Ovid

Liebeskunst


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aus mir werden? Was wird aus mir?« Noch redete sie; da ertönten am ganzen Gestade Cymbeln und Pauken, geschlagen von gottbegeisterter Hand. Sie wurde vor Schreck besinnungslos, und die letzten Worte blieben ihr im Halse stecken. [540] Aus der ohnmächtigen Gestalt war das Blut gewichen. Schau, da kommen die Mimalloniden46, denen das Haar offen auf den Rücken fällt, da kommen die leichtfüßigen Satyrn, die Vorhut des Gottes. Da ist der trunkene alte Silen: Kaum kann er noch auf dem durchhängenden Eselsrücken sitzen und hält sich mit List und Tücke krampfhaft an der Mähne fest. [545] Während er den Bacchantinnen nachgeht und diese flüchten und ihn wieder angreifen, während der schlechte Reiter seinem Vierbeiner mit der Gerte zusetzt, verlor er das Gleichgewicht und fiel vom Langohr herunter auf den Kopf. Die Satyrn schrien: »Steh auf, Väterchen, steh auf!« Schon ließ der Gott auf dem Wagen, den er mit einer traubenschweren Weinlaube überdacht hatte, [550] den vorgespannten Tigern die goldenen Zügel schießen. Da entschwand dem Mädchen die Gesichtsfarbe, die Stimme und auch der Gedanke an Theseus. Dreimal wollte sie fliehen, dreimal hielt die Furcht sie zurück. Sie erschauerte wie taube Ähren, die der Wind bewegt, wie das leichte Schilfrohr, das im feuchten Sumpfe zittert. [555] Zu ihr sprach der Gott: »Sieh, ich bin für dich da, ein treuerer Beschützer. Fürchte dich nicht, Mädchen von Cnossus, du wirst Bacchus’ Gemahlin. Nimm den Himmel zum Geschenk: Am Himmel wirst du als Sternbild zu sehen sein, oft einem unsicheren Schiff als kretische Krone den Weg weisen.« Sprach’s und sprang vom Wagen, damit sie die Tiger nicht fürchte, [560] und der Sand gab unter seinem Fuße nach. Dann nahm Bacchus sie an seine Brust, denn sie hatte keine Kraft, sich zu wehren, und er trug sie fort; es wird hier dem Gott leicht, seine Allmacht durchzusetzen. Ein Teil singt: »Hymenaee«47, ein Teil schreit: »Euhion, euhoe.«48 So verbinden sich auf heiligem Lager die Braut und der Gott.

      Das Gastmahl

      [565] Wenn also die Gaben des Bacchus für dich aufgetischt sind und eine Frau dein Speisesofa teilt, dann bete zum Vater der Nacht49 und seinen nächtlichen Weihen, dass sie dem Wein verbieten, deinem Kopf zu schaden. Hier darfst du vieles in geheimer Zeichensprache sagen, [570] von dem sie spüren soll, dass es ihr gilt, darfst leichte Schmeicheleien mit klarem Wein niederschreiben, damit sie auf dem Tisch lesen kann, dass sie die Dame deines Herzens ist, darfst auch Auge in Auge schauend deine Liebesglut erraten lassen. Oft hat eine stumme Miene Stimme und Wort. [575] Reiß als Erster den Becher an dich, den ihre Lippen berührten, und trink an der Stelle, wo dein Mädchen trinkt. Und von jeder Speise, von der sie sich mit den Fingern etwas nahm, nimm auch du und berühre dabei ihre Hand. Es sei auch dein Wunsch, dem Mann50 der Geliebten zu gefallen. Er wird euch mehr nützen, wenn er dein Freund wird. [580] Kommst du durchs Los an die Reihe zu trinken, so lass ihm den Vortritt; sein Haupt soll den Kranz bekommen, der für das deine bestimmt war; steht er unter dir oder dir gleich, so soll er doch von allem vor dir nehmen; trage auch keine Bedenken, immer erst nach ihm zu sprechen. [585] Sicher und beliebt ist die Methode, unter dem Namen der Freundschaft zu betrügen. Mag die Methode auch sicher und beliebt sein, so ist sie doch verwerflich. [Daher verwaltet ein Verwalter oft allzu viel und meint, er müsse mehr sehen51, als was ihm aufgetragen ist.] Wir werden dir ein festes Maß im Trinken setzen: [590] Verstand und Füße sollen dir noch dienstbar sein. Hüte dich besonders vor Scheltreden, zu denen der Wein aufstachelt, und vor allzu leicht entstehenden handgreiflichen Auseinandersetzungen. Eurytion kam um, weil er töricht den Wein trank, den man ihm vorsetzte. Besser passt zu Tafel und Wein sanfter Scherz. [595] Hast du Stimme, so singe; sind deine Arme gelenkig, so tanze und versuche durch jede Gabe zu gefallen, durch die du gefallen kannst. Zwar schadet echte Trunkenheit, doch erheuchelte wird dir nützen: Lass die Zunge listig mit lallenden Lauten stammeln, damit alles, was du allzu keck sagst oder tust, [600] auf übermäßigen Weingenuss geschoben werde. Und sage: »Auf das Wohl der Dame, auf das Wohl dessen, mit dem sie schläft.« Doch in der Stille wünsche den Mann zum Henker.

      Überredung und Schmeichelei

      Aber wenn die Gäste sich nach Aufhebung der Tafel verziehen, wird dir allein schon das Gedränge Annäherungsmöglichkeiten bieten. [605] Menge dich unter die Schar und streife leicht die Dame, die neben dir geht; zupfe sie mit den Fingern an der Seite und berühre ihren Fuß mit dem deinen. Jetzt ist der Zeitpunkt für das Gespräch da; fliehe weit weg von hier, bäurische Scheu! Dem Mutigen helfen Glück und Venus. Deine Beredsamkeit soll von uns nicht reglementiert werden. [610] Wisse nur, was du willst; dann wirst du von selbst beredt sein. Du musst den Verliebten spielen und seine Schmerzen mit Worten nachahmen; darin strebe mit aller Kunst nach Glaubwürdigkeit. Und es ist nicht schwer, Glauben zu finden. Jede hält sich für liebenswert; mag sie auch abgrundhässlich sein, jeder gefällt die eigene Gestalt. [615] Oft hat freilich einer, der den Liebenden spielte, wirklich zu lieben begonnen, oft war er zum Schluss, was er am Anfang nur vorgetäuscht hatte. (Kommt desto mehr, ihr Mädchen, denen entgegen, die Liebe erheucheln! Aus der Liebe, die eben noch unecht war, wird eine echte werden.) Jetzt sei es die Aufgabe, ihr Herz durch Schmeicheleien allmählich zu fangen, [620] wie fließendes Wasser ein überhängendes Ufer unterhöhlt. Lass es dich nicht verdrießen, ihr Gesicht, ihr Haar zu loben, ihre feinen Finger und ihren kleinen Fuß. Auch keusche Herzen erquickt das Lob der Schönheit; auch Jungfrauen pflegen ihre Erscheinung und freuen sich daran. [625] Denn warum schämen sich Juno und Pallas52 immer noch, in den phrygischen Wäldern vor Paris’ Urteil nicht bestanden zu haben? Junos Vogel, der Pfau, zeigt seine Federn, wenn man ihn lobt; schaust du ihn schweigend an, versteckt er seine Herrlichkeiten. [629] Die Pferde freut es, wenn man ihnen während des Wettrennens die Mähne strählt und den Hals tätschelt.

      Versprechungen, Betrug, falsche Tränen

      Und sei im Versprechen nicht ängstlich; Versprechungen ziehen Mädchen an. Und rufe als Zeugen dafür nach Belieben Götter an. Iuppiter lacht aus der Höhe über die Meineide der Liebenden und lässt sie bedeutungslos im aeolischen Südwind verwehen. [635] Beim Styx pflegte Iuppiter der Juno Meineide zu leisten: Da er selbst das Beispiel gegeben hat, ist er jetzt in diesem Punkt nachsichtig. Es ist nützlich, dass es Götter gibt, und da es nützlich ist, wollen wir auch daran glauben. Weihrauch und Wein spende man auf den alten Opferherden. Keine sorglose Ruhe, die dem Schlafe ähnelt, [640] fesselt sie: Lebt schuldlos, dann steht die Gottheit euch bei. Gebt das Anvertraute zurück; Abmachungen haltet mit Hingabe ein; Arglist sei fern; befleckt eure Hände nicht mit Mordblut. Habt ihr Verstand, so betrügt nur die Mädchen ungestraft. Nur auf diesem Gebiet ist Redlichkeit eine größere Schande als Betrug. [645] Betrügt sie, die euch betrügen! Großenteils sind sie ein unheiliges Volk; lasst sie in die Schlingen gehen, die sie euch gelegt haben! Ägypten soll neun Jahre trocken geblieben sein – ohne Regen, der die Felder nährt. Da kommt Thrasius zu Busiris und zeigt ihm, [650] dass Iuppiter durch das Blut eines Fremden versöhnt werden kann. Zu ihm sprach Busiris: »Du sollst als Erster Iuppiters Opfertier werden, und du, Fremdling, sollst Ägypten Wasser geben.« Phalaris53 briet den Leib des gewalttätigen Perillus in einem ehernen Stier: Der unselige Erfinder weihte sein Werk mit seinem Blute ein. [655] Beide Tyrannen waren gerecht; denn es gibt kein gerechteres Gesetz, als dass die Techniker des Todes durch ihre eigene Technik zugrunde gehen. Also, damit Meineid die Meineidigen, wie sie es verdienen, betrüge, möge die Frau leiden, was sie uns angetan hat. Auch Tränen sind nützlich; durch Tränen wirst du selbst ein Herz von Stahl rühren; [660] lass sie, wenn du kannst, deine Wangen feucht sehen. Wenn dir Tränen fehlen (denn sie kommen nicht immer im richtigen Augenblick), berühre die Augen mit angefeuchteter Hand.

      Küsse, Gewalt, männliche Initiative

      Wer ist so dumm und mischt nicht Küsse unter die schmeichelnden Worte? Mag sie dir auch keine geben, nimm dir welche, ohne dass sie sie gibt. [665] Vielleicht wird sie zuerst dagegen ankämpfen und »Unverschämter!« sagen; sie wird aber im Kampf besiegt werden wollen. Nur nimm dich in Acht, dass ungeschickt geraubte Küsse den zarten Lippen nicht weh tun und dass sie sich nicht beklagen kann, sie seien grob gewesen. Wer sich Küsse nahm und das Übrige nicht nimmt, [670] verdient auch das, was ihm gegeben wurde, zu verlieren. Wie wenig hatte noch nach den Küssen bis zur vollen Wunscherfüllung gefehlt? Wehe mir, das war keine Scham, sondern Tölpelhaftigkeit. Magst du es auch Gewalt nennen, diese Art der Gewalt ist den Mädchen willkommen; was Freude macht, wollen sie oft geben, ohne es wahrhaben zu wollen. [675] Jede, der