Herbert George Wells

Die Insel des Dr. Moreau


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Moreau nach. Aber so merkwürdig ist das menschliche Gedächtnis, dass ich diesen wohlbekannten Namen nicht in seinen rechten Zusammenhang einfügen konnte. Meine Gedanken wanderten zu der undefinierbaren Wunderlichkeit des ungestalten und weißbandagierten Mannes am Strande. Ich hatte noch nie einen solchen Gang, so sonderbare Bewegungen gesehen. Ich entsann mich, dass keiner von diesen Leuten mit mir gesprochen hatte, obgleich ich die meisten dabei ertappt hatte, wie sie mich von Zeit zu Zeit merkwürdig verstohlen anblickten, ganz anders als die unverdorbenen Wilden, die einen offenen Blick haben. Ich fragte mich, welche Sprache sie redeten. Sie hatten alle einen außerordentlich schweigsamen Eindruck gemacht, und wenn sie sprachen, klangen ihre Stimmen unsicher. Was war mit ihnen nicht in Ordnung? Dann fielen mir wieder die Augen von Montgomerys hässlichem Diener ein.

      Gerade als ich an ihn dachte, kam er herein. Er war jetzt in Weiß gekleidet und trug ein kleines Teebrett mit etwas Kaffee und gekochtem Gemüse darauf. Ich konnte kaum einen Schauder des Widerwillens unterdrücken, als er sich liebenswürdig verbeugte und das Teebrett vor mir auf den Tisch stellte.

      Dann war ich plötzlich starr vor Staunen. Unter dem strähnigen schwarzen Haar lugten spitze Ohren hervor, die mit feinem braunem Pelz bedeckt waren!

      »Ihr Frühstück, Häer«, sagte er. Ich starrte ihm ins Gesicht, ohne eine Antwort zu versuchen. Er drehte sich um und ging zur Tür, während er mich sonderbar über die Schulter hinweg ansah.

      Ich folgte ihm mit den Augen, und dabei stieg mir durch einen Trick unbewusster Gehirntätigkeit die Wortfolge in den Kopf: »Die Moreau – Gräber ...« Wie? »Die Moreau –?« Ah, mein Gedächtnis schweifte um zehn Jahre zurück. Die »Moreau-Gräuel«. Die Worte trieben einen Moment zusammenhanglos in meinem Geist, und dann sah ich sie in roten Lettern auf einer lederfarbenen Broschüre, deren Lektüre einst so manchem Schauder über den Rücken gejagt hatte. Und dann fiel mir alles deutlich ein. Die längst vergessene Broschüre trat mir mit erschreckender Lebhaftigkeit wieder vor den Geist. Ich war noch ein Junge gewesen damals, und Moreau, glaube ich, etwa fünfzig; ein bedeutender und eigenwilliger Physiologe, in wissenschaftlichen Kreisen bekannt wegen seiner außerordentlichen Phantasie und brutalen Direktheit in der Diskussion. War dies derselbe Moreau? Er hatte einige sehr erstaunliche Tatsachen über Blutaustausch veröffentlicht, und er war bekannt durch wertvolle Arbeiten über krankhaftes Wachstum. Dann brach seine Karriere plötzlich ab. Er musste England verlassen. Ein Journalist mit der vorsätzlichen Absicht, sensationelle Enthüllungen zu machen, verschaffte sich Zutritt zu seinem Laboratorium; durch einen scheußlichen Zufall – wenn es ein Zufall war – wurde seine gruslige Broschüre bekannt. Am Tage ihrer Veröffentlichung entkam ein elender Hund, dem die Haut abgezogen, und der auch sonst verstümmelt war, aus Dr. Moreaus Haus.

      Es war in der Sauregurkenzeit, und ein prominenter Redakteur, ein Vetter des erwähnten Journalisten, appellierte an das Gewissen der Nation. Nicht zum ersten Mal wandte sich das Gewissen gegen die Methoden der Forschung. Der Doktor wurde einfach aus dem Lande gebrüllt. Vielleicht hatte er's verdient, aber ich meine noch immer, die nur laue Unterstützung seiner Mitforscher und der Verrat der großen Masse der Wissenschaftler waren eine schmähliche Sache. Doch waren einige seiner Experimente nach dem Bericht des Journalisten leichtfertig und grausam gewesen. Er hätte vielleicht seinen sozialen Frieden erkaufen können, wenn er seine Untersuchungen aufgegeben hätte, aber offenbar waren sie ihm lieber, wie sie es wohl den meisten Menschen wären, die einmal dem überwältigenden Zauber der Forschung erlegen sind. Und er war unverheiratet und hatte daher nichts als seine eigenen Interessen zu berücksichtigen.

      Ich war überzeugt, dass dies derselbe Mann war. Alles wies darauf hin. Mir dämmerte auf, zu welchem Zweck der Puma und die anderen Tiere, die sich jetzt mit dem Gepäck in der Ummauerung hinter dem Hause befanden, bestimmt waren; und ein seltsamer, schwacher Geruch, der Duft von etwas Vertrautem, ein Geruch, der mir bisher nur undeutlich bewusst gewesen war, trat plötzlich in die vorderste Reihe meiner Gedanken. Es war der antiseptische Geruch des Operationszimmers. Ich hörte den Puma durch die Mauer hindurch knurren, und einer der Hunde schrie auf, als würde er geschlagen.

      Und doch wieder lag – und besonders für einen Wissenschaftler – in der Vivisektion nichts so Furchtbares, das diese Heimlichkeit erklärt hätte. Und plötzlich fielen mir die spitzen Ohren und leuchtenden Augen bei Montgomerys Begleiter wieder ein. Ich starrte hinaus aufs grüne Meer, das unter einer auffrischenden Brise schäumte, und ließ diese und andere seltsame Erinnerungen der letzten paar Tage an mir vorbeiziehen.

      Was sollte das alles bedeuten? Eine verschlossene Ummauerung auf einer einsamen Insel, ein bekannter Wissenschaftler, der Vivisektionen durchführte, und diese verkrüppelten und verrenkten Menschen?

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