neigte leicht den Kopf zur Seite und tippte mit den Fingerspitzen auf das Lenkrad, als schlage er den Takt zu einer Musik, die nur er hörte. Vor ihnen tauchte der Nibelungenturm auf, neben dem Dom das zweite Wahrzeichen der Stadt, und er setzte den Blinker nach links, während sie an einer Ampel warteten.
»Ich mag schon lange nicht mehr in Earrach leben, und es ist mir nicht unlieb, dort für tot zu gelten«, antwortete er schließlich. »Aber ich habe noch immer Augen und Ohren dort, und dieses Bild war nicht das erste, das ich von dir sah. Allerdings war es das bisher Faszinierendste, da es gänzlich ohne den sonst üblichen Elfenzauber den wahren Charme der Frau dahinter erahnen ließ.«
Rian kniff leicht die Augen zusammen. Die ganze Zeit kam es ihr vor, als schwinge in Alberichs Stimme stets unterdrücktes Gelächter mit. Alles, was er sagte – die geschliffenen Komplimente ebenso wie die sachlichen Erklärungen –, wirkte so sehr am Rande der Ironie, dass es Rian schwerfiel, zu entscheiden, was er ernst meinte und was nicht. Dieses Spiel mit Worten alarmierte und faszinierte sie zugleich.
Sie ahnte, dass sie jeden Moment dieses Abends genießen würde. Und sie war dankbar, dass David sich still verhielt – für seine Verhältnisse ungewöhnlich. Doch sie ließ sich davon nicht ablenken, ihre gesamte Konzentration durfte nur Alberich gelten.
Der fuhr auf das Rheinufer zu, bog dann in eine schmale Straße ein, die neben einer Schienenstrecke entlangführte, und schwenkte schließlich über die Schienen hinweg in eine Stichstraße mit Parkplätzen. Gleich auf dem ersten stellte er den Wagen ab und lächelte Rian an.
»Voilà«, sagte er. »Wir sind angekommen. Ich bitte die Dame und den Herrn, einen Moment Platz zu behalten.«
Er stieg aus und umrundete den Wagen, um Rian und David die Türen zu öffnen. Dann hielt er Rian seine Hand hin, um ihr beim Aussteigen zu helfen, und sie nahm gern an. Es war schon eine Weile her, dass sie solche Höflichkeiten von anderen Männern als ihrem Bruder erlebt hatte. Die Menschen schienen auf diese Manieren keinen Wert zu legen, obwohl sie doch Teil eines Spiels waren, das Rian sehr zu schätzen wusste. Sie war daher entschlossen, sich von Alberich in jeder Form hofieren zu lassen und es zu genießen, so lange sie Gelegenheit dazu hatte.
Nachdem er ihr aus dem Wagen geholfen hatte, legte Alberich Rians Hand wie selbstverständlich in seine Armbeuge, um mit ihr auf einen Kiesweg zuzusteuern, der zum Promenadenweg am Flussufer führte. Mit der anderen winkte er David heran, der ein Stück hinter ihnen geblieben war.
»Dafydd, erweise mir die Ehre, meine andere Seite zu schmücken. Es würde meiner eitlen Seele schmeicheln. Wie oft hat man schon die Gelegenheit, zwischen hochköniglichem Geblüt zu flanieren?«
David holte mit einigen langen Schritten auf, sein Blick blieb unergründlich, aber er lächelte immerhin.
»Was Rian in Paris getan hat, weiß ich ja nun schon«, sagte Alberich und legte leicht seine Hand auf Rians, als wolle er verhindern, dass sie von seiner Armbeuge rutschte. »Aber was hat diese Stadt einem Prinzen wie dir zu bieten? Wie hast du dir die Zeit dort vertrieben?«
David zuckte die Achseln. »Ich habe gelegentlich Cocktails in einem Club gemixt. Ich war dort sehr beliebt.«
»Vor allem bei den Damen, vermute ich«, bemerkte Alberich. »Hast du denn das, was die Menschen dir als Zutaten bieten konnten, nicht als minderwertig empfunden?«
»Die Menschen mögen nicht über die exzellenten Tropfen verfügen, die wir im Baumschloss haben, aber sie haben durchaus einige interessante alkoholische Getränke entwickelt. Und in der richtigen Mischung kann man sogar aus Mittelwertigem noch etwas Erstklassiges machen.«
»Ich glaube dir sofort und unbesehen, dass du diese Kunst beherrschst. Daher frage ich mich, ob es wohl möglich wäre, später eine Probe deiner Fertigkeiten zu erhalten? Ich habe eine gut bestückte Bar in meinem Haus.«
»Natürlich, gern.«
Sie schlenderten zu dritt unter dem verwobenen Zweigdach der Platanen hindurch, die den Uferweg im Sommer beschatteten. Jetzt hatten sie alle Blätter verloren, und man konnte durch ihre Äste hindurch den klaren Sternenhimmel sehen. Rian musterte die Anlegestellen für Touristenboote, die sie passierten. Ein Stückchen weiter sah sie einige niedrige Gebäude mit hell erleuchteten großen Fenstern.
»Die Restaurants hier unten mögen nicht die besten der Stadt sein«, bemerkte Alberich, »aber ich liebe den Ausblick.« Er nickte zum dunklen Band des Rheins hin, in dessen schnell fließendem Wasser sich die Lichter der Uferpromenade und der entfernten Nibelungenbrücke spiegelten.
Rians Blick fiel auf einen aus Sandsteinen gemauerten Block, auf dem sich der dunkle Umriss einer mehr als mannsgroßen Statue erhob. Sie stellte einen Menschen dar, der etwas auf der Schulter trug.
»Das Hagenstandbild«, erläuterte Alberich, der ihren Blick bemerkte. Rian sah, wie seine Kiefermuskeln sich kurz anspannten. Ein eigenartiges Glitzern trat in seine Augen. »Er ist dabei, den Schatz der Nibelungen im Rhein zu versenken – oder besser, wie ein Künstler sich die Szene vorstellt. Der wirkliche Vorgang war deutlich prosaischer, habe ich mir sagen lassen. Ich war damals leider verhindert, an diesem Ereignis teilzunehmen.« Dieses Mal war die Ironie in den Worten unverkennbar, und zugleich schwang darunter etwas mit, das an das Knurren eines gereizten Raubtiers erinnerte.
Rian musterte Alberich von der Seite, und Grogs Worte kamen ihr wieder in den Sinn: Er ist ein Drachenbruder. Unter der gutaussehenden und liebenswürdigen Oberfläche dieses Elfen ruhten zweifelsohne Dinge, die gefährlich werden konnten, wenn sie geweckt wurden. Der Wolf im Schafspelz, dachte Rian. Der Drache in Elfenhaut. Welches ist überhaupt seine wahre Gestalt?
In diesem Moment schüttelte Alberich kurz den Kopf, als wolle er einen unangenehmen Gedanken vertreiben, und drehte sich mit einem Lächeln wieder ihr und David zu. Erneut war er der weltgewandte Mann, der nichts allzu ernst zu nehmen schien.
»Lassen wir diese alten Geschichten vorerst; ich denke, wir werden noch früh genug darüber sprechen. Aber wenn wir damit jetzt anfangen, kommen wir nicht beim Restaurant an, ehe die Küche schließt.«
Sie spazierten den Uferweg hinunter bis zum Fuß des Nibelungentors, durch das ein Stück weiter oben die Bundesstraße führte, die Worms über die Nibelungenbrücke mit dem anderen Rheinufer verband.
Sie gingen ein paar Stufen hinauf und traten in ein rustikal ausgestattetes Gasthaus ein. Sofort wurden sie von einem jungen Kellner begrüßt, der sie zu einem reservierten Tisch in einer ruhigen Ecke des Lokals führte. Eine Frau reichte ihnen Speisekarten und legte eine Weinkarte auf den Tisch.
Letztere schob Alberich zur Seite. »Bringen Sie uns von dem Wein, den ich selbst hier habe einlagern lassen«, sagte er und sah dann fragend zu den Geschwistern. »Möchtet ihr etwas anderes vorweg trinken?«
Rian schüttelte den Kopf. »Ich verlasse mich auf deine Empfehlung, Reginald«, sagte sie. Sie sprachen wieder Deutsch und benutzten somit auch die Namen, die sie gegenüber den Menschen führten.
»David?«
»Ich ebenso. Ich bin gespannt, ob er meinen Ansprüchen genügen wird.«
Alberichs rechter Mundwinkel hob sich leicht zur Andeutung eines Lächelns, ehe er sich wieder der Bedienung zuwandte. »Also, meinen Elfenwein«, sagte er. »Und wie immer einen Krug stilles Wasser dazu.«
Die Frau nickte und nahm die Weinkarte wieder mit.
»Elfenwein?«, wiederholte Rian.
Alberich hob die Augenbrauen. »Willst du Fragen vermeiden, beantworte sie mit der Wahrheit, insbesondere wenn es ohnehin eine unglaubwürdig erscheinende ist. Der Wirt hier hat mich nie wieder gefragt, woher ich diesen vorzüglichen Tropfen habe.«
»Es ist also ein Wein aus Earrach?«, fragte David ungläubig.
Alberich nickte. »Ich habe meine Beziehungen, hier wie dort. Um genau zu sein ist es sogar ein Wein, der direkt aus dem Weinkeller Fanmórs stammt. Er sollte euch also bestens munden.«
Rian erschrak unwillkürlich und setzte sich gerader hin. »Aus Vaters