zum Schloss zurückkehren.
Erst als ein Schüttelfrost sie ergriff, wandte sie sich um.
Ihre Zofe, ein stilles junges Mädchen, stieß einen kleinen Schrei aus, als sie Diana erblickte.
»Sie haben sich erkältet. Hoffentlich haben Sie sich keine Lungenentzündung geholt. Erlauben Sie, dass ich ein Bad einlaufen lasse?«
Diana ließ alles über sich ergehen. Sie war müde, furchtbar müde. Als sie im warmen Badewasser lag, fielen ihr fast die Augen zu.
Die Zofe hatte ihr Bett inzwischen angewärmt.
Sie breitete die seidene Decke über Diana und lief in die Küche, um bei der Köchin eine heiße Fleischbrühe zu bestellen.
»Ist sie jetzt auch noch krank geworden, die kleine Prinzessin?«, fragte die Köchin.
»Ich befürchte fast…«
»Ist ja auch kein Leben, das sie führt, das junge Ding. Lassen Sie es sich sagen! Seit dreißig Jahren bin ich hier auf Schloss Buchenhain. Aber richtig aufgeatmet habe ich immer nur, wenn ich zu Hause im Dorf in meinen eigenen vier Wänden gewesen bin.«
Als habe sie schon viel zu viel gesagt, kniff die Köchin ihre Lippen aufeinander und stellte eine Tasse mit Fleischbrühe auf ein silbernes Tablett.
Die Zofe kam zurück in Dianas Schlafzimmer.
Diese richtete ihre fieberhaften Augen auf die junge Bedienstete. »Mein Vater darf nicht erfahren, dass ich mich ein wenig unwohl fühle«, bat sie mit matter Stimme.
Verwirrt schüttelte die Zofe den Kopf. Sie hätte am liebsten geweint vor Mitleid mit der jungen Prinzessin, obwohl sie gar nicht wusste, weshalb sie so krank und traurig aussah.
*
Vier Tage lang blieb Diana im Bett. Sie wurde von Fieberschauern geschüttelt.
Als sie endlich wieder aufstehen konnte, war sie mager geworden und ihr Gesicht zeigte eine krankhaft weiße Farbe. Aber nicht nur die Farbe, auch der Ausdruck ihres Gesichtes hatte sich verändert.
Ein oberflächlicher Betrachter hätte die junge Prinzessin vielleicht als »gereift« bezeichnet, während in Wahrheit nur ihre Lebensfreude gestorben war. Ihre schwarzen Augen leuchteten nicht mehr, und das Lächeln, das sonst um ihren Mund gelegen hatte, war verschwunden.
Fürst von Buchenhain begleitete seine Tochter bei einem ersten Spaziergang durch den Park. Es herrschte mildes Sommerwetter.
Neben einer der Terrakottafiguren, die einen harfespielenden Engel darstellte, blieb der Fürst stehen.
»Diana, ich möchte dich nicht überanstrengen. Gleichwohl bitte ich dich zu überlegen, ob Fürst Friedrich von Großborn nicht nach wie vor der Mensch ist, der dich durch alle Wirrnisse, die das Leben mit sich bringt, begleiten und beschützen kann.«
Diana sah ihren Vater gerade an.
»Ja, Vater.«
»Du – du meinst, ich sollte den Fürsten nach Buchenhain einladen?« Die Miene des Fürsten drückte Ungläubigkeit aus. Einen so raschen Erfolg hatte er nicht erwartet. Er hatte mit Widerstand gerechnet.
»Wenn du es möchtest, Vater, gib meine Verlobung mit dem Fürsten bekannt.«
Vielleicht überlegte Dianas Vater sogar einen Augenblick lang, ob seine Tochter noch unter Fieber litt, denn ihr Entschluss war so überraschend, dass er meinte, er könne nicht das Ergebnis eines Wunsches oder einer Überlegung sein.
»Ich freue mich natürlich über deinen Entschluss, Diana. Vielleicht fühlst du dich aber noch nicht ganz wohl, und wir wollen noch ein wenig warten?«
»Nein, Vater, ich möchte nicht warten.«
Diana sah zur gegenüberliegenden Seite des Bassins hin.
Sie musste fast lächeln über ihren Vater. Ihre Zustimmung hatte ihn ganz verwirrt.
Dabei – als ob es nicht gleichgültig war, wen sie heiratete. Ob Friedrich von Großborn oder einen anderen jungen Adeligen. Sie waren einander so ähnlich. In ihrem Benehmen, in dem, was sie sagten, manchmal sogar in ihrem Aussehen.
»Ich werde den Fürsten heute noch anrufen und ihn bitten, uns einen Besuch abzustatten«, sagte Fürst von Buchenhain.
In seiner Freude fühlte er sich versucht, seiner Tochter über das Haar zu streichen. In dieser Stunde hätte er ihr jeden Wunsch erfüllt, wenn sie ihn geäußert hätte. Außer dem einen.
Sie gingen zurück zum Schloss, und der Fürst begab sich sofort in sein Arbeitszimmer, um Friedrich von Großborn anzurufen. Der Fürst hatte gerade einen Ruf ans Landgericht erhalten, was ihn in den Augen Fürst von Buchenhains noch wertvoller machte. War das Landgericht nicht ein gutes Sprungbrett für eine breitangelegte berufliche Karriere?
Fürst Friedrich von Großborn versprach nach einem kurzen Gespräch, noch am Abend des gleichen Tages nach Schloss Buchenhain zu kommen.
»Ich habe nie einen Zweifel gehegt, dass Diana sich so entscheiden wird«, fügte er hinzu.
Fürst von Buchenhain begab sich persönlich in die Küche, um mit der Köchin das Menü für den Abend durchzusprechen.
Die Köchin war über sein Erscheinen so verwirrt, dass sie sogar zu stottern begann. Seit über fünfundzwanzig Jahren hatte der Fürst die Küche nicht mehr betreten. Es musste also schon ein ganz besonderes Ereignis bevorstehen, das ihn veranlasste, die abendliche Mahlzeit mit so viel Sorgfalt auszuwählen.
Sie einigten sich auf eine Krebsschwanzsuppe als Vorspeise. Saltimbocca a la Romana mit selbstgefertigter Pasta sollte das Hauptgericht bilden. Davor gab es Fisch, der noch am gleichen Tag in einem der Teiche, die zum Schlossbesitz gehörten, geangelt werden sollte.
In allerbester Stimmung hielt der Fürst nach seinem Besuch in der Küche ein langes Gespräch mit seinem Forstmeister, und als er auf die Uhr sah, war es Zeit, sich umzukleiden.
*
Pünktlich um acht, keine Minute zu früh und keine Minute zu spät, konnte er Fürst Friedrich von Großborn in der Bibliothek begrüßen.
»Meine Tochter wird sogleich erscheinen«, sagte Fürst von Buchenhain, und kaum hatte er es ausgesprochen, als Diana in die Bibliothek trat.
Sie trug ein hellgelbes Kleid mit einem breiten goldenen Gürtel. Ihre Bewegungen waren seltsam gemessen.
Sie begrüßte ihren Vater und den Gast sehr höflich.
Friedrich von Großborn reichte ihr ein kleines Kästchen und sagte, dass er keine Blume gefunden habe, die schön genug gewesen war, um sie ihr mitzubringen. Deshalb habe er etwas anderes ausgesucht.
Diana öffnete das rubinrote Kästchen und fand darin eine kostbare Brosche aus Weißgold mit Diamantsplittern, die zu mehreren kleinen Maiglöckchen verarbeitet worden waren.
»Ich danke Ihnen für Ihr Geschenk, Fürst. Es erscheint mir jedoch als etwas zu kostbar«, sagte Diana ohne zu lächeln.
»Es gibt kein Geschenk, das für Sie zu kostbar sein könnte, Prinzessin! Wenn ich Ihnen eine kleine Freude bereiten konnte, bin ich glücklich.«
Diana antwortete nicht darauf. Sie liebte Schmuck nicht besonders und gehörte auch zu jenen Frauen, die in schlichter Kleidung ohne Schmuck am schönsten wirken.
Sie gingen in das kleine Speisezimmer. Zu dem ausgesuchten Menü, das der junge Fürst sehr lobte, ließ Fürst von Buchenhain sehr alten Wein reichen, von dem er nur noch wenige Flaschen besaß.
Diana spürte, wie ihr der Wein zu Kopf stieg.
Beim Dessert – es gab flambierte Früchte mit Vanilleeis – legte Diana ihr Besteck beiseite und sagte unvermittelt zu Friedrich von Großborn: »Fürst, mein Vater hat Sie sicherlich schon von der Änderung meines Entschlusses unterrichtet?«
Der junge Fürst war so überrascht, dass er zuerst gar keine Worte fand.