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PEDRO OLALLA
Die ausgegrabene
Demokratie
Ein politischer Spaziergang
durch Athen
Aus dem Spanischen von
Matthias Strobel
»… ῾Eλλάς ἅπασα μετέωρος ἦν«
»… das ganze übrige Hellas war in Spannung.«
Thukydides
Der Peloponnesische Krieg, 2.81
ANMERKUNG DES AUTORS
Dieses Buch entstand zwischen 2010 und 2014, als Griechenland zusammenbrach. Alle hier versammelten Ideen sind geprägt von den damaligen Ereignissen, von der Auseinandersetzung mit dem antiken und dem heutigen Athen, von der täglichen Erfahrung von Missbrauch, Lüge, Passivität, Ohnmacht und Ungerechtigkeit. Was den historischen, archäologischen und philologischen Inhalt betrifft, so haben keine Fakten ihren Weg in dieses Werk gefunden, die nicht mit Quellen belegt sind oder auf vertrauenswürdiger Forschung beruhen. Allein die persönlichen Meinungen schweben schwerelos – auch sie in Spannung – über dem Gewissen des Autors.
AN DER STOA DES ZEUS ELEUTHERIOS
BEI DEN SCHUTZGÖTTINNEN DER IONIER
VOR DEM DENKMAL DER EPONYMEN HEROEN
AN DEN ÜBERRESTEN DES »BOULEUTERION« UND DES »METROON«
IM ALTEN STADTVIERTEL DER MARMORSCHLEIFER
ZURÜCK ZUM STADTVIERTEL KERAMEIKOS
AUF DEN STRASSEN VON MONASTIRAKI
KREUZUNG ERMOU- UND AIOLOU-STRASSE
AUF DEN STRASSEN HINAUF ZUM PARLAMENT
NYMPHENHÜGEL
Da oben, hinter dem tiefsten Blau, liegt der geheimnisvolle feinstoffliche Äther. Darunter die durchsichtige, quirlige Luft. Und dann, je weiter man den Blick senkt, verschwimmt das Blau zu einer goldenen Klarheit, die sich auf die zarte Linie der Gipfel legt. Es ist das tò attikón fos, das legendäre Licht Attikas, das die Farbe der Haut entflammt, das Weiß der Berge und das Grün der Pinien und Zypressen. Noch weiter unten, in der Ferne, taucht die Küste des Peloponnes auf, der Umriss der Insel Ägina – mit der blauen Pyramide des Oros –, Angistri und die Meerenge von Metope, der Golf von Saronikos, der Hügel des antiken Munychia, Salamis, die Berge Parnitha und Egaleo; und weiter rechts der Pendeli, der Lykabettus, die Akropolis, der Hymettos, der Musenhügel. Unterhalb dieses natürlichen Horizonts erstreckt sich die Stadt: eine riesige Stadt, die wie eine Flutwelle von der Küste herauf bis zu den Bergen schwappt und sich an den Klippen des Nymphenhügels bricht; eine wahrlich weiße Stadt, in deren Rissen sich die Errungenschaften der Vergangenheit und die Ängste der Gegenwart offenbaren; eine merkwürdige Stadt, die vor Jahrtausenden Ideale aufzeigte, die auch heute noch revolutionär sind.
Zweifellos ist da unten, in der Stadt, Griechenland; und auch in dem Meer dahinter, das Inspiration war für die ersten geschriebenen Worte über das Meer; und auch in dem dürren Boden, auf dem ich stehe, der noch immer Scherben seiner zerbrochenen Erinnerung freigibt. Doch vor allem ist Griechenland als Vermächtnis, Auftrag und Wille in dieser geschichteten, schwerelosen Luft wie eine Heimat des Geistes.
»῾Eλλάς ἅπασα μετέωρος ἦν« (Hellàs hápasa metéōros ên),2 schrieb Thukydides: »… ganz Griechenland war in Spannung.« Metéoros meint das, was in der Luft liegt, hängt, schwebt; auch das, was ungewiss ist, seiner Erfüllung harrt. In Spannung also war dem Geschichtsschreiber nach ganz Griechenland, als Sparta auf Athen vorrückte, über diese bläulichen Hügel, die man da hinten sieht, mit kühnen, arglosen, zum Krieg entschlossenen jungen Männern in beiden Lagern. Auch heute noch ist Griechenland, das gleichermaßen Land ist wie ethische Herausforderung, in Spannung, in der Schwebe. Geplagt von Ungewissheit, der Erfüllung harrend. Und wie seit jeher: bedroht.
Zunächst gilt