Madeleine Puljic

Mission SOL 2020 Paket (1 bis 12)


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Benjameen zu wecken«, sagte er. »Mit kreislaufstärkenden Mitteln, bitte, nicht mit einer Schelle. Schau in der Medodatenbank unter Strangeness-Schock nach. Welche Behandlung wird dort empfohlen?«

      Meyun rief ein entsprechendes Holo auf, zog die dunklen Augenbrauen zusammen und studierte den Eintrag. »Meinetwegen«, sagte sie. »Wäre ich so nicht drauf gekommen, aber ich probiere es. Ihr scheint das Phänomen ja zu kennen.« Sie aktivierte eine portable Medoeinheit, die den von Rhodan empfohlenen Medikamentenmix zusammenstellte. »Und woher, wenn ich fragen darf?«

      »Kennen ist zu viel gesagt. Ich fische im Trüben. Lange Geschichte kurz erzählt: Strangeness ist ein Wert, der die Unterschiedlichkeit verschiedener Universen bemisst. Vom einen zum anderen unterscheiden sich die Naturgesetze. Schwerkraft, Lichtgeschwindigkeit und alle möglichen Konstanten können anders sein als bei uns. Die Strangeness gibt an, wie groß dieser Unterschied ist. Je größer, desto schwerer fällt es Lebewesen, sich zu akklimatisieren. Bis sie in ihrer neuen Umgebung ankommen, zeigen sie Symptome wie die, die du beschrieben hast.«

      »Du glaubst, wir sind in einem anderen Universum?« Meyun zweifelte offensichtlich an seinem Verstand.

      Rhodan winkte ab. »Wäre nicht das erste Mal für mich. Aber nein. Wir hatten einmal mit einem Ding namens Teletrans-Weiche zu tun, das zwei weit voneinander entfernte Galaxien in unserem Universum verband. Auch durch so eine Art Tunnel, wie der, durch den wir gerade gekommen sind. Wer damals den Transfer mitgemacht hat, bekam einen Strangeness-Schock. Vielleicht hat der Kosmokratentunnel von Tare-Scharm nach Yahouna die gleichen Folgen.«

      Meyun kniete sich neben Tess Qumisha und injizierte ihr das Medikament.

      Danton kam mühsam, aber immerhin ohne fremde Hilfe auf die Beine. »Ein Ferntransport mit solchen Nebenwirkungen ist aber keine kosmokratische Wertarbeit«, klagte er ächzend.

      »Die Bedienungsanleitung sieht aber auch nicht vor«, gab Rhodan zu bedenken, »dass man mittendrin Potenzialwerfer abfeuert.«

      »Touché.«

      Allmählich klärten sich seine Gedanken. Er begann, die Lage strategisch zu analysieren. »Wer ist wach?«, fragte er. »Wer ist einsatzfähig?«, schränkte er die Frage sogleich ein.

      »Schwer zu sagen«, antwortete Meyun. »SENECA spricht nicht mit uns, und der Bordfunk ist auch ausgefallen. Die Neu-Solaner aus dem Tal der Gestrandeten sind eigentlich alle wieder beieinander. Die alte Stammbesatzung – da haben wir bislang nur ein paar Dutzend Resistente entdeckt. Die meisten liegen noch bewusstlos an der Stelle, wo sie zusammengebrochen sind.«

      »Wo sind wir?«, fragte Rhodan. »Wie ist die Situation außerhalb der SOL? Sind wir noch im Tunnel?«

      »Woher soll ich das wissen?«, fragte Meyun zurück.

      »SENECA, eigentlich habe ich dich gefragt«, stellte Rhodan klar.

      »Wir haben das Sextadim-Intermitterfeld verlassen«, antwortete das Schiffsgehirn, »und befinden uns in einer unbekannten Galaxis, drei Lichtjahre von der nächsten Sonne entfernt. In unserer Nähe gibt es kein Anzeichen für Raumschiffsverkehr.«

      Das beruhigte Rhodan zumindest. »Wie ist der Status der Besatzung?«, fragte er weiter.

      »Es ist keine Besatzung an Bord«, behauptete die Hyperinpotronik, die Zugriff auf alle Sensoren inner- und außerhalb der SOL hatte.

      Rhodan sah Meyun an, die blickte zu Danton. Dann sahen sie alle zu Qumisha, die die Augen aufschlug und zwar nicht schrie, aber heiser unverständliche Silben brabbelte. Benjameen da Jacinta hatte noch nicht auf das Mittel reagiert.

      »SENECA, natürlich ist Besatzung an Bord«, stellte Rhodan klar. »Allein wir fünf ...« Erst da fiel ihm auf, dass Eroin Blitzer fehlte. Aber das war ein Problem für später.

      »Das wüsste ich aber«, sagte SENECA.

      Rhodan murmelte einen herzhaften Fluch, wie er ihm selten über die Lippen kam. »SENECAS Biokomponente«, erklärte er. »Unser Schiffsgehirn leidet auch am Strangeness-Schock! Es halluziniert!«

      »Das wüsste ich aber«, erklang es ein zweites Mal.

      Danton seufzte erneut. Es kam von Herzen. »Wer macht was?«

      »Hängt davon ab, wo wir sind«, antwortete Rhodan. Er traute SENECAS allzu rosiger Antwort auf seine Frage von vorhin nicht – wer wusste schon, ob das Schiffsgehirn nicht einfach phantasiert hatte? »Zentrale?«, sendete er über den Bordfunk. »Viena, hörst du mich?«

      Weder der Funk- und Ortungschef noch irgendein anderer Zentraleoffizier meldete sich.

      »Dann eben von Hand.« Rhodan setzte sich an Qumishas verwaiste Arbeitsstation und vernetzte das Positronikpult mit den externen Sensoren des Kombinationsraumschiffs. Doch weder Nah- noch Fernortung waren aktiv. Die SOL empfing keinerlei Daten von außen. Sie konnten gerade genau auf eine Sonne zurasen und würden nichts davon mitbekommen.

      »Wir teilen uns auf«, schlug Rhodan vor. »Mahlia, du trommelst die einsatzfähigen Leute zusammen und rüstest sie mit diesem Medikament aus. Spritzt alle Besatzungsmitglieder fit, die ihr findet. Sie werden immer noch Strangeness-Symptome zeigen, aber sie klingen schneller ab als ohne Behandlung.«

      Er wandte sich Danton zu. »Mike, bitte lauf in einen Hangar und starte manuell ein paar Ortungssonden mit Impulstriebwerken. Einfachste Technik, die dürfte am ehesten noch laufen. Etwas, das uns die Ergebnisse auf Normalfunk übermittelt.«

      »Handbetrieb«, sinnierte Danton. »So etwas hat an Bord bestimmt seit tausend Jahren keiner mehr benutzt.«

      »Ja, aber du warst schon vor tausendfünfhundert Jahren hier. Also los!«

      Danton machte sich auf den Weg.

      »Und benutz ...«

      »... keine Antigravschächte«, brachte Danton den Satz im Laufen zu Ende. »Schon klar. Nicht auf die Bordtechnik verlassen, bis SENECA wieder der Alte ist!«

      Rhodan wollte ihm noch hinterherrufen, Roi solle sich ein Lowtech-Funkgerät aus einem Ausrüstungsdepot holen, verkniff es sich jedoch. Auf diese Idee würde sein Sohn selbst kommen. Meyun allerdings gab er eine entsprechende Empfehlung.

      »Wird gemacht«, sagte sie. »Was ist mit ihnen?« Sie deutete auf Qumisha und da Jacinta.

      »Was habt ihr bisher mit den Mannschaftsmitgliedern gemacht, die ihr gefunden habt?«

      »Auf die Medostation geschleppt. Aber die ist mittlerweile voll.«

      Perry Rhodan kaute kurz auf seinen Lippen, dann entschied er: »Wir lassen sie liegen. Zehntausend Besatzungsmitglieder können wir eh nicht alle medizinisch korrekt lagern. Nicht ohne Hilfe der Medoroboter, und die sind lahmgelegt. Richtig?«

      »Haben zumindest auf meine Anweisung nicht reagiert.«

      »Dann machen wir es, wie ich es gesagt habe. Los geht's!«

      »Was hast du eigentlich vor?«, fragte Mahlia Meyun.

      »Ich schaue in der Zentrale, was ich ausrichten kann.«

      *

      Die Antwort hieß kurz und bündig: nichts. Perry Rhodan kam nicht mal hinein. Alle Zugänge waren hermetisch geschlossen.

      »SENECA, mach auf!«, forderte er.

      »Nein«, weigerte sich die Hyperinpotronik im Leidenston. »Ich will nicht!«

      Rhodan hatte viel in seinem langen Leben erlebt, aber im wahrsten Sinne des Wortes zickigen Rechnersystemen war er nur sehr selten begegnet. »Warum nicht?«, fragte er mit möglichst neutraler Stimme.

      »Das ist so hell da draußen!«, quengelte SENECA. »Das tut meinen Sensoren weh!«

      »SENECA«, sagte Rhodan bemüht verständnisvoll. »Ich dunkle den Gang ab. Du musst mich nur kurz hineinlassen, dann kannst du die Tür wieder schließen.«

      »In Ordnung«, sagte das Schiffsgehirn nach kurzem Zögern. Die Tür allerdings blieb zu.