sie ihre Gäste mit Kaffee und den Schnitten versorgte, die dank der Spende üppig belegt waren. »Kommt denn wirklich kein Arzt her?«
»Aber, Gustchen, die Kinder gehen doch vor.«
»Du, fang nicht wieder an«, drohte sie mit dem Löffel. »Sei wenigstens mal fünf Minuten ernsthaft.«
»Na schön. Und wenn du mich da auch noch so böse anblitzt. Die Doktors, die ich anrief, waren wirklich zur Entbindung. Unsere beiden, Vater und Sohn, je bei einer Frau, der dritte allerdings bei einer… Kuh!«
»Also, Franz, du versündigst dich ja wie ein Heide!« fuhr Gustchen empört auf. »Frau und Kuh in einem Atemzug…, du lieber Gott im Himmel droben, verzeih ihm diesen Frevel!«
»Aber, Gustchen, sei doch nicht so böse«, tat er kläglich. »In meiner Aufregung hatte ich nämlich den Tierarzt angerufen.«
Jetzt konnten Ragnilt und Trutz nicht mehr das unterdrückte Lachen zurückhalten, in das dann eine brummende Stimme hineinsprach: »Dafür hetz’ ich mich nun ab.«
»Herr Doktor!« schrie Gustchen in höchster Not. »Ist bloß gut, daß Sie da sind.«
»Nanu, der Patient ist doch recht fidel!«
»Das schon, aber ich kann die drei hier nicht mehr bändigen, so übermütig sind sie. Und der Herr Baron sogar noch mit dem Loch im Kopf.«
Verblüfft sah sie auf den Arzt, der jetzt gleichfalls in herzliches Lachen ausbrach. Und zwar galt es Trutz, der in der geborgten Kleidung aber auch lächerlich genug wirkte. Die Ärmel der Jacke waren den Ellenbogen beängstigend nahe, sowie die Beine der Hose den Knien – und darunter prunkte Gustchens herrliches Fabrikat aus grauer Wolle und ihre Schuhe, die selbst dem Mann noch zu groß waren, obwohl er in seiner Größe über nicht gerade kleine Füße verfügte, dazu noch das Taschentuch um den Kopf.
So stand er vor dem Arzt, der sich die Lachtränen aus den Augen wischte.
Ebenso wie die andern, die jetzt erst die Maskerade bemerkten, nun der Mann sich von dem Sofa erhoben hatte, um den weit älteren Arzt zu begrüßen.
»Sehen Sie, Fräulein Gustchen, jetzt werde ich ausgelacht«, sagte Trutz anklagend. »Und dazu noch mit dem Loch im Kopf.«
»Werde ich mal gleich in Augenschein nehmen«, wurde der Arzt nun ernst und nickte nach der Untersuchung befriedigt.
»Ganz anständig, aber nicht gefährlich. Die Binde lassen wir fort, ein Pflaster genügt.«
Nachdem das fein säuberlich über der Wunde klebte, nahm der gute Onkel Doktor am Tisch Platz und brummte:
»So, jetzt möchte ich aber den Kaffee haben, den meine Alte mir grausam vorenthielt. Denn kaum wurde sie meiner ansichtig, hetzte sie mich auch schon davon.
›Was heißt hier Kaffee, es geht um den Baron Swindbrecht. Er ist bei dem Brand verunglückt und liegt bei Fräulein Gustchen. Also nun mal etwas hurtig!‹
So jagte sie mich davon«, führte der Arzt in seiner humorvollen Art weiter aus. »Und was finde ich vor? Einen lachenden Patienten. Ich muß schon sagen, daß mir so was in meiner langjährigen Praxis wohl zum erstenmal passiert ist.«
»Es sah aber sehr böse aus«, entgegnete Ackermann ernst. »Deubel noch eins, bekam ich einen Schreck, als der Herr Baron aus Flammen und Rauch auftauchte, die kranke Bäuerin im Arm, die der konfuse Bauer ganz vergessen hatte. Wie haben Sie das überhaupt erfahren, Herr Baron, daß die Ärmste sich noch im brennenden Haus befand?«
»Ich hörte Schreien und ging dem nach. Das ist alles.«
»Soso – das ist alles«, brummte der Verwalter, dabei seinen Herrn mit einem liebevollen Blick umfassend.
»Bescheidenheit soll ja wohl eine Zier sein…, na ja…, das ist eben unser Trutz. Den muß man nehmen, wie er ist, nicht wahr, Frau Baronin?« zwinkerte er ihr vergnügt zu, und sie lachte.
»Ja, das muß man – und fährt bestimmt nicht schlecht dabei.«
»Will ich meinen. Jedenfalls gingen mir meine sämtlichen paar Haare hoch, als der kühne Retter, nachdem er seine Last abgelegt, mir wie ein Stück Holz vor die Füße schlug. So gezittert hab’ ich noch nie in meinem Leben vor Schreck. Und nichts da, wo ich ihn hinlegen konnte, da ja alles vor Wasser schwamm, nachdem auch noch der prasselnde Regen einsetzte. Da fiel mir Gustchen ein – na ja, das ist alles – sage ich jetzt.
Nur zufügen möchte ich noch, daß mir die Gegenwart der Frau Baronin hier aber auch gar nicht paßte.«
»Und hat doch so große Wunder gewirkt«, fiel Trutz lachend ein. »Und nun wollen wir das Thema lassen, das mir so gar nicht behagt.«
»Na, was wird nicht«, schmunzelte der Arzt, sich mit Behagen an Gustchens Kaffee nebst Beilage labend. »Es soll Menschen geben, die lieber eine Grobheit hören als eine Anerkennung.
Um so mehr erhebe ich darauf Anspruch, der heute einem strammen Bengel ins Leben geholfen hat. Mutter und Sohn wohlauf, der Vater halb närrisch vor Freude. Und wissen Sie, wie er heißt: Siegfried Ackermann.
Los, Fräulein Gustchen, einen Schnaps her, damit wir mit dem neugebackenen Großvater anstoßen können!«
»Ach, du lieber Gott – Schnaps – ja, wo hab’ ich den bloß? Franz, hörst du! Franz, so sitz doch nicht so entgeistert da, man kann ja Angst kriegen!«
Da kam endlich Leben in die erstarrte Gestalt. Und dann brach ein Lachen aus der breiten Brust, das schon mehr einem Jauchzen glich.
»Also ein Junge ist es, bei Blitz und Donner geboren. Na, wenn das kein echter Kerl wird!«
Und dann gaben die Gläser einen guten, fröhlichen Klang.
*
Das schmucke Auto der Baronin Swindbrecht flitzte die Landstraße entlang. Sicher führten die zarten Hände das Steuer, doch unsicher war der Blick, der immer wieder zu dem Mann hinging.
»Trutz, fühlst du dich auch wirklich wohl?« fragte Ragnilt jetzt leise, und lachend kam es zurück:
»Wie könnte es wohl anders sein, mein Schatz, wie ich dich nun endlich nennen darf. Wozu so ein kleiner Unfall doch manchmal gut sein kann.«
»Na – klein?« zweifelte sie. »Es hätte ja auch anders kommen können. Ach, Trutz, wie glücklich bin ich doch, daß du lebst.«
»Und wie ich lebe! Lenk doch mal in den Nebenweg dort ein.«
»Warum?«
»Das wirst du gleich sehen.«
Kopfschüttelnd kam sie seinem Wunsch nach. Doch kaum, daß der Wagen stand, umfingen sie zwei Arme und drückten sie fest an das hartschlagende Herz. Zwei Lippen brannten auf den ihren in einem Kuß, der mehr ausdrückte, als viele Worte es vermocht hätten. Dann lockerte sich die Umarmung, und vier lachende Augen tauchten ineinander.
»So, mein mißtrauisches Kind, jetzt weißt du hoffentlich Bescheid. Oder muß ich noch betonen, daß ich dich liebe?«
»Nein.« Sie schmiegte sich beseligt an ihn. »Ach, Trutz, nun wollen wir beide so recht von Herzen glücklich sein.«
»Worauf du dich verlassen kannst. Und nun fahr zu.«
»Wohin?«
»Ins lachende Glück.«
»Wo ist das?«
»Bei uns zu Hause.«
O ja, da gab es wirklich ein lachendes Glück. Aber erst, nachdem man über den Schreck hinweggekommen war, der Hermine und Brunhild die Glieder zittern ließ, als sie Trutz’ ansichtig wurden. Angsterfüllt lauschten sie seinem Bericht, doch als er den Regenmantel auszog, mit dem Ackermann die »Eleganz« verhüllt hatte, da lachten sie Tränen.
Gleichfalls Arnold nebst Töchterlein, die gerade in dem Moment eintraten. Sie kamen aus der Stadt und hatten unterwegs Ackermann getroffen, von dem sie die Begebenheit haargenau