das heißen?«
Geradezu flehend sah Anchi zu Matabiau rüber.
Der verzog keine Miene. Mit einem gereizten Unterton, wie ein Lehrer, der dem Schüler noch einmal den Stoff der letzten Woche erklärt, sagte er: »In der interuniversellen Mathematik führt die Phasenvarianz einander strukturell widersprechender Gleichungssysteme über die Variable Strangeness zu einem Vektorsystem gekoppelter Raum-Zeit-Koordinaten. Je nachdem, auf welche temporale oder lokale Varianz die Auflösungswege des Vektorsystems abzielen, müssen wir der Variable einen präzisen Wert zuteilen. Lasst uns zwei Wochen mit euren Geräten arbeiten, dann werden wir erste Ergebnisse liefern!«
Das war großartig! Anchis Blick flog zu dem Walrossartigen. War er beeindruckt?
Der Yahounaer hielt kurz inne. Dann schnaubte er trotzig. »Zwei Wochen, pah! Haldukass hatte erwartet, dass ihr sofort erste Ergebnisse erzielt. Nun gut ... das Laboratorium steht euch zur Verfügung. Beginnt sofort mit der Arbeit!«
Danton schob sich nach vorne. »Wir werden zunächst in unserem Quartier einige Vorbereitungen treffen, theoretischer und praktischer Art. Ich nehme an, wir können von dort aus die hyperphysikalischen Systemdaten abrufen?«
»Selbstverständlich!« Die Antwort kam mit einem verächtlichen Schnauben. »Aber vertrödelt nicht zu viel Zeit mit euren Vorbereitungen. Nicht mehr lange, dann will Haldukass Ergebnisse sehen!«
»Werden wir ihn sprechen können?«
Der Yahounaer gab ein gackerndes Geräusch von sich, das der Translator vorsichtshalber mit Lachen übersetzte. »Die Stimme BARILS spricht, aber sie ist nicht so einfach zu sprechen. Vielleicht solltet ihr euch davor fürchten, dass Haldukass euch persönlich zum Gespräch bittet. Dann könntet ihr nämlich früher, als ihr denkt, Kontakt zu eurem übergeordneten Kontinuum bekommen. Er hat schon mal jemanden, der ihm nicht gefiel, mit einem Transmitter ins Nichts geschickt.«
7.
Quartier an Bord der S-1
Als sie auf dem Antigravband zurückfuhren, sprachen sie kein Wort. Anchi konnte Matabiau ansehen, dass er stolz auf sich war; immerhin hatte er mit seinem hyperphysikalischen Exkurs die Situation einigermaßen gerettet. Aber er war offensichtlich stinksauer auf Anchi, der es zuvor beinahe vermasselt hatte.
Letztlich hatten sie keine Ahnung, ob die Bordwissenschaftler ihnen abkauften, dass sie die fengolyonischen Hyperphysiker waren, für die sie sich ausgaben.
Einzig Danton schien anderen Gedanken nachzuhängen. Er war den drei anderen im Kopf wohl um ein paar Schritte voraus.
Im Quartier aktivierten sie auf einen Wink Dantons erneut den Helmfunk zwischen den SERUNS, für alle Fälle.
»Du hast uns beinah ans Vibromesser geliefert!«, bellte Matabiau. »Was hast du da gequasselt über Hyperraum und extrauniversalen Bereich? Wenn man sich nicht auskennt, sollte man vielleicht den Mund halten! Wir sollen als Experten auftreten, Mann! Die hätten uns beinahe enttarnt!«
Anchi zog ein betrübtes Gesicht. Was hätte er sagen sollen? Dass sie ohnehin in Gefahr gewesen waren, enttarnt zu werden? Dass er etwas tun wollte, um sie zu retten? Dass er nur das Beste im Sinn gehabt hatte?
Crompton trat an Matabiau heran und legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Du hast es ja noch einmal rausgerissen. Werden die uns das abnehmen?«
Matabiau verzog das Gesicht. »Wir haben wahrscheinlich davon profitiert, dass die wissenschaftliche Entwicklung in zumindest diesem Teil Yahounas nicht so weit fortgeschritten ist wie in der Milchstraße. Mit etwas Glück konnte ich den Eindruck vermitteln, dass wir uns mit irgendwelchen abgehobenen Forschungen befassen, die nicht zur Standard-Hyperphysik gehören. Immerhin haben die uns als hochkarätige Experten engagiert, weil sie selbst mit ihrer Schulweisheit nicht weiterkommen.«
Kampfeslustig bleckte er die Zähne. »Die kannten jedenfalls die gute alte Hamillersche Algebra nicht.« Zu Anchi sagte er: »Du solltest dich auch einmal damit befassen. Payne Hamiller war einer der bedeutendsten Wissenschaftler der Menschheit. Er wurde auf der SOL geboren!«
»Ist gut!«, beschwichtigte Danton. »Wir haben geblufft, und die wollten noch nicht sehen. Klar ist, dass sie irgendwann herausfinden werden, dass wir keine echten Hyperphysiker sind. Erst recht, falls wir wirklich zu Haldukass vorgelassen werden. Ihr erinnert euch, was der angeblich mit Leuten macht, die sein Missfallen erregen?«
Die Solaner schwiegen betroffen.
Energisch fuhr Danton fort: »Wir sollten also recht schnell wieder verschwinden. Allerdings nicht zu überhastet. Lasst uns das Positive sehen: Wir haben einiges in Erfahrung gebracht, das wir vorher noch nicht wussten. Erstens, Haldukass ist wohl die Stimme BARILS, der oberste Ritter, eine ganz große Nummer. Zweitens wird hier tatsächlich an einem Projekt gearbeitet, das für die Chaotarchen von äußerster Wichtigkeit ist, und mittlerweile scheinen sie's eilig zu haben. Wir müssen mehr über die sogenannte extrauniversale Zone herausfinden. Lasst uns so viel wie möglich Informationen sammeln, die wir später auf der SOL auswerten können. Minon, geh in den Bordrechner und speichere alles, was du findest, in deine Anzugpositronik.«
»Bin dabei!« Minon Crompton hatte an ihrem kleinen Tischterminal bereits einen yahounaischen Holobildschirm aufgerufen und machte sich mit flinken Fingern daran, auf die ihnen zugänglichen Informationen zuzugreifen.
»Ich suche insbesondere nach Daten, die nur für das fengolyonische Forscherteam freigeschaltet sind«, erläuterte sie. »Unsere Tarnidentität erlaubt uns, genau nach den Dingen zu suchen, die uns besonders interessieren. Außerdem werde ich mal versuchen, auf Systeme zuzugreifen, die eigentlich nicht für uns bestimmt sind.«
»Sehr gut!« Danton nickte. »Und dann ist da noch etwas, das ich euch sagen muss.«
Anchi, der seit der Zurechtweisung durch Matabiau still geblieben war, blickte überrascht auf. Das klang nicht, als käme als Nächstes eine simple technische Information. Sondern als habe der Einsatzleiter seinem Team bisher etwas verheimlicht.
»Das Stabschiff, das aus der Nebelzone gekommen ist ...« Danton holte tief Luft. »Der Schiffstyp ist mir bekannt. Zu bekannt.« Er blickte wie in unendliche Ferne. »Es ist eine Skapalm-Bark, eine medizinische Einheit der Terminalen Kolonne TRAITOR.«
Sie brauchten eine Weile, diese Information zu verarbeiten. Crompton erstarrte in ihren Bewegungen. Nur langsam hob sie wieder ihre Finger und fuhr mit den Datenabfragen im System der Raumstation fort.
Der Begriff TRAITOR war selbst Anchi bekannt, obwohl er sich nur wenig Zeit genommen hatte, sich mit der Geschichte der raumfahrenden Menschheit der vergangenen paar Jahrtausende zu befassen. Aber auch er wusste, dass es sich um eine unbesiegbare Streitkraft der Chaosmächte handelte, eine riesige Raumflotte mit grenzenlosem Potenzial und einem erbarmungslosen Auftrag. Wenn es im Sinn der Chaotarchen war, konnte TRAITOR Galaxien vernichten.
Chaotarchische Anlagen waren den Solanern nicht völlig unbekannt. Schließlich war sogar chaotarchische Technik auf der SOL verbaut worden. Und das Kolonnen-Fort, auf dem Danton, Matabiau und Mahlia Meyun im Susmalsystem gekämpft hatten, war ein Bestandteil der Terminalen Kolonne TRAITOR gewesen. Bloß hatte es sich dabei um ein verlassenes Relikt gehandelt, das von anderen Kräften eher unbeholfen wieder in Betrieb genommen worden war.
Nun waren sie auf eine Raumstation geraten, auf der sich ein aktives Element TRAITORS befand. Das war, als würde man in das zähnefletschende Maul eines lebendigen Urzeitsauriers sehen, statt nur ein paar alte Knochen zu finden.
Die Skapalm-Bark war im Hangar von S-1 gelandet, sie waren auf dem Antigravband darüber hinweggeglitten. Schon da hatte sich ein eisiger Nebel um Anchis Herz gelegt.
»TRAITOR nennt diese Fahrzeuge euphemistisch Medoschiffe«, informierte Roi Danton mit düsterem Blick. »Dabei sind es Laboratorien für Experimente an Lebewesen, Brutstätten des Grauens. Die Mikro-Bestien wurden dort geschaffen – und die Dualen.«
Matabiau und Crompton schwiegen betroffen. Sie schienen genau zu wissen, wovon Rhodans Sohn sprach.
Danton