Barbara Edelmann

Tod in Rothenburg


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der Spurensicherung winkte ihr freundlich. Sie warf ihm einen Kussmund zu und wandte sich wieder an Kurti.

      »Hallo, ich bin Dodo. Man hat uns gestern schon einander vorgestellt. Wie war dein Name doch gleich? Karl? Kuno?«

      »Kurti.« Er zwinkerte ihr zu. »Ist das dein übliches Outfit für Tötungsdelikte? Schick. Oder trägst du das extra für mich?« Anerkennend musterte er sie von oben bis unten.

      »An Selbstbewusstsein fehlt es dir offenbar nicht«, bemerkte Dodo. »Hatte keine Zeit, mich umzuziehen. Du ja wohl auch nicht, Rambo.« Sie warf einen vielsagenden Blick auf seine Shorts und die nackten Füße in Sneakers. »Der Chef hat mich informiert, dass wir ab sofort zusammenarbeiten. Eigentlich hätten Fitz und Geiger heute Dienst gehabt, aber die sind in Ansbach unterwegs. Na ja, wir werden schon klarkommen.«

      Routiniert schlüpfte sie samt ihren Sandaletten in ein Paar Überschuhe aus Papier, um den Tatort nicht zu kontaminieren. »Das sieht bescheuert aus«, sagte sie seufzend. »Scheint so, als dürfte ich künftig nur noch in Zehensandalen ausgehen.«

      »Bei diesem Kleid achtet niemand auf deine Füße«, versicherte ihr Kurti. »Nur das Gürtelholster unter der Jacke trägt ein wenig auf.« Er streifte sich, genau wie seine neue Kollegin, Latexhandschuhe über.

      »Wieso bewirbt sich eigentlich jemand vom Rauschgift wie du beim K1?«, fragte Dodo, als sie neben der Toten in die Hocke ging.

      »Na, wegen dem Kopfgeld«, erklärte ihr Kurti mit todernster Miene. »Und ich wollte hübsche Frauen kennenlernen, bevorzugt lebendige natürlich.«

      »Na toll, ein Komiker.« Dodo deutete auf die Tote. »Der Chef hat mich telefonisch informiert. Die Frau wurde vermutlich die Treppe hinuntergestoßen.«

      »Deckt sich mit der Aussage unserer Zeugin«, bestätigte Kurti. »Sie hat im Display ihres Handys gesehen, wie zwei Gestalten miteinander kämpften. Armes Ding, so jung und so schön.« Er beugte sich über die Tote, um das merkwürdige Stück Holz in ihrem Bauch zu mustern.

      »Das ist ein Kerbholz«, erklärte ihm Dodo. »Kenne ich aus dem Kriminalmuseum, in das mich meine Mutter einmal pro Jahr schleppt. Eigentlich gehört so was in eine klimatisierte Vitrine.«

      »Sie hat ein Hämatom am Auge.« Kurti zeigte auf das Gesicht des Opfers, wo sich deutlich ein Bluterguss unter der rechten Augenbraue abzeichnete.

      »Und sie trägt ein Kleid von Prada«, antwortete Dodo. »Außerdem nur einen Schuh, und zwar ein teures Fabrikat.« Suchend sah sie sich um. »Hat den zweiten der verschwundene Prinz mitgenommen? Vielleicht finden wir ihn oben auf der Mauer. Hinauf mit uns.«

      Auf der obersten Treppenstufe entdeckten sie eine winzige blaue Handtasche, verziert mit übergroßen Initialen eines exklusiven Designerlogos.

      »Alles drin.« Dodo entnahm der Tasche vorsichtig ein Handy und versuchte vergeblich, es zu aktivieren. »Lässt sich nicht einschalten«, sagte sie enttäuscht. »Ich hatte schon mal mehr Glück. Das kommt davon, wenn man keine Hülle benützt, hoffentlich ist nur der Akku leer. Schlüssel, Portemonnaie, Lippenstift, ein Kosmetiktuch, ein Kamm. Ausgeraubt wurde sie nicht.«

      Kurti schnappte sich die winzige Geldbörse. »Sandra Kaiser«, las er laut vom Personalausweis der Toten vor. »Sie wohnt hier in Rothenburg, draußen am Stadtrand. Nobles Viertel.«

      »Diese Tasche kostet außerdem knapp tausendvierhundert Euro.« Nachdenklich betrachtete Dodo das teure Stück. »Raub können wir also ausschließen. Bis auf ihr Veilchen keinerlei Kampfspuren, soweit ich das beurteilen kann.« Mit einer kleinen Taschenlampe leuchtete sie in sämtliche Winkel des gemauerten Durchgangs. »Das werden sich die Jungs von der Spurensicherung sehr gründlich ansehen müssen. Ich schlage vor, wir machen uns sofort auf den Weg zu ihrer Wohnung. Den Schlüssel haben wir ja.«

      »Gehört das zu deiner normalen Ausrüstung, wenn du abends ausgehst?« Erstaunt zeigte er auf die Leuchte in Dodos Hand.

      »Ist nicht das erste Mal, dass ich mitten in der Nacht losmuss«, erklärte sie und balancierte auf ihren hohen Absätzen vorsichtig die sehr steile Treppe hinunter. »Hab immer alles im Kofferraum, was ich brauchen könnte, außer anderen Klamotten, aber das passiert mir in Zukunft nicht mehr. Gehört das Fahrrad an der Hauswand dir?«

      Kurti nickte. »Ist ökologischer. Und gesünder.«

      »Die Gerüchte stimmen also.« Dodo grinste. »Wir nehmen meinen Wagen. Ich hoffe, du bist ein guter Beifahrer und nicht so zimperlich wie mein letzter Partner. Der war vielleicht eine Mimose.«

      »Können wir, Frau Haug?« Axel Heiße von der Spurensicherung musterte Dodo wohlwollend. Er freute sich immer, seine hübsche Kollegin zu sehen, auch wenn der Anlass meistens unerfreulich war. Irgendwann würde sie seine Einladung zu einer Tasse Kaffee und einem Heiratsantrag annehmen, dessen war er sich sicher.

      »Ja. Bringen Sie sie weg«, bat Dodo. »Je schneller, umso besser. Ich könnte mir vorstellen, dass eine Leiche geschäftsschädigend für den Tourismus ist. Wie lange brauchen Sie hier noch?«

      »Kommt drauf an. Sie dürfen mich nicht hetzen.« Axel schaute auf seine Uhr. »Wir müssen ein so breites Gebiet wie möglich abdecken und werden ohnehin nicht viel Verwertbares finden, dazu sind hier jeden Tag zu viele Menschen unterwegs.«

      Dodo übergab ihm die Handtasche des Opfers. »Bitte sofort zum Revier bringen und Peter Waltner telefonisch informieren. Wir benötigen so bald wie möglich die Daten aus dem Mobiltelefon, am besten gestern. Peter kommt auch nachts, der ist so was von digitalisiert, dass Sie ihn auf irgendeine Art und Weise immer erreichen. Versuchen Sie es über WhatsApp und Skype oder sehen Sie zur Not auf Instagram, Twitter oder Facebook nach. Irgendwo im Netz treibt er sich um diese Uhrzeit schon noch herum. Schönen Gruß von mir.«

      »Worauf wartest du?«, forderte sie dann ihren neuen Kollegen auf. »Wir wollten doch zur Wohnung der Toten.«

      »Fahr einfach vor, mit dem da bin ich genauso schnell wie du.« Kurti wies auf sein Fahrrad an der Hausmauer. »Wir treffen uns dort.«

      »Ich hätte den Gerüchten wirklich glauben sollen.« Dodo seufzte. »Leg das Ding in meinen Kofferraum. Jetzt ist nicht der Zeitpunkt für Diskussionen über meinen CO2-Fußabdruck.«

      »Dazu ist nie der falsche Zeitpunkt«, widersprach Kurti. »Und dieses ›Ding‹ besitzt einen verschweißten Titanrahmen, wiegt insgesamt zweitausendeinhundertfünfundsechzig Gramm und kostet sehr wahrscheinlich mehr als deine vorsintflutliche Feinstaubschleuder.«

      »Vorsintflutlich? Alles unter hundertachtzig PS ist sowieso nur eine Gehhilfe«, protestierte Dodo empört, während sie auf ihren hohen Hacken und wild gestikulierend neben Kurti, der verdrossen sein Fahrrad schob, durch das Galgentor zum Parkplatz Rödergasse verschwand. Beide achteten nicht auf den hochgewachsenen grauhaarigen Herrn, der ihren Weggang interessiert beobachtete und sich dann auf den Weg zum Tatort machte. Immer an der Wand lang.

      Im Hotel »Goldener Hirsch« in der Schmiedgasse hatte sich Mary Walker soeben in aller Gemütsruhe die Zähne geputzt, nun fand sie ihren Gatten gedankenverloren auf dem Bett sitzend vor.

      »Sollen wir nicht besser nach Hause fahren?«, fragte er, grau im Gesicht. »In Lincoln wäre uns so was nie passiert. Und mir ist immer noch übel.«

      »Richtig!«, rief Mary enthusiastisch. »In Lincoln wäre uns so etwas nicht passiert. Darum bleiben wir. Ich werde viel erzählen können, wenn wir wieder zurückkommen. Außerdem müssen wir morgen zu diesem Ryan-Reynolds-Verschnitt mit den phantastischen Zähnen und meine beiden Telefone abholen. Jetzt beruhige dich und schlaf endlich.«

      Und wieder tat George, was er am besten konnte: Er gab nach.

      Ich hoffe, der niedliche Typ mit dem treuherzigen Blick trägt morgen wieder kurze Hosen, dachte Mary, während sie in ein voluminöses Kunstfasernachthemd schlüpfte, das mit mehreren Metern pinkfarbener Rüschen besetzt war.

      Dann ging sie zufrieden schlafen. Es knisterte leicht, als sie sich ins Bett legte, aber das taten ihre Gedanken auch.

      Sonntagabend,