sicher, jemandem für einen heißen Burrito mit Grillfleisch, Sauerrahm sowie extra viel Mais-Salsa ins Gesicht schießen zu können. Ein guter Soldat kann ein Gewehr in weniger als 30 Sekunden zerlegen und noch schneller wieder zusammenbauen. Williams versteht sein Handwerk; er hat seine Jugend in Oakland mit krummen Geschäften und Straßengangs verbracht, sich jedoch mittlerweile weit von jener Welt entfernt. Allerdings fühlt er sich pudelwohl bei den ausgewachsenen und albernen, aber überzeugten Kindern in diesem Platoon – einem militärischen Schmelztiegel. Er schüttelt den Kopf, schwelgt lächelnd in Erinnerungen. Wenn er heimkommt, wird er so manche Story zu erzählen haben; noch lebt er ja, um dies tun zu können.
Aus einem Gettoblaster, den sie oben aus einem Schwesternzimmer gestohlen haben, läuft ununterbrochen Musik. Heute steht Hip-Hop auf dem Programm, gestern war es Rock 'n' Roll, und morgen hören sie wer weiß was – Hauptsache, es ist laut.
»Mann oh Mann, eine Million Dollar auf jeden Fall«, staunt McLeod beim Aufklappen des Centerfold. »Mindestens! Ich meine … Je-sus! Hey Jungs, was gebt ihr mir dafür, dass ich euch diese Hupen kurz zeige? Höre ich einen Dollar? Ich schwöre, die sind echt. Irgendwer interessiert?«
Williams schüttelt wieder den Kopf. Das ist alles, worüber sie je reden – versaute Heimchen am Herd mit aberwitzigen sexuellen Vorzügen, die heißen Krankenschwestern in den oberen Geschossen und alles das, was man mit den Frauen dieser Welt anstellen werde, sobald man aus der Armee tritt.
Er blickt auf und grüßt Sergeant Ruiz, als dieser den Saal betritt. »Hey, Sergeant, wie sieht’s aus?«
»Warum schlaft ihr Trottel nicht, obwohl ihr Zeit für ein Nickerchen bekommen habt«, schnauzt Ruiz, während er Williams mit eindringlichem Blick anstarrt. »und warum tragt ihr nicht eure Masken?«
»Wir haben sie im Irak nicht benutzt, Sarge«, hält McLeod dagegen. »Warum sollten wir es also hier tun?«
»Weil wir im Irak nicht in einem Krankenhaus voller Leute einquartiert waren, die an der Pest verrecken, Spatzenhirn.«
McLeod grinst, während er Selbiges anstrengt, um einen guten Konter zu formulieren, aber Ruiz ist schon weiter. »Schafft euren Allerwertesten aus der Horizontalen und zieht euch an, Ladys. Der Lieutenant hat Arbeit für euch. Wir brechen in zehn Minuten auf.«
Boyd blickt auf. Er hat feuchte Augen.
»Meine Schwester hat Lyssa. Steht in diesem Brief von zu Hause.«
Die Kameraden halten inne und sehen ihn an.
»Meine Mom meint, sie würden die Toten vor der Stadt verbrennen, und beschreibt sogar, wie sie es machen: Sie heben einen Graben zur Belüftung aus – echt jetzt – und schichten Holz zu einem Scheiterhaufen auf. Die Leichen werden draufgelegt und angezündet. Die vom Stadtrat sind richtig übergeschnappt und haben damit angefangen. Das passiert drüben an der Westküste; es dauerte eine Woche, bis ich den Brief bekam.«
»Tut mir leid wegen deiner Schwester, Boyd«, sagt Ruiz.
»Er wurde vor über einer Woche geschrieben.« Boyd starrt ungläubig aufs Papier. »Sie könnte mittlerweile tot sein.«
»Hat da jemand was von Toten erzählt, die verbrannt werden?«, fragt Ross, den sie Adlerauge nennen, weil er unheimlich genau mit dem M4-Karabiner zielt. Er ist gerade aufgewacht und noch verschlafen. »Mann, das ist krass.«
»Kann nur an den Haaren herbeigezogen sein«, glaubt McLeod. »In manchen Städten gibt es Massengräber, um die Toten vorübergehend zwischenzulagern, aber verbrannt wird niemand, um Himmels willen.«
»Wenn die Leute paranoid genug werden, sind sie dazu imstande«, erwidert Williams.
»Was ich damit sagen will: Was habe ich hier in New York verloren?«, fragt sich Boyd laut. »Warum bewachen wir keine Klinik in Idaho, zum Beispiel in Boise? Ich sollte dort sein – zu Hause, bei meinen Leuten, wenigstens im gleichen lausigen Bundesstaat … Ich muss meine Mom anrufen.«
»Ich wette, in Boise und den Nachbarorten sitzen auch Soldaten, genauso wie wir hier«, sagt Ruiz. »Unter ihnen befinden sich vermutlich New Yorker, die sich wünschen, daheim zu sein, und passen auf deine Familie auf, wie du es hier mit ihrer machst – genauso, wie jeder in diesem Platoon den Arsch für die anderen hinhält, verstanden?«
»Ich weiß nicht, Sergeant …«, wirft Boyd ohne Begeisterung ein. Die Männer beginnen schweigend, ihre Ausrüstung anzulegen: Feldanzug, Stiefel, Knieschoner, Panzerweste, Brustgurt, Armbanduhr, Munition und Messer, Handschuhe, Primärwaffen und Helm.
»Gut, jetzt sind wir also schon so weit, dass wir uns gegenseitig in Brand setzen, aber wendet man den Gedanken vom halb vollen und halb leeren Glas auf dieses weltweite Krepieren an, fallen durchaus ein paar Dinge auf, über die wir ziemlich froh sein sollten«, sagt McLeod nach einer Weile, um das Eis zu brechen. »Zum Beispiel bekommen wir drei warme Mahlzeiten täglich, liegen acht Stunden in der Falle und haben sogar fließendes Wasser. Außerdem müssen wir nicht in Gegenden auf Streife gehen, wo es aussieht wie in Tijuana nach einem Splitterbomben-Angriff und die Gefahr besteht, dass uns improvisierte Sprengkörper oder irre Hadschis die Klöten abreißen.«
»Mund halten, McLeod«, brummt Ruiz.
»Ich versuche bloß, euch alle ein wenig aufzuheitern, indem ich darauf hinweise, dass vielleicht 200 Millionen Menschen sterben mögen und die Welt vor die Hunde geht, doch wenigstens sind wir selbst mit heilen Ärschen und nach wie vor beiden Eiern aus dieser Araberhölle entkommen. Und zwar ohne dass wir jetzt in irgendwelche Plumpsklos voller Fliegen kacken müssten – also Missionsziel erreicht. Stimmt’s, oder hab ich recht?«
Fast alle lachen, aber der Sergeant steht schon vor McLeod, der ruckartig Haltung annimmt und geradeaus ins Leere starrt, während er sich bemüht, den Mund geschlossen zu halten und verschämt ein Lächeln unterdrückt. Ruiz tritt noch näher, sodass nur wenige Zentimeter Abstand zwischen ihnen bleiben. Seine Augen fordern eine Entschuldigung, doch McLeod bleibt respektvoll ausdruckslos. Letztlich schüttelt der Sergeant den Kopf übertrieben angewidert und entfernt sich.
»Vamos, Ladys!«
Nachdem Ruiz den Saal verlassen hat, klopft Williams McLeod auf den Rücken. Ihre Freundschaft reicht bis zur Grundausbildung zurück, in der sie den Ernstfall Seite an Seite übten. Oftmals trug McLeod die Schuld daran, wenn sie Liegestützen verrichten mussten oder zum Latrinenputzen verdonnert wurden. Entweder waren sie im Unterricht eingenickt oder hatten die Ausbilder anderweitig verärgert.
»Wenn du weiterhin den Quertreiber spielst, wird dir Magilla ordentlich den Arsch aufreißen, Alter«, stellt Williams in Aussicht. Er meint es ernst: Ruiz ist ein redegewandter und umsichtiger Unteroffizier, jedoch mit nur kurzem Geduldsfaden, und dank seines ständigen Trainings präsentiert er einen derart muskelbepackten Körper, dass er an eine Bulldogge erinnert. Die Soldaten nennen ihn insgeheim Magilla, kurz für die Cartoonfigur Magilla Gorilla.
McLeod quittiert die Warnung mit überzeichnetem Achselzucken.
Als Boyd wieder anfängt, vor sich hinzumurmeln, während er langsam sein Rüstzeug anlegt, blafft Corporal Hicks ihn an: »Reiß dich zusammen, Rick. Fast jeder in diesem Platoon hat jemanden dort draußen, der infiziert wurde.«
»Ich sollte bei ihnen sein«, klagt Boyd. »Sie sind alles, was ich auf dieser Welt habe.«
»Wenn wir zielstrebig bleiben, stehen wir das durch, und damit meine ich uns alle. Wenn der Verband anfängt, sich aufzulösen, weil jeder seinen eigenen Kopf durchsetzen will … tja, dann möge uns Gott beistehen, denn in dem Fall sind wir definitiv geliefert. Die Lage wird sich nämlich noch deutlich zuspitzen, bevor sie sich entspannt. Bis es so weit ist, freundet euch mit dem Schmerz an, und er wird euch Stärke verleihen.«
McLeod grinst. »Wäre es nicht cool, wenn Lyssa dem Sergeant die Birne weich kochen würde, sodass er die Tollwut kriegt? ›Schafft euren Allerwertesten aus der Horizontalen und zieht euch an, Ladys!‹ Wau, Wau!«
Die Jungs brechen in schallendes Gelächter aus.
Ich mach euch fertig, ihr Schweine!
Sergeant McGraw brüllt »Gruppe in Reihe, Bewegung!« und sieht zu, wie sich seine Männer nebeneinander