Sandra Florean

Waypoint FiftyNine


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Schlaufen und Taschen in der Mantelinnenseite steckten allerlei Knochen, versteinerte Vogeleier und andere Artefakte.

      »Handelt es sich dabei ausschließlich nur um Knochen?«, fragte Security-Jack.

      »Nur Knochen«, bestätigte Cornelius. Die Maden ließ er besser unerwähnt. »Weißt du, ich bin Archäologe.«

      »Aha.« Security-Jack klang unbeeindruckt.

      »Ich verstehe wirklich nicht, weshalb du diesen Krempel mit in die Bar schleppen musst«, murmelte Susi.

      »Zum Verkaufen natürlich!«, raunte er seiner KI leise zu. Langsam aber sicher wurde Cornelius ungeduldig. »Darf ich dann bitte weiter?«

      Security-Jack schwieg eine Weile.

      Cornelius trat von einem Fuß auf den anderen.

      »Genehmigung erteilt.«

      Endlich ging das Schott auf der anderen Seite der Schleuse auf und Cornelius konnte weiter gehen.

      »Hat Crandall schon geantwortet? Kommt er?«, fragte Cornelius.

      »Nein, aber der Termin ist in exakt vier Minuten, im Torpedorohr II. Wir kommen gerade rechtzeitig.«

      »Ah, dann passt das ja.« Er lief den äußeren Ringkorridor der Raumstation entlang und erreichte schon bald die Torpedorohrbar. Dort stieg er in Rohr II und ließ sich auf die Bank sinken. Schönen Ausblick hatte man hier. Immerhin das.

      Crandall war nicht da. Natürlich nicht. Immer kam dieser elendige Ultrareiche zu spät. So war das halt mit ihm. Wenn man das Geld hat, muss man nicht pünktlich sein.

      Cornelius hatte kein Geld, deshalb war er ja pünktlich. Er bestellte trotzdem bei einer vorbeilaufenden Bedienung etwas zu trinken. Da er kaum noch Wasser an Bord hatte, war er kurz vor dem Verdursten.

      Bald darauf kam auch schon die Bedienung zurück.

      »Einmal gekühlten Orangensaft für den Herrn im staubigen Mantel.« Sie setzte das Glas vor ihm ab.

      »Danke.« Er kannte Sora noch von seinem letzten Besuch in der Weltraumkneipe und war ganz froh, dass sie und nicht ihre übellaunige Schwester Mora sein Getränk brachte.

      Cornelius warf einen Blick auf seine Uhr. Schon eine Minute zu spät. Eine Frechheit war das.

      Er trank seinen Orangensaft.

      Crandall kam nicht.

      Er bestellte ein zweites Glas.

      Dieser nichtsnutzige Ultrareiche war immer noch nicht da.

      Dann bestellte er ein drittes Glas.

      »Verzeihung, haben Sie Crandall hier zufällig irgendwo gesehen?«, fragte er Sora, als sie ihm sein drittes Getränk brachte. »Wir waren eigentlich vor einer Stunde verabredet.«

      »Er war schon seit ein paar Wochen nicht hier«, entgegete sie. »Er kommt immer sehr unregelmäßig. Wir vermuten, um illegale Geschäfte abzuwickeln. Aber wir haben ihn noch nicht dabei erwischt. Das würde Bick Mack nicht dulden.« Sie sah ihn vielsagend an.

      Cornelius ließ gespielt entsetzt das Glas wieder sinken. »Also damit habe ich nichts zu tun. Mein Geschäft ist seriös!«

      In seinem Voice Plug lachte Susi lauthals auf.

      »Ruhe!«, wies er sie an. »Gut, da lässt sich dann wohl nichts machen. Falls er kommt, könnten Sie ihm dann sagen, dass ich schon warte?«

      Sora guckte ihn mitleidig an, dann nickte sie und ging weiter.

      Irgendwann bestellte Cornelius einen vierten Orangensaft.

      »Cornelius, ich muss dich darauf hinweisen, dass du dich mit diesem überteuerten Orangensaft erstens in den Ruin treibst und zweitens dein Magen völlig übersäuert«, teilte ihm Susi mit.

      »Danke, du bist sehr hilfreich.« Aber leider hatte sie recht.

      Cornelius stand auf, ging zum Klo, versuchte sich, das Blut ein wenig besser aus dem Gesicht zu wischen, und ging zurück zum Tisch.

      Crandall war immer noch nicht da. Langsam könnte er aber wirklich mal auftauchen.

      »Ich glaube, du wurdest versetzt«, stellte Susi fest.

      »Nein, das glaube ich nicht. Er verspätet sich bestimmt nur.«

      »Cornelius Napoleon Smith, so naiv kannst du doch nicht sein. Dieser Crandall glaubt, du wärst nicht dazu in der Lage, diesen Auftrag zu erfüllen. Deshalb hat er auch Alfredo zusätzlich beauftragt. Der denkt bestimmt, du wärst tot.«

      »Hätte ich ihm dann eine Nachricht geschickt? Nein. Der kommt bestimmt noch.« Cornelius schlenderte mit seinem Orangensaft durch den Ringkorridor, dann über einen Steg zum Zentrum der Raumstation. Er passierte das Schott zur Bar.

      »So wie du aussiehst, brauchst du etwas stärkeres als dieses Säftchen.« Der Barkeeper Virginio lehnte sich ihm gegenüber an den Tresen. »Wie wäre es mit einem Fifty-Niner?«

      »Äh, nein danke.« Cornelius schüttelte den Kopf. Das konnte er sich bestimmt gar nicht leisten.

      »Dann vielleicht ein nasses Handtuch, um das Blut abzuwischen?« Virginio zeigte auf die gebrochene Nase.

      »Ich hab’s dir ja gesagt!«, zischelte Susi leise.

      »Ich hab mich doch grade erst auf dem Klo gewaschen«, fauchte Cornelius zurück. »Besser wird’s nicht mehr!«

      »Redest du mit mir?« Virginio runzelte die Stirn.

      »Nein, meine KI geht mir auf die Nerven.«

      »Verstehe.« Jetzt guckte er ihn auch mitleidig an. Das lief ja super.

      »Wenn ich dich so nerve, kannst du dein Leben ja in Zukunft von Heidi-Katharina organisieren lassen«, rief Susi empört.

      »Tolle Idee. Vielleicht rufe ich sie an. Falls Alfredo nicht hier auftaucht und ich die Geschichte überlebe.«

      Susi sagte nichts mehr. Jetzt war sie wirklich beleidigt.

      »Kann man irgendwas für dich tun?«, fragte Virginio.

      »Sofern du keinen superreichen Idioten herzaubern kannst, der mir diese blöden Maden abkauft, leider nein.« Cornelius ließ den Kopf sinken.

      »Ich kann dir aber einen Cocktail mixen.«

      Und womit sollte Cornelius den Drink bezahlen? Wie sollte er einen neuen Energiekern besorgen? Mit welchem Geld sollte er Wasser tanken? Wovon sollte er sich denn um Himmels Willen ernähren? Die Kasse war leer. Er würde verhungern.

      Vielleicht sollte er sich hier nach potentiellen Kunden umsehen. Ein kurzer Blick zeigte allerdings, dass der einzige, den er sich getraut hätte anzusprechen, ein äußerst unseriös wirkender Kerl war, der mit dem Kopf auf einem der Tische schlief und nicht so aussah, als könnte er bezahlen.

      »Möchtest du zufällig ein Rückgrat kaufen?«, fragte er daher Virginio und öffnete seinen Mantel ein Stück, sodass die Knochen in seiner Schlaufe zu sehen waren.

      »Ähm, nein. Gerade nicht.« Virginio entfernte sich.

      Natürlich nicht. Seit er in dieser verfluchten Bar war, lief einfach gar nichts mehr nach Plan. Crandall tauchte nicht auf, seine andere Ware konnte er auch nicht loswerden, gar nichts funktionierte!

      Dabei war alles einigermaßen in Ordnung gewesen, als er R108 verlassen hatte. Er hatte zusätzlich zu seinem gelungenen Auftrag auch noch ein vollständiges Rückgrat gefunden und außerdem hatte er es endlich, nach vielen Jahren geschafft, Alfredo eins auszuwischen! Dieser arrogante Schnösel hatte es verdient gehabt! Endlich hatte er sich für die jahrelange Schikane rächen können!

      Alfredo so im Matsch liegen zu sehen, war das allerbeste Gefühl auf der ganzen Welt gewesen. Soll er Heidi-Katharina doch behalten, Cornelius war das jetzt egal. Er hatte gewonnen und das konnte ihm keiner nehmen!

      »Hey, Virginio!«, rief er dem Barkeeper