im Bett, als der erste Feuerwerkskörper draußen im Innenhof detonierte.
Doch damit nicht genug. Dieser Kracher bestand im Grund aus vier getrennten Ladungen, die nacheinan-der zündeten und irregulär durch die Luft hüpften.
Waters hörte also die ersten Detonationen und hatte das sichere Gefühl, aus der Luft heraus angegriffen zu werden. Der erste Kracher torkelte und sprang durch den Innenhof und verursachte einen geradezu infer-nalischen Lärm.
Waters sprang aus dem Bett, griff automatisch nach seiner schweren Automatic und pirschte sich ans Fenster. Er stieß es auf und schaute nach unten.
Er begriff nicht, was er sah.
Ein zweiter und dritter Kracher zischte durch die Luft. Er sah deutlich die feuersprühenden Lunten, glaubte so etwas wie Pfeilschäfte zu erkennen und ging dann prompt in volle Deckung.
Die Kracher explodierten, was das Zeug hielt. Sie hüpften und torkelten feuersprühend durch den Innen-hof und schufen ein vielfältiges Echo, daß die Fensterscheiben zitterten.
»Artie! Ray! Cary!« brüllte Waters die Namen seiner Leibwächter und robbte vom Fenster zurück zum Bett und dann zur Tür. Für ihn war es klar, daß das Syndikat zum entscheidenden Schlag ausgeholt hatte. Man wollte ihn ausbomben und ausräuchern.
Nun, die drei Leibwächter hörten nichts.
Was aber auch wirklich zu verstehen war. Die »Schweizer Kracher« kamen jetzt in schneller Folge und schufen ein Chaos, wie man es sich wirkungsvoller nicht vorstellen konnte. Sie landeten auf den Plattformen der Türmchen, in Bogengängen und auf den Dächern. Flammenzungen leckten überall. Dachziegel prasselten in den Innenhof und Glas splitterte und klirrte.
Waters hatte seine Schlafzimmertür aufgeriegelt und rannte durch die langen, dunklen Korridore. Er schrie dabei immer wieder die Namen seiner Leibwächter, die allerdings nichts hören konnten. Artie, Ray und Cary hatten nämlich das dringende Bedürfnis verspürt, gerade jetzt die Kellerräume zu inspizieren. Was ihrem augenblicklichen Sicherheits- und Schutzbedürfnis entgegenkam. In den Gewölben fühlten sie sich nämlich ganz sicher.
Nicht so ihr Chef Stephan Waters.
Der ehemalige Gangsterboß hatte zudem noch großes Pech. Einer der Pfeile zischte in den Bogengang, durch den er gerade lief. Der an der Pfeilspitze befestigte Kracher dröhnte los und hüpfte dann unkontrol-liert hinter Waters her.
Spitze Schreie ausstoßend, ergriff Waters die Flucht, verfolgt von dem Feuerwerkskörper, der es auf ihn abgesehen zu haben schien. Waters war einfach nicht schnell genug. Er hörte dicht hinter sich das Krachen des kleinen, feuersprühenden Verfolgers und brüllte entsetzt auf, als die letzte Stufe dieses Lärmproduzen-ten auf seinen Rücken hüpfte.
Waters hatte das Gefühl, einen Fausthieb verpaßt zu bekommen, was natürlich reine Einbildung war. Er warf sich hin, drehte sich und schoß, was das Zeug hielt.
Später stellte sich heraus, daß er gar nicht so schlecht gewesen war.
Die Schüsse aus seiner Waffe hatten eine wertvolle, alte Standuhr, ein Ölgemälde, eine Glasvitrine und schließlich sogar noch die Flaschen der Hausbar getroffen. So gut hatte Waters es nämlich verstanden, die Schüsse zu streuen.
Und dann herrschte plötzlich Stille!
Waters erhob sich und atmete tief durch. Jetzt wurde ihm die Stille unheimlich. Er traute sich plötzlich nicht mehr, nach seinen drei Jungprofis zu rufen. Auf Zehenspitzen, vorsichtig wie ein Dieb, schlich er zu-rück aus dem Bogengang in die Zimmerfluchten und wartete dabei auf die nächsten Überraschungen. Es konnte doch unmöglich schon vorüber sein.
Er sah hinunter in den Innenhof.
Überall lagen die verglimmenden und noch leicht glühenden Feuerwerkskörper herum, Dinge, auf die er sich noch keinen Reim machen konnte. Waters vermißte weiterhin seine drei Leibwächter und wurde schrecklich wütend. Er fühlte sich von ihnen im Stich gelassen. Wo mochten Artie, Ray und Cary nur ste-cken? Sollte es sie vielleicht erwischt haben?
Waters trieb es wieder aus dem Zimmer hinaus, dann hinunter in den Innenhof. Er wollte endlich wissen, was man ihm da in solchen Massen ins Haus geschickt hatte.
Wenig später hielt er einen der glatten Pfeile in der Hand. Und langsam dämmerte ihm, auf welche Art und Weise man ihm mitgespielt hatte. Eine mehr als einfache, aber ungemein wirkungsvolle Methode, diese Sache mit den Pfeilen! Die Verwirrung war schließlich perfekt gewesen. Während seiner Meditation übersah Waters einen Pfeil, der durch die Luft zischte, quasi als letzte Erinnerung.
Der Pfeil prallte gegen einen Rundbogen, der »Schweizer Kracher« platzte donnernd auseinander.
Obwohl Waters wußte, um was es sich handelte, produzierte er erneut einen Schrei, ergriff die Flucht, und rannte direkt in sein Verderben.
Die letzte Stufe des Krachers jagte gegen sein Gesäß und platzte dort auseinander.
Waters brauchte anschließend eine halbe Stunde und etwa einen Meter Leukoplast, um den Schaden eini-germaßen zu reparieren.
*
»Es war wunderbar, Mister Parker«, lobte Agatha Simpson, die den Feuerzauber durch das Teleskop beo-bachtet hatte. Parker war ins spitzgieblige Fachwerkhaus zurückgekehrt und hatte Bericht erstattet.
»Ich muß zugeben, Mylady, daß auch ich recht angetan war«, antwortete der Butler.
»Wie eine Bühneninszenierung«, stellte Agatha Simpson fest. »Diese Methode sollte man sich merken, Mister Parker.«
»Wie Mylady befehlen«, sagte der Butler. »Ich könnte mir vorstellen, daß Mister Waters für den Rest der Nacht kaum noch schlafen wird.«
»Soll er über seine Sünden nachdenken.« Die Detektivin nickte grimmig-zufrieden. »Wann wird dieses Subjekt endgültig weich werden?«
»Dies, Mylady, läßt sich nur schwer vorhersagen«, entgegnete der Butler. »Mister Waters wird sich auf keinen Fall schnell geschlagen geben.«
»Ich verlasse mich da ganz auf Sie, Mister Parker. Was steht als nächstes auf Ihrer Liste?«
»Wenn Mylady gestatten, sollte man Mister Waters mit ausgesuchten Gerüchen belästigen.«
»In der kommenden Nacht?«
»Dazu bietet sich auch der nächste Tag an«, meinte der Butler. »Man sollte Mister Waters deutlich zeigen, daß nicht nur die Nachtstunden äußerst unangenehm sein können.«
»Eine hübsche Idee, Mister Parker«, antwortete die kriegerische Dame. »Sie scheinen Gefallen an der Sa-che zu finden.«
»In der Tat, Mylady«, räumte Parker ein. »Vor der nächsten Aktion sollte man sich aber sicherheitshalber mit jenen Besuchern befassen, die ungebeten hier ins Haus eindrangen.«
»Und wie wollen Sie die finden?« Agatha Simpson sah ihren Butler sowohl erwartungsvoll als auch gläu-big an. Sie hatte im Lauf der Zeit die Erfahrung gemacht, daß ihr Butler immer wieder Lösungen anzubieten hatte.
»Die Sonne wird es an den Tag bringen«, zitierte der Butler eine alte Spruchweisheit aus dem Volk.
*
Der Henker des Syndikats befand sich im Badezimmer, saß in der Wanne und schrubbte sich ausgiebig und verzweifelt. Ellis Kildare hatte seit einigen Stunden bemerkt, wie gezeichnet er war. Er hatte sich tat-sächlich nicht getäuscht. Die Flüssigkeit, die sich beim Öffnen der Küchentür über ihn ergossen hatte, war mit seiner Haut eine äußerst innige Verbindung eingegangen und schillerte und fluoreszierte in allen nur er-denklichen Farben.
Was Ellis Kildare natürlich störte.
Er wollte nicht wie ein Regenbogen auf zwei Beinen durch die Gegend laufen. Zudem konnte er sich leicht ausrechnen, warum man diese vertrackte Flüssigkeit in den kleinen Plastikeimer gefüllt hatte. Die In-sassen des spitzgiebligen Fachwerkhauses wollten auf diese Art und Weise herausfinden, wer sie besucht hatte.
Ellis