Craig DiLouie

MIT ZÄHNEN UND KLAUEN


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      Impressum

      Deutsche Erstausgabe

      Titel der Originalausgabe: TOOTH AND NAIL

      Published by arrangement with SALVO PRESS, Nevada, USA

      Copyright Gesamtausgabe © 2014 LUZIFER-Verlag

      Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

      Copyright Cover © 2014 Timo Kümmel

      Lektorat: Heike Müller

      Übersetzung: Andreas Schiffmann

      ISBN EPUB: 978-3-943408-64-5

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      Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

      Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

      Never will I fail my country’s trust.

      Always I fight on—

      Through the foe,

      To the objective,

      To triumph over all.

      If necessary, I fight to my death.

      Aus ›The Infantryman’s Creed‹

      »Wer mit Ungeheuern kämpft, mag zusehen,

      dass er nicht dabei zum Ungeheuer wird«

      Friedrich Nietzsche

      Die Welt wird nicht ohne einen Krieg untergehen

      Als er nur kurz die Augen schließt, schläft Private First Class Jon Mooney sofort ein, obwohl er schweißgebadet in Panzerweste und mit einem M4-Karabiner in Händen hinter Stacheldraht und Sandsäcken am Checkpoint steht. Sein Kopf fällt ihm unter dem Gewicht des Kevlar-Helms auf die Brust, vor seinen Augen beginnt es zu flimmern und er wähnt sich wieder im Irak – nur einen Augenblick lang – als Wachposten an einer Straßensperre im Bezirk Adamiyah in Bagdad, während über ihm Apache-Hubschrauber knattern, einheimische Kinder auf der Straße Kaltgetränke feilbieten und Scharfschützengewehre in Fensterrahmen auftauchen.

       Sein Herz rast, die Augen irren auf der Suche nach Bedrohungen umher und fokussieren schließlich zum gefühlten hundertsten Mal die Werbetafel auf der gegenüberliegenden Seite der Kreuzung. Das breite Plakat, auf dem mehrere Models in rosafarbenem Schaumbad herumplanschen, prangt vom Dach einer Burger-King-Filiale, zwischen einem Elektronikgeschäft und einem Kleiderdiscounter. Er begreift den Sinn des Fotos nicht und weiß nicht einmal, wofür es wirbt, aber es spricht ihn an. Es macht ihm ein Angebot zur Flucht, nach der er sich geradezu händeringend sehnt, obwohl er keine Worte dafür findet.

       Das hier ist nicht der Irak, sondern New York City.

       Der Burger King und alle anderen Geschäfte in diesem Bereich der First Avenue wurden wegen der Epidemie geschlossen, ihre Fassaden mit schwarzen Metallgittern verbarrikadiert, als sei die gesamte Straße ein riesiges Gefängnis. Verlassene Autos und Müll versperren die Fahrbahn und den Fußgängerweg, ausgehend vom Checkpoint bis zu den Straßensperren aus Beton einen Häuserblock weiter.

       Eigentlich ist dies sein Zuhause. Die Wolkenkratzer Manhattans ragen über der schmutzigen Straßenszene in die Höhe und die Sonne reflektiert von ihren Fenstern. Mooney späht blinzelnd ins Licht, bis er die funkelnde Spitze des Chrysler Buildings ausmacht. Dort oben sieht alles ruhig, fast unbeschwert aus. Man könnte innehalten und eine Weile im lauen Wind ausharren.

       Vor 46 Stunden noch saß er am anderen Ende der Welt mit dem Rest des 2. Platoons der Kompanie Charlie auf einer Landebahn und wartete auf seinen Flug nach Hause. Natürlich nannten sie es nicht Flucht; die Obrigkeit umschrieb es als »notfallmäßige Versetzung«, ihre Vorgesetzten am Boden sprachen von »Rückzug« und die Soldaten von einer »Riesenschweinerei«, dem »Inbegriff des Chaos« oder einer »klasse Gelegenheit, zu sterben«. Egal wie man es bezeichnete: Die Armee holte auf einen Schlag Zehntausende Einheiten zurück, während die irakische Regierung ihre Zelte in der internationalen Zone abbrach und die verschiedenen Stämme sogleich dazu übergingen, alte Rechnungen zu begleichen, wenn sie zwischen ihren fanatischen Attentaten auf die sich zurückziehenden Amerikaner Zeit dazu hatten.

       Mit allem, was fliegen oder schwimmen konnte, kehrten die Soldaten nach Hause zurück und wurden an verschiedene Standorte in den Vereinigten Staaten versetzt. Die logistische Leistung des Truppenrückzugs von Stützpunkten überall auf der Welt in die Heimat war verblüffend. Mooneys Zug – Schützen der leichten Infanterie, deren Haut verbrannt war von der Sonne des Mittleren Ostens und die aus ihren Hosentaschen noch Sand schöpften – wies man diesen Abschnitt der First Avenue von Manhattan zu. Ihr Auftrag: Das Trinity Hospital absichern.

       Zwar war dies nicht die Heimkehr, auf die sich Mooney während des vergangenen Jahres gefreut hatte, doch wenigstens schoss niemand mehr auf ihn.

       Er zwingt seine Gedanken zurück in den Augenblick. In der Nähe des Checkpoints taucht der alte Mann wieder auf und belästigt wie gehabt jeden, der versucht, zu den Soldaten und ins Krankenhaus zu gelangen. »Ich würde an Ihrer Stelle nicht da reingehen«, gibt er zu bedenken. Er ist glatt rasiert und hat lange, graue Zotteln. Auf seinem T-Shirt steht: CLEVERSTER DUDE WEIT UND BREIT.

       »Aber ich bin hungrig«, meint der Angesprochene. »Es gibt kaum mehr Lebensmittel in den Läden, und ich habe nichts.«

       Mooneys Zugführer, Corporal Eckhardt, winkt eine junge Frau durch, die offensichtlich mit Hongkong Lyssa infiziert ist und sich auf einen Mann stützt, der wohl ihr Gatte oder Freund ist. Sie glüht vor Fieber und leidet an Zuckungen.

       »Tut mir leid«, gibt Eckhardt denjenigen zu verstehen, die nach ihnen in der Schlange stehen. »Wir verteilen auf diesem Posten keine Nahrungsmittel. Versuchen Sie es an den Adressen auf dieser Liste; die Stadtverwaltung hat sie ausgegeben.«

       »Leute gehen da rein«, bemerkt der Alte, indem er jedem in Sichtweite zunickt, »kommen aber nie wieder raus.«

       Der elende Bastard weidet sich offensichtlich an dieser Tatsache.

       Mooney seufzt, während er dabei zusieht, wie die Menschen zwischen den verlassenen Fahrzeugen hindurchströmen, um sich in einem der zusehends schwindenden freien Betten des Trinity Hospitals behandeln zu lassen. Der Andrang der Infizierten scheint nicht abzureißen.

       Jon Mooney ist seinen Militärdienst leid, aber bald hat er alles überstanden: noch 27 Tage und ein Morgenappell, bis seine Verabschiedung offiziell ist und die Army ihn gehen lässt. Dann sagt er dem Irak, New York und dem Rest der Welt Alpha Mike Foxtrot – Adios, Motherfucker.

       Doch die Tage ziehen sich dahin. Wie die meisten Angehörigen seines Platoons ist er noch ein halbes Kind, 19 oder 20 Jahre alt, aber mit Abzeichen auf der Schulter, die von Kampferfahrung zeugen