Günter Dönges

Butler Parker Staffel 10 – Kriminalroman


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ist da ’ne Sprengladung drin«, sagte er und sah nervös zu Madson hinüber.

      »Unsinn! Machen Sie schon, Paul!«

      Storn holte tief Luft und zog den Deckel ab.

      *

      »Alles in – Ordnung?« erkundigte sich Mike Rander, als Parker ihm und Vivi Carlson die Tür öffnete.

      »Gewiß, Sir«, meldete der Butler. »Wie zu erwarten war, hat die Gegenseite sich bereits gemeldet.«

      »Sie hatten also tatsächlich Besuch?«

      »Ein junger Mann, der seine Neugier nicht zu zügeln vermochte, Sir.«

      »Dann dürfte der Ärger ja seinen Anfang nehmen.« Mike Rander und Vivi Carlson ließen sich aus ihren wattierten Skijacken helfen und griffen dankbar nach den heißen Drinks, die der Butler anschließend ser-vierte.

      »Ich hoffe sehr, Sir, daß Mister Madson sich ausschließlich auf meine bescheidene Person konzentrieren wird.«

      »Wie ich Sie kenne, haben Sie dafür bereits gesorgt, oder?«

      »Ich wünsche, Sir, daß meine bescheidenen Bemühungen honoriert werden.«

      »Und welche Rolle denken Sie diesmal zu spielen, Parker?«

      »Den diebischen Butler, wenn ich es so ausdrücken darf, Sir. Ich hoffe, daß Mister Madson sich für meine Wenigkeit interessieren wird.«

      »Was haben Sie denn eingefädelt?« wollte Vivi Carlson wissen. Sie ahnte, daß Josuah Parker in seine Trickkiste gegriffen hatte. Ihr Lächeln ging in ein Prusten über, als Parker zuerst von dem ausgetauschten Foto, dann von der Wasserpistole und schließlich von der Tabaksdose berichtete.

      »Sie glauben, daß es mit der Wasserpistole geklappt hat?« wollte sie schließlich wissen.

      »Ich rechne mit der Neugier meiner Mitmenschen«, entgegnete der Butler würdevoll. »Mister Madson wird die Pistole gerade deswegen ausprobiert haben, weil sie aus Plastik besteht und unter meiner Matratze gefunden wurde.«

      »Dann dürfte er inzwischen rot eingefärbt sein, wie?« Auch Mike Rander grinste wie ein großer Schul-junge.

      »Mit Sicherheit«, gab der Butler zurück. In seinem Gesicht führte sich kein Muskel.

      »Und was ist in der Tabaksdose?« fragte Vivi.

      »Der junge Dieb und Mister Madson müßten inzwischen von einer leichten Unpäßlichkeit befallen sein«, behauptete Josuah Parker, der es schließlich wissen mußte.

      *

      Und wie genau er es wußte!

      Ralph Madson hing im weit geöffneten Fenster und hustete sich die Seelen aus dem Leib. Dicke Tränen rännen aus seinen Augen. Dazu kam ein Niesreiz, der sich gewaschen hatte. Hustend und weinend verzwei-felte er momentan am Leben.

      Sein Faktotum Storn lag auf dem Teppich und beteiligte sich von hier aus an den Geräuschen. Er war et-was fleißiger, was das Niesen anbetraf. Die Reihenfolge dieser Produktion zeichnete sich durch sehr kurze Intervalle aus.

      Er weinte wie Madson und benetzte den Teppich empfindlich. Wie durch einen Wasserschleier sah er etwa dreißig Zentimeter vor sich auf dem Teppich die Tabaksdose, die er leichtsinnigerweise geöffnet hatte.

      Sie war der Grund für das Heulen und Zähneklappern der beiden Männer.

      Nach dem Öffnen des Behälters war eine bis dahin vom Deckel zusammengepreßte Feder frei geworden, die ihrerseits ein kreisrund geschnittenes Stück Karton hatte hochschnellen lassen. Das auf diesem Karton liegende Nies- und Reizpulver war auf solche Art ausgiebig verstreut worden.

      Die Leidtragenden waren die beiden Gangster.

      Madson, der wie ein nasser Waschlappen über dem Fensterbrett hing, rutschte bei erneutem Niesen ab und fiel rücklings nach hinten auf den durchnäßten Teppich, der sich unter der Einwirkung von Storns Tränen-fluß immer mehr aufweichte.

      Paul Storn robbte derweil mit letzter Kraft in den rettenden Korridor, zog sich an der Wand hoch und öffnete die Haustür. Taumelnd, die Hände tastend vorgestreckt, erreichte er das Freie. Er ließ sich ohne Rücksicht auf eine mögliche Erkältung in den Schnee fallen und vergrub sein Gesicht.

      *

      Josuah Parker brauchte nicht lange zu suchen.

      Er befand sich im Leseraum der Kurverwaltung und blätterte die Sammelbände Schweizer Zeitungen durch. Er suchte das Blatt, in dem das bewußte Foto veröffentlicht worden war. Ihm ging es um die Unter-schrift zu diesem Foto, die auf dem in der Brieftasche von Madson befindlichen Bild abgeschnitten war.

      In einer international bekannten Schweizer Zeitung wurde er fündig. Er entdeckte ein Duplikat des Bildes samt der dazugehörigen Unterschrift. Parker notierte sich die Namen und verließ den Leseraum. Er wußte jetzt, wo und wie er den Hebel anzusetzen hatte. Zumindest einer der sieben Männer auf dem Zeitungsbild war möglicherweise das geplante Opfer des Killmasters. Nun mußte er herausfinden, ob alle sieben Männer sich noch in Kandersteg aufhielten. Parker rechnete allerdings mit dieser Möglichkeit. Das Foto war in einer Zeitung veröffentlicht worden, die erst vor acht Tagen gedruckt worden war.

      Aus der Bildunterschrift war ebenfalls hervorgegangen, um welchen Sportclub es sich handelte, doch Jo-suah Parker verzichtete darauf, sofort seine speziellen Erhebungen anzustellen. Es galt, noch andere Dinge zu tun. Es war sein erklärtes Ziel, Ralph Madson erst mal abzulenken, zu beschäftigen und in Atem zu halten. Wenn Madson einen Mord plante, woran Parker nicht einen Moment lang zweifelte, mußte er nachdrücklich daran gehindert werden. Was dies anbetraf, so hatte der Butler bereits festumrissene Vorstellungen, wie sich so etwas bewerkstelligen ließ.

      Zuerst besorgte er sich von einem Angestellten der Kurverwaltung eine ganz bestimmte Adresse, die sich auf die Folklore der Schweizer Bergwelt bezog. Dann, auf dem Rückweg zu seinem jungen Herrn, hielt er vor einem Delikatessengeschäft und interessierte sich für gewisse Spezialitäten der heimischen Molkereiin-dustrie. Er wußte sehr genau, was er wollte.

      Er schlug einen kleinen Umweg ein und erkundigte sich bei einem Autoverleih nach der Nummer des 2 CV. Der Angestellte dieses Verleihs konnte ihm zwar nicht mit einer echten Auskunft dienen, schickte den Butler jedoch zu einem anderen Autoverleih.

      Es dauerte knapp vier Minuten, bis Parker die gewünschte Auskunft erhielt: Der 2 CV der beiden Gangs-ter war hier entliehen worden, die Adresse der Kunden bekannt. Und jetzt auch Parker.

      *

      Ralph Madson und sein Faktotum Paul Storn stiegen vor der Hauptpost aus dem 2 CV und rückten sich ihre Sonnenbrillen zurecht. Die dunklen Gläser sollten die geröteten Augen der beiden Männer verdecken. Sie trugen Skidreß und sahen wie Wintersportler aus.

      »Machen Sie schon, Paul«, sagte Madson, als sie vor der Wand der Schließfächer standen.

      »Wollen Sie nicht mitkommen, Chef?« erkundigte sich Storn unsicher.

      »Ich gebe Ihnen Rückendeckung«, behauptete Madson und baute sich hinter einer Säule auf. Der Master-killer litt noch deutlich unter dem Nies- und Reizpulver. Zudem war er mißtrauisch. Er wollte nicht noch mal hereingelegt werden.

      Paul Storn schluckte eine bittere Bemerkung über seinen Chef hinunter und näherte sich vorsichtig den Schließfächern. Er fand die Nummer, die der auf dem flachen Schlüssel entsprach. Er wandte sich fast hil-fesuchend nach Madson um, als er den Schlüssel ins Schloß steckte, doch Madson war hinter der Säule nicht zu sehen. Er schien sein Versprechen hinsichtlich der Rückendeckung ernst zu nehmen.

      Paul Storn hielt unwillkürlich den Atem an, als er die schmale Tür des Schließfaches millimeterweise auf-zog.

      Ein Umschlag!

      Zögernd griff Storn nach ihm und wog ihn vorsichtig in der Hand. Ihm war bekannt, daß solche Um-schläge tödlich sein konnten. Sie enthielten nämlich hin und wieder Plastiksprengstoffe. Er selbst, Storn, hatte solche Briefe schon hergestellt.