Sina Holl

Mami Staffel 12 – Familienroman


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Tisch war schon gedeckt.

      Ariane bot Platz an, sie versorgte die Blumen, in einer Kristallvase stellte sie sie auf eine mit Intarsien verzierte Kommode.

      Stumm und beeindruckt sah Angela sich um. Sie fand es sehr schön hier. So groß, ja, das Zimmer kam ihr so groß vor wie Opas ganze Wohnung, und so hohe Fenster hatte es, und… und… Es gab viel zu bestaunen.

      Sie tranken Kaffee, Angela bekam Schokolade, Ariane reichte kleine Törtchen dazu. Sie hatte sich wieder gefaßt, war gewandt und liebenswürdig bei leichter Konversation. Sie erzählte von dem Besuch bei ihrer Tante, der Inhaberin des Kunstsalons, »wo Sie sich zweimal so hilfsbereit gezeigt haben, Gerhard«, lächelte sie dem Gast zu.

      »Zweimal?« stutzte er.

      »Ja, zuerst bei den Amerikanern, die ich nicht recht verstand. Erinnern Sie sich nicht?«

      »Wir waren auch in Amerika«, warf Angela schüchtern ein.

      »Ich weiß«, sagte Ariane freundlich. »Aber jetzt bist du doch auch gern hier, ja?« Das Kind nickte stumm.

      Etwas später zeigte sie Gerhard die anderen Räume, Angela, an seiner Hand kam mit. Alles war sehr komfortabel, zu beiden Schlafzimmern gehörte je ein Bad. »Und dieses Zimmer wäre dann für Angela«, erklärte Ariane, die nächste Tür öffnend. »Wir werden kindgerechte Möbel hineinstellen, die darf sie mit aussuchen.«

      »Sollen wir hier wohnen«, staunte das Kind, das dies alles noch nicht recht begriff.

      »Würden Sie sich hier wohl fühlen können«, wandte sich Ariane an Gerhard. »Sie haben nun gesehen, daß jeder genug Raum für sich haben wird.«

      »Ja«, sagte Gerhard, hinter dessen Stirn sich viele Gedanken bewegten. War dies nicht in der Tat eine sonderbare Wohnungsbesichtigung? Sich vorzustellen, daß er mit Ariane hier leben sollte, die es nicht weiter zu berühren schien. Sie führte ihn herum wie einen Gast, der für eine gewisse Zeit hier Wohnrecht haben sollte.

      Wieder zurück im Wohnzimmer, läutete das Telefon. »Entschuldigung –« Ariane griff nach dem Hörer. »Danegger.«

      Gerhad bemerkte, wie ihr Gesicht sich belebte, als sie überrascht sagte: »Andreas! Daß du dich wieder einmal meldest… Ja, ich weiß, du bist viel unterwegs… Wie soll es mir schon gehen, Andreas…«

      Gerhard sprach leise mit seinem Töchterchen. Es war immer etwas peinlich, wenn man dem Gespräch eines anderen unfreiwillig zuhören mußte. Angela flüsterte nur. »Bleiben wir dann nicht mehr bei der Oma?«

      »Vorläufig schon noch, Angela…«

      Er vernahm, wie Ariane abschließend sagte: »Morgen abend, ja, natürlich paßt es mir. Ich erwarte dich, komm nicht so spät. Bis dann, auf Wiedersehen, Andreas.«

      Nachdem sie den Hörer aufgelegt hatte, blieb sie noch sekundenlang abwesend und sah auf den Apparat. Als sie aufblickte, schien es, als müsse sie sich erst besinnen, daß sie nicht allein war.

      Sie gab keine Erklärung ab, zwang sich zu einem Lächeln.

      »Gehen wir doch noch in den Garten«, schlug sie vor. »Wir haben da einen kleinen Teich mit Goldfischen darin, hinter den Blumenbeeten.«

      »Ich weiß. Ich kenne den Garten«, sagte Gerhard.

      »Ach ja, Sie haben es mir erzählt. Das ist lange her, nicht wahr. Aber es hat sich nichts verändert.«

      Mit ihrem leichten Gang schritt sie vor ihnen auf dem Weg zwischen den grünen Rasenflächen.

      »Wo sind denn die Fische?« fragte Angela neugierig.

      »Dort, wo auch eine Bank steht«, antwortete Ariane, »nur ein paar Meter weiter.«

      »Das Wasser blüht ja!« rief das Kind verwundert aus, als sie angelangt waren. Es waren Seerosen. Nie zuvor hatte Angela dergleichen gesehen. Die Fischlein entdeckte sie erst später, wie sie, goldglänzend, unter den Wasserpflanzen hin und her huschten. Das gefiel ihr, sie hockte sich davor nieder. Gerhard und Ariane nahmen auf der Bank Platz.

      »Man könnte für Angela eine Schaukel anbringen«, überlegte Ariane laut. »Als ich klein war, hatte ich meinen Spaß daran. Es kamen Freundinnen, wir durften hier herumtoben. Die Schaukel könnte sogar noch im Keller sein.«

      »Es ist lieb von Ihnen, daß Sie sich Gedanken darum machen,

      Ariane.«

      Sie senkte den Kopf. »Angela soll ja auch mein Kind werden«, sprach sie leise und stockend. »Nur – ich muß immer an meine Janine denken. Ich brauch Zeit, damit umzugehen.«

      »Wir werden Ihnen Zeit lassen«, betonte Gerhard, ruhig und fest.

      »Danke, Gerhard«, kam es wie ein Hauch über ihre Lippen.

      Angela kam zu ihnen. Sie lehnte sich gegen die Knie ihres Vaters, aber sie sah Ariane unverwandt an.

      »Wie soll ich denn zu Ihnen sagen?« fragte sie plötzlich.

      »Sie meint, wie sie Sie anreden soll«, warf Gerhard ein.

      »Nenn mich Ariane, wie dein

      Papa. Und du darfst auch Du sagen.«

      Das kleine Gesichtchen, die fragend zu ihr emporgehobenen Kinderaugen… Irgend etwas riß und zerrte an Ariane, tief in ihrem Innersten, wo doch ewig lange nichts mehr gewesen war als zu Stein gewordener Schmerz.

      Abrupt stand sie von der Bank auf, tat rasch ein paar Schritte, sinnlos, wie um zu fliehen.

      Gerhards Züge spannten sich, er erhob sich ebenfalls. »Geht sie weg?« wisperte Angela erschrocken. Doch da hielt Ariane schon inne, sie wandte sich zu ihnen um, als sei sie zur Besinnung gekommen.

      »Wir könnten einen Strauß pflücken, die rosa Nelken dort, die duften schön. Kommt mal!«

      »Dürfen wir die dann mitnehmen?« fragte Angela.

      »Ja, die nimmst du deiner Oma mit«, nickte Ariane.

      Angela hielt sie in ihren Händchen, als sie nach Hause fuhren. Diesmal hatte der Teddybär hinten seinen Platz. Sie hatte sich aber bis zuletzt nicht getraut, Ariane anzureden.

      »Sie ist aber nicht wie Oma oder wie Anja«, sagte sie unterwegs aus tiefen Gedanken heraus. »Auch die Katarina von Rolf hat mich schon mal in den Arm genommen. So was macht sie wohl nicht?«

      »Warte nur, bis ihr euch näher kennt, Angela. Dann wird Ariane auch ganz lieb zu dir sein.« Er überlegte, ob er es ihr sagen sollte. Würde das Kind, noch keine fünf Jahre alt, es schon begreifen?

      »Weißt du«, fuhr er langsam fort, »sie hat auch einmal ein kleines Mädchen gehabt. Es hieß Janine. Es ist gestorben. Darum ist Ariane immer noch sehr traurig. So wie ich es wäre, wenn ich dich verlieren müßte, mein Liebling. Deshalb ist sie so. Wir wollen ihr helfen, daß sie wieder froh sein kann. Ja, wollen wir das?«

      Gerhard streifte sein Kind mit einem Blick voller Zärtlichkeit. Angela nickte unsicher. Nach einer Weile fragte sie: »Soll ich ihr mal ein Bild malen? Oma sagt, ich könnte schön malen.«

      »Das machst du«, stimmte ihr der Vater zu. »Darüber wird sie sich sicher freuen. Vielleicht wird sie es sogar aufhängen.«

      »Da schreib’ ich drunter Angela«, sagte die Kleine eifrig. »Das kann ich schon ganz richtig schreiben.«

      Möge es so sein, daß sie sich uns allmählich öffnet und zuwendet, hoffte Gerhard inbrünstig, daß er ihr sagen konnte, daß er sie liebte.

      Wer wohl dieser Andreas war, mit dem sie telefoniert hatte?

      *

      Andreas Danegger war Co-Pilot bei einer großen Luftfahrtgesellschaft. Er trug die Uniform, als er kam.

      »Ich muß um Null Uhr in Frankfurt sein«, sagte er zu Ariane, die ihn empfing. »Wir haben einen Nachtflug nach Casablanca.«

      »Dann haben wir nicht viel Zeit für uns«, bedauerte