und hochangereichertem Nahrungsbrei, wie er als Vorrat an Bord war. Klatrass nahm das gerne in Anspruch, vielleicht war es das letzte Mal. Dann legte er das einfache Funkgerät ab, in seinen Anzug war ein leistungsfähiges System integriert.
»Die Mannschaft ist eingetroffen und wartet auf die Kabine«, meldete Usspor. »In ein paar Stunden sind sie bei dir oben zur Einweisung bereit.«
»Sehr gut!«, lobte Klatrass. »Ich hoffe, ihr bereitet ihnen während der Wartezeit noch einen schönen Abschied.«
»Aber selbstverständlich.« Sein Mentor gluckste. »Sie sind sehr aufgeregt – mehr als du, möchte ich meinen.«
»Sie lassen ihre Leibbündel zurück und sind sozusagen ab sofort Einzelkörbler – natürlich ist das für sie schwierig. Sie werden die Reise wahrscheinlich schneller bereuen als ich. Jedenfalls werden wir fertig sein, bis sie eintreffen«, gab er sich zuversichtlich.
Er wollte vor allem im Wohnrad nachsehen, ob alles in Ordnung war.
*
Nachdem der Korb zum zweiten Mal angekommen war, empfing Klatrass seine Mannschaft und sämtliche Techniker und Ingenieure im Vorbereitungsraum.
»Wir sind alles durchgegangen, haben die eine oder andere Schraube ordentlich festgedreht, und nun sind wir bereit«, sagte er.
Die Mannschaft trug bereits die Spezialanzüge und hatte deren Systeme getestet.
»Wir wollen nun euch Helfern danken und euch verabschieden, bevor wir an Bord gehen und die Startvorbereitungen treffen können, während ihr zum letzten Mal hinunterfahrt«, fuhr Klatrass feierlich fort.
Sie schlossen sich alle seiner Stimmung an, es war ein einzigartiger Moment. Über einen Bildschirm war die Kontrollzentrale zugeschaltet. Usspor und die anderen wirkten ebenfalls bewegt.
Bald wiegten sich alle im gleichen Rhythmus und sangen von den großen Körben der Einheit. Auf einem anderen Schirm wurden Bilder von den Feiern übermittelt, die überall stattfanden – die Gelegenheit musste genutzt werden, um der Geselligkeit zu frönen. Sagarssen liebten Festlichkeiten, und der Start des ersten Raumschiffs war gewiss der größte und beste Anlass, den es je gegeben hatte. Hochrufe waren zu vernehmen, und Fahnen mit stilisierten Raumschiffen und Raumfahrern wurden geschwenkt.
Das Personal verließ den Raum, bestieg den Aufzug und machte sich auf den stundenlangen Weg nach unten.
Zurück blieb eine nervöse Mannschaft.
»Ich begrüße euch alle mit großer Freude«, sprach Klatrass zu ihnen, nachdem die Verabschiedungen beendet, die Bildschirme abgeschaltet und sie unter sich waren. »Nun können wir uns auf die Längste-Reise-Je vorbereiten, auf den Beginn eines völlig neuen Abschnitts in unserem Dasein. Zum ersten Mal brechen wir in den ...«
»Alles schön und gut«, unterbrach jemand. »Aber wissen wir denn wirklich alle, was unsere Aufgabe ist?«
»Nun, Widraiss, du besetzt beispielsweise den Richtkorb«, antwortete Klatrass verblüfft. »Im Kenntniskorb wird Bewress uns an seinen wissenschaftlichen Erkenntnissen teilhaben lassen. Für die Verpflegung mit Nahrung und Medizin ist Russru im Pflegekorb zuständig, und Sternbeobachterin Moazzur ist unentb...«
»In Ordnung, die haben alle ihren Posten. Ich frage dich, welchen Korb beziehst du?«
Aha. Sie waren nicht einmal aufgebrochen, schon ging es los. Aber Klatrass wusste über jeden Einzelnen in der Mannschaft Bescheid, seit feststand, wer dabei sein würde – zu dem Zeitpunkt hatte er von sich selbst noch gar nichts gewusst. Widraiss war eine sehr fähige Pilotin, aber auch impulsiv, sie stellte gerne alles infrage und wollte vor allem Karriere machen. Vielleicht hatte sie zugleich Kommandantin sein wollen – Autorität besaß sie, aber nur geringe Führungsqualitäten, weswegen sie nicht ausgewählt worden war.
Darüber mochte sie sich ärgern. Doch die Entscheidung hatte nicht Klatrass getroffen.
»Ich beziehe den Orderkorb«, antwortete er ruhig. »Ich dachte, das hätte man euch mitgeteilt?«
»Ja, aber ich wollte es nicht glauben.« Widraiss richtete sich hoch auf, ein Zeichen der Herausforderung. »Das kam ein bisschen sehr plötzlich, nicht wahr?«
Klatrass spürte, wie die Stimmung gegen ihn umschlug. Die anderen ließen sich von der Pilotin aufstacheln.
»Ja, sogar für mich«, gab er zu. »Im Grunde bin ich dir dankbar, dass du es ansprichst. Denn auch für mich war es eine große Überraschung.«
»Aber du hast angenommen?«
»Ja, nach reiflicher Überlegung und einem ausführlichen Gespräch mit Usspor.«
»Jeder weiß, wie sehr Usspor dir zugetan ist«, sagte die Ärztin Russru, die bei den Belastungstests in Bezug auf Gelassenheit und Charakterstabilität hervorragend abgeschlossen hatte.
»Doch er hat mich nie bevorzugt«, sagte Klatrass.
»Weshalb wurde ich bei der Auswahl nicht berücksichtigt?«, kam Widraiss zum Kern ihres Anliegens.
»Das lag nicht in meiner Entscheidung, und ich bin nicht befragt worden, deshalb kann ich dir diese Frage nicht beantworten. Hast du denn Usspor darauf angesprochen, nachdem du es erfahren hattest?«
»Was sollte er schon sagen?«
»Nun, etwa dass du deine Qualitäten vor allem auf deine Aufgabe als Pilotin konzentrieren solltest.« Klatrass hob sich nun selbst in die Höhe. »Ihr alle seid Spezialisten und die Besten auf eurem Gebiet, weswegen ihr ausgewählt worden seid. Euch macht so leicht keiner etwas vor. Deswegen hat man sich auch entschieden, dass niemand gleich zwei bedeutende Funktionen ausüben darf. Damit es keinen Interessenkonflikt im Fall einer Gefahr gibt. Das Kommando muss jemand übernehmen, der den Überblick behält und über alle Vorgänge Bescheid weiß. Der sich auf jeden Einzelnen verlassen kann und darauf achtet, dass im Konfliktfall keine Fehler gemacht werden, sondern die Abläufe reibungslos sind.«
»Und was qualifiziert ausgerechnet dich dazu?«, höhnte Widraiss.
»Ich habe seit zwei Jahren die Gesamtorganisation des Projektes inne.« Klatrass ließ sich nicht provozieren. Manche bezeichneten ihn als »bedächtig«, aber einen Konflikt wie diesen konnte er nicht im Streit lösen. Die anderen waren schwankend, einige gegen ihn eingestellt. Auf seiner Seite, das spürte er, hatte er niemanden. »Ich habe genau wie ihr die allgemeine Ausbildung durchlaufen, bevor es zur Spezialisierung kam.«
»Und du glaubst, die Organisation ist dein Spezialgebiet?«
»Wir sind hier. Und das Raumschiff ist nicht vorher schon in die Luft geflogen. Ihr erinnert euch? Ich kann von allem ein bisschen was. Und ich weiß, wann ich das einsetzen muss. Und wie ihr mir dabei helfen könnt.«
»Aber eine Mannschaft zu leiten ist etwas anderes«, wagte sich nun auch Bewress vor.
Klatrass ringelte sich leicht ein, bevor er sich wieder streckte. »Genauso, wie ein Raumschiff zu pilotieren, zwischen den Sternen zu navigieren und fremdes Leben zu entdecken. Keiner von euch hat darin echte Erfahrung. Alles, was wir bisher gemacht haben, war der Probelauf – aber was uns wirklich da draußen erwartet, davon haben wir keine Ahnung. Wir haben jahrelang auf genau diesen Moment hingearbeitet, aber das Zeitfenster, ihn wahr werden zu lassen, wird immer kleiner.«
»Du ... du bist ein Einzelkörbler!«, brachte Widraiss endlich das Argument, auf das er schon die ganze Zeit gewartet hatte. Sie hatte lediglich das »geschlechtslos« weggelassen, so weit ging sie nicht. Sie wusste, dass er sie dafür sofort entlassen könnte und die anwesende Ersatzpilotin ihren Posten übernehmen würde. Sie waren 25, und jeder war ersetzbar.
Doch gerade dieser Vorwurf kam Klatrass sehr entgegen, und die Antwort hatte er auch schon vorbereitet – sie war ihm eingefallen, als er im Aufzug hier herauf mit Usspor gesprochen hatte.
»Genau wie ihr nun auch.«
*
Das saß erst mal. Vielleicht hatten sich alle noch gar nicht so recht