Kelly Stevens

Bimini-Songs


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zu mir.« Alex, immer noch barfuß, steht vor dem Bett und breitet seine Arme aus. Widerwillig gehe ich auf ihn zu. Er legt die Arme um mich, sehr vorsichtig. Ich verspanne mich sofort. Er seufzt. »Du nimmst das alles viel zu ernst. Man darf im Leben auch mal Spaß haben.«

      Ich schnaufe verächtlich, um meine Nervosität zu verbergen.

      »Gibt es irgendetwas, das ich wissen sollte?«

      Am besten schrecke ich ihn direkt ab. Genüsslich zähle ich an den Fingern auf: »Ich bin ein Kontrollfreak. Ich brauche täglich meinen Sport. Versuche morgens nie mit mir zu diskutieren, bevor ich nicht die erste Tasse Kaffee getrunken habe. Wenn ich in die Ecke gedrängt werde, ergreife ich die Flucht oder kämpfe gnadenlos. Also glaub bloß nicht, dass du leichtes Spiel mit mir hast.«

      »Eigentlich hatte ich mehr an sexuelle Präferenzen und Abneigungen gedacht«, antwortet Alex sarkastisch.

      Weil es mir die Sprache verschlagen hat, zucke ich gespielt nonchalant mit den Schultern und schaue ihn fragend an. Seine grünen Augen funkeln belustigt. »Oh, ich bin easy. Ich liebe Sex, je mehr, desto besser, und in so ziemlich allen Variationen.«

      »Ja, so was in der Art hatte ich schon gelesen.« Darüber hatte Trish mir jedenfalls mehr Artikel herausgesucht als über seine Musik. Ich sehe ihn herausfordernd an. Cool bleiben, ermahne ich mich selbst. »Aber ich nicht. Ich scheine eine Abneigung gegen Sex zu haben.« Nicht, dass er zu viel erwartet und ich ihn enttäusche. Verglichen mit seinen ganzen Groupies und Affären bin ich quasi eine Nonne.

      »Sagt wer?«

      »Mein Ex erzählte das.« Ich blicke auf den Boden. »Meiner damaligen besten Freundin, mit der ich ihn in unserem Bett erwischt hatte.«

      »Aha.« Er klingt nicht überzeugt, eher amüsiert. »Na, solange deine Abneigung nur gegen Sex und nicht gegen mich besteht …?«

      Was dann?, will ich fragen, sehe ihn aber nur wachsam an. Bietet er mir gerade ein Schlupfloch?

      Doch der Moment ist schnell vorbei, und gleich darauf wird Alex ganz geschäftsmäßig. »Okay, ein paar Regeln: Keine Fotos, keine Videos, keine Tonmitschnitte, keine Fragen über mein Privatleben. Das Studio ist tabu – wenn ich Songs schreibe oder aufnehme, will ich auf keinen Fall gestört werden. Außerhalb des Studios können wir es von mir aus Tag und Nacht treiben, aber du fasst mich nicht an. Niemals.«

      Zu sagen, dass ich verwirrt bin, wäre noch zu mild ausgedrückt. »Ich soll dich nicht anfassen?«

      »Genau.«

      Ich überlege, ob ich nach dem Grund fragen soll, lasse es aber bleiben, als mir einfällt, dass Alex mir hier gerade – aus welchem Grund auch immer – ungeplant die Lösung meines Problems präsentiert hat: Wenn er nicht erwartet, dass ich aktiv werde, dürfte ihm auch nicht auffallen, wie unerfahren und schlecht ich im Bett bin. Perfekt.

      »Und du küsst mich nicht. Niemals«, setze ich noch einen drauf.

      »Autsch«, knurrt er. »Du glaubst wohl nicht an Betäubung vor der Operation am offenen Herzen.«

      Ein paar Sekunden starren wir uns grimmig an.

      »Das wird nie und nimmer funktionieren«, sage ich überzeugt. »Spätestens morgen schmeißt du mich raus oder bringst mich um.«

      »Du bist ja noch durchgeknallter als ich«, sagt er.

      »Ich gehe jetzt duschen«, entgegne ich. Das letzte, was ich von ihm sehe, ist, wie er auf dem Bett sitzt und sich die Haare rauft.

      Zwanzig Minuten später – ich habe mich beeilt, weil ich die Ungewissheit noch unerträglicher finde als eine erneute Konfrontation mit ihm – komme ich mit Slip und einem langen T-Shirt bekleidet aus dem Bad. Um meine nassen Haare habe ich ein Handtuch geschlungen.

      Alex sitzt noch immer auf dem Bett. Als er mich sieht, legt er sein Smartphone zur Seite. Auf dem Nachttisch liegt ein Roman und eine Handvoll Kondome. Ich fröstele, obwohl der Raum wirklich warm ist.

      »Hast du es dir anders überlegt?«

      Am liebsten würde ich ja sagen, aber stattdessen beiße ich mir auf die Unterlippe.

      »Angst?«

      »Niemals!«, antworte ich trotzig und viel zu schnell.

      Er hebt einladend die Decke an.

      Ich kann das. Millionen Frauen machen das – sich zurücklegen und an England denken. Oder an ihren Artikel.

      »Entspann dich doch mal«, sagt er, als er mein Zögern bemerkt. »Keine Verpflichtungen, nur ein bisschen Spaß. Was auf Bimini passiert, bleibt auf Bimini.«

      »Was würde denn ein Groupie jetzt machen?«, frage ich patzig.

      »Sie würde innerhalb von ein paar Sekunden strippen und fragen, ob sie mir einen blasen soll oder ob ich Lust habe, sie und ihre Freundin gleichzeitig zu vögeln.«

      Ich glaube, ich kann das doch nicht. »Das ist pervers. Lieber schmore ich in der Hölle.«

      »Warst du schon mal da, dass du dir da so sicher bist?«

      »Ich lebe jeden Tag darin«, antworte ich ruhig.

      »Wir werden sehen«, sagt er nur.

      Erwachen

      Ich wache auf, weil es hell ist. Vögel zwitschern. Vorsichtig öffne ich ein Auge: Ich liege in der Mitte eines großen Bettes. Allein. Durch geöffnete Balkontüren sieht man ein Stück bedeckten Himmel.

      Das letzte, an das ich mich erinnere, war, dass ich mich mit dem Rücken zu Alex am Bettrand zusammengerollt hatte und dass er noch mal schnell ins Bad wollte.

      Dem Licht nach muss es inzwischen Morgen sein. Ich hatte nicht erwartet, dass ich nach den Ereignissen des gestrigen Tages einfach so einschlafen könnte, aber genau das scheint geschehen zu sein, denn ich trage immer noch meinen Slip und das lange T-Shirt, selbst wenn es inzwischen auf Taillenhöhe hochgerutscht ist. Automatisch ziehe ich es wieder herunter und richte mich auf. Vom Balkon sind Geräusche zu hören.

      Ich schwinge die Beine über die Bettkante und gehe Richtung Fensterfront. Eine hölzerne Flügeltür führt auf den großen, überdachten Balkon, der über der Veranda liegt. Er hat an den Seiten halbhohe Trennwände und wirkt dadurch wie eine Privatloge.

      Vom Fenster aus kann ich das Meer sehen. Und Alex, der auf dem Balkon Liegestütze macht. Er trägt nur eine dunkelgrüne Sporthose. Die Muskeln seiner Arme und Schultern treten deutlich hervor. Am linken Oberarm hat er ein Tattoo, ein Tribal. Seine Bewegungen sind geschmeidig und mühelos, obwohl ihm schon der Schweiß herunter rinnt. Er ist wirklich gut in Form.

      »Wer spannt, kann auch mitmachen.«

      Ich erschrecke. Alex wirkte so konzentriert, dass ich dachte, er hätte mich nicht bemerkt. »Nein, danke.«

      »Komm schon, ein paar Dehn- und Kraftübungen?«

      Die sexuelle Anspielung ist nicht zu überhören. Aber er wird sein blaues Wunder erleben, ich bin nämlich wirklich sportlich. »Okay, Liegestütze? Wer mehr schafft?«

      Er sieht mich mit einem unergründlichen Ausdruck an, dann zuckt er mit den Schultern. »Von mir aus. Du gibst das Tempo vor.«

      Ich nehme neben ihm Stellung ein und zähle. Nicht umsonst habe ich mein Studium als Trainerin in diversen Sportstudios verdient.

      »Dreißig.« Inzwischen schwitze ich genauso stark wie er. Das muss an der Hitze liegen. Ich zähle weiter, die Zahlen mühsam zwischen den Zähnen herauspressend. Neben mir hält Alex scheinbar ohne