sie dann immer noch Maskenbildnerin werden, denn sie wollte unbedingt etwas Kreatives machen, besaß alle Voraussetzungen dafür. Doch vor einem Jahr war die Mutter gestorben, sie war nun ganz auf sich gestellt gewesen. Ihr Chef hatte ihr nach der Gesellenprüfung angeboten, weiter bei ihm zu arbeiten, und sie hatte zugesagt und darauf verzichtet, gleich die Ausbildung zur Maskenbildnerin anzufangen. Immerhin war der Salon einer der besten in Hamburg. Sie arbeitete gern dort und verdiente nun auch recht ordentlich. So hatte sie sich diesen ersten Urlaub geleistet.
Guido war aufgeklärt darüber, was sie war, und er hatte ganz gelassen darauf reagiert. Was jemand mache, so meinte er, sei schließlich egal, wenn es ihm nur Spaß mache, und schließlich könne nicht jeder studieren.
»Wahrscheinlich ist es sogar befriedigender, Leute zu verschönern, als Paragraphen zu reiten«, hatte er grinsend hinzugefügt.
Keiner der jungen Männer, die sie kannte, war wie er, jeder Vergleich mußte zu seinen Gunsten ausfallen. So wünschte Astrid nichts mehr, als daß sich ihre Beziehung in Hamburg fortsetzen würde. Auch Guido wollte sie wiedersehen, wieder und wieder hatte er es ihr gesagt, und sie wollte sich von einer enttäuschten alten Jungfer, wie ihre Nachbarin vermutlich war, nicht irremachen lassen!
*
Drei Wochen waren vergangen. Seit einer Woche mußte Guido nun auch wieder in Hamburg sein, und täglich hatte Astrid auf seinen Anruf gewartet. Sie versuchte, nicht zu enttäuscht zu sein und redete sich ein, daß er sich schon noch melden würde. Wenn man von einer längeren Reise zurückkam, hatte man ja wieder einiges zu tun. Aber nachdem eine weitere Woche ohne eine Nachricht vergangen war, stiegen Zweifel in ihr auf. Hatte sie sich vielleicht verhört, wartete er am Ende darauf, daß sie sich zuerst meldete?
Sie wußte, Guido lebte noch in der Villa seiner Eltern, wo er eine eigene Wohnung in einem Anbau besaß und auch einen eigenen Telefonanschluß. Sie suchte die Nummer heraus, aber dort meldete sich niemand. Auch nicht zu Tageszeiten, da jemand eigentlich zu Hause sein mußte.
War ihm am Ende etwas zugestoßen? Schließlich überwandt sie sich und wählte die Privatnummer seiner Eltern. Irgendein dienstbarer Geist nahm ab, und sie fragte, ob Guido zu sprechen sei.
»Wer ist denn da bitte?« wollte die männliche Stimme wissen.
Astrid stutzte plötzlich. Klang sie nicht wie die von Guido? Sie nannte ihren Namen und bat, Herrn Brambeck junior auszurichten, daß er sie bitte anrufen solle.
»Ich werde es Herrn Brambeck ausrichten«, versprach der Mann am anderen Ende der Leitung und legte auf, noch ehe sie sich bedanken konnte. Auch seine letzten Worte erinnerten Astrid an Guidos Stimme. Das mochte Zufall sein, aber je länger sie darüber nachdachte, um so sicherer wurde sie. Und wenn ihre Vermutung stimmte, bedeutete es nichts anderes, als daß Guido sich verleugnete!
Als wiederum einige Tage vergingen, ohne daß er zurückrief, war sie dessen ganz sicher. Sie war tief enttäuscht. Wie billig, sich auf diese Weise zu verleugnen und nicht einmal den traurigen Mut zu haben, ihr offen zu sagen, daß er kein Interesse mehr habe, sie wiederzusehen!
Sie war für ihn nichts weiter, als ein kleines Urlaubsabenteuer gewesen, und er hatte trotz seiner Liebesschwüre immer gewußt, daß es so war!
Ulla war sehr mitfühlend und triumphierte nicht, weil sie recht gehabt hatte.
»Vergiß ihn«, beschwor sie sie, »so ein Mann ist nun mal nichts für Mädchen wie uns. Außerdem ist er ein Miesling, wenn er dich so abzuwimmeln versucht. Für so einen bist und solltest du dir viel zu schade sein.«
Astrid versuchte, sich das auch immer wieder klarzumachen, aber wenn sie abends im Bett lag und nicht schlafen konnte, mußte sie an die schönen Stunden unter südlicher Sonne, an Guidos Küsse und seine leidenschaftlichen Zärtlichkeiten denken. Er hatte sie erst richtig zur Frau erweckt, ihr Herz wollte einfach nicht glauben, daß nun alles aus und vorbei sein sollte!
Sogar im Dienst, während sie die Köpfe der Kundinnen verschönte, wanderten ihre Gedanken öfter zu ihm.
Die Damen, gewöhnt, daß »Fräulein Astrid«, wie sie hier gerufen wurde, immer so munter mit ihnen plauderte, wunderten sich, daß sie manchmal geistesabwesend war.
Ja, es schlug ihr regelrecht auf den Magen mit der Zeit. Besonders wenn sie mit scharf riechenden Essenzen zu tun hatte, wurde ihr öfter speiübel. Schon zweimal war es in der letzten Woche vorgekommen, daß sie sich bei der Kundin hastig hatte entschuldigen und zur Toilette hatte rennen müssen.
Heute, sie bediente gerade Frau Seidel, eine langjährige gute Kundin, überkam es sie wieder. Ihr Magen hob sich, sie sah im Spiegel, wie blaß sie wurde, und dann mußte sie auch schon wieder hinauseilen. Als sie zurückkam, sah Frau Seidel sie forschend an.
»Na, Fräulein Astrid, haben Sie das öfter?«
»Zumindest in letzter Zeit vertrage ich so starke Gerüche nicht mehr so gut«, erwiderte diese. Ihr war immer noch etwas flau.
»So war es bei mir, als ich in anderen Umständen war.« Frau Seidel lächelte. »Aber bei Ihnen können es natürlich ganz andere Ursachen sein.«
»Das denke ich auch«, nickte Astrid, doch plötzlich wurde ihr ganz weich in den Knien. Warum eigentlich, auch sie konnte ja… Lieber Himmel!
»Ich habe Ihnen doch nicht etwa einen Schreck eingejagt?« fragte Frau Seidel betroffen, als sie im Spiegel sah, wie verstört die junge Friseuse auf einmal dreinschaute.
»Na ja, an diese Möglichkeit habe ich überhaupt nicht gedacht«, murmelte Astrid.
»Aber Kindchen, heutzutage nehmen die jungen Mädchen doch die Pille, was sollte da passieren. Bei uns damals war das noch anders, aber Sie brauchen sich da doch keine Sorgen zu machen, oder?«
»Nein, nein«, sagte Astrid hastig und zwang sich zu einem Lächeln, »aber im ersten Augenblick bekommt man halt doch einen Schreck. Ich glaube, ich gehe mal zum Arzt, vielleicht habe ich es mit dem Magen wie meine Mutter.«
»Ja, so was vererbt sich oft, lassen Sie es nur nicht schleifen, damit nichts Chronisches entsteht.« Die Seidel sprach dann lang und breit über einen Fall in ihrer Verwandtschaft.
Astrid nickte nur manchmal, aber sie hörte gar nicht richtig zu.
Die Vorstellung, sie könne schwanger sein, schwanger von einem Mann, der nichts mehr von ihr wissen wollte, jagte ihr kalte Schauer über den Rücken.
Sie war froh, daß wenig später Feierabend war und sie gehen konnte. Sie traf sich mit Ulla, denn sie mußte mit jemandem darüber reden.
*
Ulla riet ihr, einen Test machen zu lassen, und der bestätigte ihren Verdacht! Astrid war völlig verzweifelt, aber als Ulla andeutete, daß sie dieses Kind ja nicht unbedingt bekommen müsse und es doch Mittel und Wege gäbe, das zu verhindern, wehrte sie entsetzt ab. Das Beispiel ihrer Tante Marlene, die in jungen Jahren zu einem Pfuscher gegangen war, stand ihr vor Augen. Seitdem hatte die Tante kein Kind mehr bekommen können, obwohl sie und der Mann, den sie später geheiratet hatte, es sich so sehnsüchtig gewünscht hatten.
»Tue so etwas nie, Kleines«, hatte sie die Nichte beschworen, als sie ihr in einer stillen Stunde diese Geschichte einmal gestanden hatte. »Wenn ich damals ein uneheliches Kind bekommen hätte, weil ich den Vater des Kindes nicht heiraten wollte, Herbert hätte mich auch mit dem Kind geheiratet, und wir hätten später noch weitere Kinder bekommen können. Nie wieder habe ich in meinem Leben etwas so bitter bereut wie meine damalige Feigheit. Ich dachte, ich schaffte es nicht, ein Kind allein aufzuziehen, weil ich noch so jung war. Aber du weißt ja, man schafft mehr als man oft glaubt.«
Tante Marlene, sie würde sie verstehen! Astrid fuhr sofort nach Pinneberg, wo Tante Marlene, inzwischen verwitwet, ein kleines Wollgeschäft betrieb. Die jüngere Schwester ihrer Mutter hing sehr an ihr, sie war die einzige Verwandte, zu der Astrid noch einen innigen Kontakt hatte. Zunächst war sie auch etwas erschüttert, als Astrid beichtete, wie es um sie stand und ihr von Guido erzählte, aber dann reagierte sie so, wie Astrid erhofft hatte.
»Du