber in Wirklichkeit könnte er eine noch viel umfassendere, länger anhaltende Befriedigung beim Sex erleben, als er es bisher kennt. Das hat damit zu tun, dass die Ejakulation allgemein als männliche Version des Orgasmus gilt. Für die meisten Männer bedeutet Ejakulieren gleich Sex. Aber, Ejakulieren ist nicht identisch mit Orgasmus. Der Mann kann einen Orgasmus auch ohne Ejakulation und Samenerguss haben. Die Energie bleibt dadurch im Körper und kann sich orgasmisch nach oben ausbreiten, statt nach außen verloren zu gehen.
Während die Frauen Schwierigkeiten haben, überhaupt einen Orgasmus zu bekommen, haben die Männer – ironischerweise, aber durchaus nicht überraschend – mit dem genau entgegengesetzten Problem zu schaffen: Der Orgasmus