Helmut Schlegel

Mitten unter euch ...


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      Endlich – Advent. Endlich Zeit für Kerzen. Endlich, nach dem langen November, Licht im Dunkeln – jede Woche eine Kerze mehr. Endlich Adventskalender, Weihnachtsmärkte, Geschenklisten, Lichterketten.

      Aber auch das ist Advent: Überfüllte Straßen, hektische Betriebsamkeit, Zeit der Ungeduld, unerfüllbare Wünsche, Druck zum Jahresende.

      Warten und Wachen sind die Themen des Evangeliums. Warten auf eine Ankunft, auf Gottes Ankunft. Warten heißt: Aufmerksam hinschauen: Unter den vielen ist er, aber wo? Der geliebte Mensch, der verborgene Gott, wo? Warten ist anstrengend, es braucht meine ganze Präsenz.

      Advent geht nur im Warten. Geht nur, wenn ich auch hin und wieder aussteige, das Vielerlei um mich herum loslasse. Früher war Advent eine Zeit des Fastens, eine Zeit des „Weniger-ist-mehr“. Geht das? Es ist einen Versuch wert.

      Vor Gott bringen

      Im Dunkel der Nacht warten wir auf das Dämmern deines Lichts. In den langen Nächten suchen wir den Himmel ab nach deiner Leuchtspur.

      Wir warten auf dich, Herr, und vertrauen deiner Verheißung: Du wirst kommen. Deine Hand wird unsere Wunden heilen, und unsere Herzen werden zur Ruhe kommen in deiner Gegenwart.

      Komme schnell, maranatha! Amen.

       aus Indien

      Singen

      Du ewiges Sein,

      ich finde mich ein,

      dein Antlitz zu schauen

      und dir zu vertrauen.

      Was mein ist, wird dein,

      was dein ist, wird mein.

      Du ewiges Sein,

      ich finde mich ein,

      dein Atmen zu spüren,

      dein Herz zu berühren.

      Was mein ist, wird dein,

      was dein ist, wird mein.

      Du ewiges Sein,

      ich finde mich ein,

      bei dir zu verweilen,

      mein Leben zu teilen.

      Was mein ist, wird dein,

      was dein ist, wird mein.

      Du ewiges Sein,

      ich finde mich ein;

      lass mich von dir führen

      zu himmlischen Türen.

      Was mein ist, wird dein,

      was dein ist, wird mein.

      Du ewiges Sein,

      ich finde mich ein,

      in göttlicher Fülle

      die Sehnsucht zu stillen.

      Was mein ist, wird dein,

      was dein ist, wird mein.

       Helmut Schlegel | © Dehm Verlag

      Hören

      Mk 13,33–37

      Vertiefen

      Eigentlich bin ich ziemlich müde. Müde vom Novemberdunkel, müde von Nachrichten über Krieg, Flucht und Katastrophen. Und oft schlafe ich schlecht und träume wild. Mal wieder die ganze Nacht durchschlafen, wie schön wäre das! Wenn ich daran denke, tut es mir weh, dieses „Wach bleiben“.

      Wozu wachen? Worauf warten? Glauben Sie wirklich, dass Gott in diesem Advent kommt? Oder Jesus?

      Und doch können wir ohne dieses Wachen und Warten nicht leben. Sind Sie jemals zufrieden? Gesättigt? Sind wir nicht tot, wenn wir nicht mehr geweckt werden? Sind wir nicht tot, wenn wir uns abfinden mit dem, was ist? Ist nicht jeder Atemzug ein Hoffen auf das, was kommt? Sind nicht unsere Wünsche nur die Oberfläche von Wünschen, die tiefer liegen? Wenige haben dieses innere Warten so einfühlsam beschrieben wie die Benediktinerin Silja Walter in ihrem „Gebet des Klosters am Rand der Stadt“.

      Wir laden Sie ein, Auszüge aus diesem Text zu hören. Wir werden nach jeder Strophe eine Stille halten, um uns selbst besser wahrzunehmen. Bei der letzten Strophe sind Sie eingeladen, in das gesummte Lied einzustimmen und unser adventliches Warten so vor Gott zu bringen.

      Die Kirche wird abgedunkelt.

       Eine Kerze wird in die Mitte (oder auf den Altar)

      gestellt.

      Ein Gong ertönt.

      Der folgende Text wird von zwei Sprecher*innen vorgetragen und nach jeder Strophe für eine besinnliche Stille unterbrochen. I spricht den Text des Gedichts von Silja Walter, II spricht meditative Gedanken zu den einzelnen Strophen.

       I

      Jemand muss zuhause sein,

      Herr,

      wenn du kommst.

      Jemand muss dich erwarten,

      oben auf dem Berg

      vor der Stadt.

      Jemand muss nach dir Ausschau halten,

      Tag und Nacht.

      Wer weiß denn, wann du kommst?

       II

      Zu Hause.

      Mein Körper ist mein Zuhause.

      Ich spüre jeden Schmerz, jede Lust,

      jeden Nervenkitzel.

      Ich freue mich am Wunder meines Leibes.

      Ich leide an der Müdigkeit,

      an der Krankheit, am Alter.

      Meine Seele ist mein Zuhause.

      Ich bewohne meine Gedanken.

      Ich wärme mich am Feuer meiner Gefühle.

      Mein Geist ruht in der Stille.

      Zu Hause sein.

      Bei mir zu Hause.

      Mich aushalten.

      Mich genießen.

      Den Wohnraum meines Ich durchschreiten.

       Zwei bis drei Minuten Stille (evtl. leise Musik)

       I

      Herr,

      jemand muss dich kommen sehen

      durch die Gitter

      seines Hauses,

      durch die Gitter –

      durch die Gitter deiner Worte,

      deiner Werke,

      durch die Gitter der Geschichte,

      durch die Gitter des Geschehens

      immer jetzt und heute

      in der Welt.

      Jemand muss wachen

      unten an der Brücke,

      um deine Ankunft zu melden,

      Herr,

      du kommst ja doch in der Nacht

      wie