G.F. Barner

G.F. Barner 1 – Western


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glaubte er durch gleißendes helles Feuer Corton als Riesengestalt vor sich zu sehen.

      Ein Baumstamm, der in Wirklichkeit Cortons Faust war, schoss auf Jakes Gesicht zu. Das war das letzte, was er sah. Der Baumstamm traf seinen Kopf.

      *

      Jake Margley stöhnte. Was auf seinen Kopf rann, musste lauwarmes Wasser sein. Wieder hatte er das Gefühl, an beiden Armen gehalten zu werden. Blinzelnd, Schmerzen überall und auf einem Auge vollständig blind, sah er tiefe Furchen und Sand vor sich.

      Jemand hielt ihn, er lag auf den Knien, und als es ihm etwas besser ging, hob er den Kopf. Im nächsten Augenblick wusste er, wo er jetzt war. Dies war die Gabelung des Weges, der vom alten Rio Bravo-Bett nach Norden auf die Weide der Sewards führte.

      Es gab im Buschgelände nur diese eine Lichtung, über die der Weg zu den Sewards lief. Linker Hand standen die vier Rinder, rechts von Margley der Wagen.

      Es war der alte, einspännige Buggy, den nur ein Mann fuhr, Bill Seward. Seward war ein Mann von über siebzig Jahren. Er war so unwahrscheinlich dürr und knochig, seine Haut so faltig und zerknittert, dass man Seward seit einem Jahrzehnt nur noch die »Mumie« nannte.

      »Er kann sehen, Corton?«, fragte die Mumie einen Augenblick später. Seine Stimme schien aus einem Grab zu kommen, so hohl klang sie.

      »Er kann sehen, Boss«, erwiderte Corton knapp.

      »Das ist gut«, stellte der Alte fest.

      Seine dunklen Augen flammten voller Hass auf, als er Jake ansah. Dann hob er die Knochenhand, deren Haut wie Pergament mit braunen Flecken aussah, und deutete auf die vier Rinder. »Erschießen, Harris.«

      Jake wollte etwas sagen, brachte aber nur ein Lallen zustande. Seine Lippen waren so geschwollen, dass er nicht reden konnte.

      »Alle, Boss?«, fragte Harris.

      »Alle, erschieß sie!«, schrillte es von Sewards Lippen.

      Nach seinen Worten herrschte einen Augenblick gespenstische Stille, bis Harris durchlud und das Schnappen des Gewehrverschlusses ertönte. Dann brüllte der erste Schuss auf, dem drei andere blitzschnell folgten. Die Schüsse verklangen, ehe der letzte Körper zu Boden dröhnte.

      Jake stierte benommen und entsetzt auf die am Boden liegenden vier Rinder. Zwei schlugen noch mit den Hufen, und Harris feuerte noch zweimal. Dann lagen sie still.

      »Das – werden Sie – bezahlen«, ächzte Jake, dem der Schock die Sprache wiedergab. »Seward, was hatten Ihnen die Rinder getan?«

      »Margley-Rinder!«, schrillte der Alte, und sein dünnlippiger Mund zuckte wie im Krampf. »Ich erschieße alles, was von den Margleys, diesem Mördergesindel, auf mein Land kommt – egal ob Rinder oder Männer – ich töte euch alle, wie ihr meinen einzigen Sohn getötet habt – ihr Mörder – ihr Mörder und Banditen – ihr Mörder.«

      Die unheimliche Stimme überschlug sich jetzt. Der Alte hatte plötzlich hektische rote Flecken auf den fahlen Wangen. Seine knochige Hand zitterte so heftig, dass sie zuckend auf und nieder fuhr.

      Er ist wahnsinnig, dachte Jake entsetzt, er ist verrückt. Dad hat es gesagt, und es ist wahr, er ist tatsächlich verrückt vor Hass.

      Nach diesem Ausbruch krümmte sich Seward zusammen und stierte vor sich hin, eine Reihe lallender Laute ausstoßend. Dann hob er wieder den Kopf. »Corton, bringt diesen Mörderjungen an den Wagen!«

      Seine Stimme nahm nun wieder den hohlen, dumpfen Klang an. Er wartete, bis seine Männer Jake an den Wagen geschleift hatten.

      »Er soll stehen!«, befahl er.

      Der Blick der unheimlichen Augen ließ Jake frösteln. Dass sich Seward niemals mit dem Tod seines einzigen Sohnes vor mehr als zwanzig Jahren abgefunden hatte, wusste jeder. Dass sein Hass aber immer noch so frisch und brennend wie am ersten Tag nach Anthonys Tod war, hatte keiner der Margleys geahnt, obgleich Sewards Gemeinheiten nie ein Ende genommen hatten.

      »Ich sollte dich totschießen und zu deinem Vater schicken lassen!«, schrillte der Alte. »So hat er mir einmal meinen guten Sohn geschickt, aber ich bin kein Mörder wie dein Vater. Bring nie wieder Rinder auf mein Land, du Mörderjunge!«

      Seine Hand hob sich, und Jake sah den Peitschenstiel zucken. Dann traf ihn der Hieb und löschte sein Bewusstsein wieder aus. Dass er zu Boden stürzte, spürte er nicht mehr.

      *

      Er hörte das Prusten von Pferden, Jemand rief seinen Namen dicht an seinem Ohr. Wasser rann kalt und belebend über sein Gesicht und seine Brust.

      Jake Margleys erster Blick ging auf die dünnen Fahnen der Wolken am Himmel, die einen Sturm ankündeten. Die Erinnerung setzte jetzt ein. Er wusste, dass er getaumelt, gekrochen, umgefallen und wieder gekrochen war. Es gab nur noch eine Wasserstelle am Rio Bravo, zu der er gewollt hatte. Jetzt war er dort, aber jemand stand über ihm – ein Mann mit einem grauweißen Bart und hellen, scharfen Augen.

      Jake Margley schloss die Augen, als er die Sonne am Himmel sah. Sie stand senkrecht über ihm, es war also Mittag, und er erinnerte sich, dass es früher Vormittag gewesen war, als er auf Harris gestoßen war. Seitdem mussten drei Stunden vergangen sein.

      »Jake, trink das aus.«

      Er gehorchte. Feuer schien in seinen Hals zu schießen. Sein Mund öffnete sich weit, keuchend holte er Atem. Dann riss er, indem er den Kopf wendete, die Augen weit auf. Nun merkte er, wie hoch er lag. Unter ihm war der Seitenbügel eines Wagensitzes, sein Blick fiel auf ein schmales, hohes Rad und dann auf den Boden. Als er den Mann kommen sah, der in seinem Hut Wasser trug, schüttelte er seufzend den Kopf.

      »Hallo, Mr Cameron«, brachte Jake mühsam heraus. »Genug Wasser – es – geht mir schon besser.«

      »Besser?«, fragte Big Jim Cameron mit unterdrücktem Zorn. »Sewards Burschen?«

      Jake nickte schwerfällig. Er stemmte sich mithilfe Big Jim Camerons auf, aber ihm wurde sofort schwindlig. Nur die Rücklehne des Wagensitzes verhinderte, dass er vom Wagen kippte. Sich anklammernd, überwand er die erste schlimme Minute, bis sich nichts mehr um ihn drehte. Sein Blick wanderte über den Weg, die Wasserstelle – und weitete sich, als er Cinthia Cameron drüben stehen sah. Sie tränkte sein Pferd.

      »Wir haben es eingefangen«, brummte Cameron. Er kniff die Brauen zusammen und sah finster nach Osten. »War Harris dabei, Jake?«

      »Sie kamen mit vier Mann, zuerst Harris«, berichtete Jake langsam. »Denke nicht, dass es Zufall war. Sie müssen mit Seward auf dem Weg zur Stadt oder in umgekehrter Richtung unterwegs gewesen sein. Zuerst tauchte nur Harris auf – er schoss auf mich …«

      Er erzählte, was passiert war, und Big Jim Camerons Gesicht verdüsterte sich vor Grimm.

      Cameron, dem das meiste Land im Gebiet der sieben Flüsse gehörte, hörte ihm schweigend, aber mit wachsendem Grimm zu. Die Camerons hatten sich vor über dreißig Jahren hier angesiedelt. Jake konnte sich noch an den alten Major Cameron, Big Jims Vater, erinnern, dessen Härte und Gerechtigkeit bekannt, aber auch gefürchtet gewesen war. Der alte Major war einer jener Männer gewesen, die die Unabhängigkeit von Texas ausgerufen und gegen die Mexikaner verteidigt hatten.

      »So«, knurrte Big Jim schließlich. »Bill, diese alte Mumie, war also auch dabei? Sicher sahen sie dich kommen, Junge, und er dachte sich eine neue Teufelei aus.«

      »Er sagte, er wäre kein Mörder wie mein Vater, sonst würde er mich auch tot zu meinem Vater bringen lassen«, ächzte Jake bitter. »Mr Cameron, er saß wie ein alter Geier auf seinem Wagen und starrte mich an wie ein Verrückter.«

      Big Jim Cameron fluchte leise, ehe er in die Tasche griff und sich eine Zigarre nahm. Als sie brannte, knurrte er: »Verrückt war er immer schon – und je älter er wird, desto schlimmer ist es. Dein Vater ein Mörder, hol Seward der Teufel.«

      »Mr Cameron – Dad hat doch Anthony Seward erschossen.«

      »Sicher«, gab Big Jim nach einem Augenblick finsteren Schweigens