Ergebnisse der Missionsstudie werden hier kurz dargestellt. Das Forschungsprojekt wurde am Institut für Weltkirche und Mission an der Philosophisch-Theologischen Hochschule St. Georgen, Frankfurt am Main, durchgeführt und versteht sich als eine innovative Grundlagenforschung in der deutschsprachigen Missionswissenschaft. (Redaktion)
1 Einführung
Der Missionsbegriff hat im biblischen und theologischen Sprachgebrauch eine lange Geschichte. Grundsätzlich bedeutet er „Sendung“. Mission und die missionarische Tätigkeit der Kirche gehören zum Proprium Christianum – sie konstituieren Kirche-Sein. Nach knapp zweitausend Jahren Missionsgeschichte begann nach dem II. Vatikanischen Konzil eine Distanzierungstendenz vom Missionsbegriff. Mission wurde mit einem impliziten Hegemonialanspruch auf religiöse Wahrheit in Verbindung gebracht, der im Zeitalter des globalen religiösen Pluralismus und des interreligiösen Dialogs unpassend zu sein schien. Hinzu traten weitere Belastungen des Begriffs durch das missionarische Vorgehen in der Neuzeit und im Zeitalter des Imperialismus, bei dem häufig ein eurozentrischer Zivilisationsanspruch erhoben wurde. Mission stand vermeintlich für ideologische Indoktrination und kulturelle Expansion. Demzufolge wurde der Missionsbegriff in den theologischen Diskursen zum historisch belasteten Begriff. Häufig wurde er deshalb durch andere Begriffe (z. B. Evangelisierung) ersetzt. Diese Tendenz, den Missionsbegriff im kirchlich-theologischen Sprachgebrauch zu ersetzen oder zu vermeiden, wirkt bis in unsere Tage herein. Eine ungeschönte Bestandsaufnahme der gegenwärtigen Forschung in Deutschland macht es deutlich: Während andere wissenschaftliche Disziplinen (z. B. Geschichtswissenschaften, Soziologie, Ethnologie) ein reges Interesse an dem Phänomen der Mission bekunden, findet in der deutschsprachigen Theologie lediglich eine marginale missionswissenschaftliche Grundlagenforschung statt.1
Jedoch erfährt der Missionsbegriff unter dem gegenwärtigen Pontifikat ein Comeback im deutschsprachigen Raum. Grund dafür ist, dass Papst Franziskus die pastoralen Konsequenzen der Inkarnationslogik und des Christusereignisses unter dem Begriff der Mission bündelt. In seinem Verständnis soll die Kirche „ein[en] Zustand der permanenten Mission“ (EG 25) verkörpern. Auch wenn es im deutschsprachigen Raum derzeit nicht an Bemühungen fehlt, den Begriff zu rehabilitieren, und ihn als theologischen Terminus im fachspezifischen Sprachgebrauch neu zu etablieren, wird immer wieder an die belastete Vergangenheit und sogar Gegenwart des Begriffes und der Missionspraxis erinnert.2 Ist aber der Missionsbegriff heute tatsächlich noch belastet? Und was meinen die Menschen in Deutschland und darüber hinaus, wenn das Wort „Mission“ im Alltag fällt?
2 „Missionsstudie 16“
Obwohl in der theologischen Fachliteratur immer wieder auf die Altlast des Missionsbegriffes und die mit dem Begriff verbundenen negativen Assoziationen, die er bei den Menschen erwecke, hingewiesen wird, hat sich noch keine empirische Studie mit der Frage befasst, was Menschen heute tatsächlich über Mission denken. Um diesen Mangel zu beseitigen und das bisher nicht nachgewiesene Axiom hinsichtlich eines belasteten Missionsbegriffes auf seine Gültigkeit hin zu überprüfen, wurde am Institut für Weltkirche und Mission an der Theologisch-Philosophischen Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt am Main im Rahmen des Drittmittelprojektes „Entwicklung eines integralen Missionsbegriffes“ die „Missionsstudie 16“ in sieben Sprachen initiiert.3 Die Studie wollte – den wissenschaftlichen Standards der empirischen Forschung entsprechend – aufdecken, wie Menschen heute Mission verstehen und wie sie zu ihrem persönlichen Missionsverständnis gelangen. Genauerhin wurde untersucht, wie der Begriff „Mission“ im kirchlichen Kontext erlebt und verstanden wird, welche Assoziationen der Begriff bei den Gläubigen erweckt und – nicht zuletzt – inwiefern Gläubige ihre eigene Religionspraxis als Missionspraxis verstehen.
Von März bis November 2016 wurde die „Missionsstudie 16“ online in sieben Sprachen durchgeführt. 1098 Personen haben sich weltweit an der Umfrage beteiligt, 1025 Antworten konnten bei der Auswertung berücksichtigt werden. Die Forschungsstrategie bestand in der abwechselnden Anwendung von qualitativen und quantitativen Befragungsmethoden (Triangulierung). Durch diese Hybridisierung der Methoden war die Glaubwürdigkeit der Studie gesichert. Für sich allein wäre die quantitative Methode angesichts der geringen Anzahl der Befragten vage geblieben. Dank der Mischung von Methoden konnten quantitativ erkannte Tendenzen verfeinert und die praktische Plausibilität der Erkenntnisse gesteigert werden. Um das persönliche Missionsverständnis der Befragten zu erkunden, wurden drei Cluster mit jeweils 10 Variablen und insgesamt 173 Items erstellt.
2.1 Das Studiendesign
Die Untersuchungsvariablen waren auf drei Grundsatzfragen hin ausgearbeitet, was es später ermöglichte, die Antworten entsprechend zu gruppieren. Die drei Grundsatzfragen lauteten:
– Ist Mission ein harmonischer Begriff, der die Liebe Gottes zu den Menschen und die Nächstenliebe zum Ausdruck bringt?
– Ist Mission ein belasteter Begriff mit dem Beigeschmack einer Kirche des heilspessimistischen Erfassens?
– Wie missioniert man heute: Ist Mission Verkündigung, caritatives Tun oder sowohl als auch?
Im Folgenden werden in einem ersten Schritt die Ergebnisse der deskriptiven Statistiken präsentiert, die uns erlauben, ein allgemeines Bild vom Missionsverständnis der Befragten zu zeichnen. In einem zweiten Schritt werden ausgewählte Ergebnisse der explorativen Statistik dargestellt, die Tendenzen hinsichtlich der Missionsverständnisprofile der Befragten verdeutlichen. Die Studienergebnisse in ihrer ganzen Komplexität hier darzustellen, würde den Rahmen dieses Beitrages sprengen. Demnach erheben die Darstellungen im Folgenden keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Eine detaillierte Darstellung mit allen Ergebnissen der Studie wird im Herbst 2020 veröffentlicht.4
2.2 Deskriptive Statistik
2.2.1 Herkunft der Befragten
Das Missionsverständnis im deutschsprachigen Raum darzustellen, das überdies einen kleinen Einblick in andere gesellschaftliche Kontexte ermöglicht, macht es notwendig, zunächst die Herkunft der Befragten aufzuschlüsseln (Abb. 1). 56 % der Befragten kommen aus dem deutschsprachigen Raum: aus Deutschland, aus Österreich und aus der Schweiz. Die zweitgrößte Gruppe der Befragten lebt in Osteuropa (26 %). In dieser Gruppe bilden Befragte aus Ungarn, aus Rumänien, aus Serbien und aus Polen eine Mehrheit. Kleine Gruppen der Osteuropäer leben in Albanien, in Mazedonien oder im Kosovo. Aus Westeuropa (ohne den deutschsprachigen Raum) kommen weitere 5 % der Befragten. In Südamerika leben 4 % der Befragten. An der Befragung haben sich mit je einer kleinen Gruppe auch Asien (3 %), Nordamerika (2 %), Afrika (3 %) und Australien (1 %) beteiligt. Hinsichtlich der Gewichtung der Ergebnisse sind demzufolge Befragte aus dem deutschsprachigen Raum sowie Befragte aus Osteuropa vorherrschend.5
Abb. 1: Herkunft der Befragten
2.2.2 Berufsprofil der Beteiligten
Für die hier angestrebte kurze Darstellung der wichtigsten Ergebnisse der „Missionsstudie 16“ ist die berufliche Einordnung der Befragten ebenso relevant (Abb. 2). Im beruflichen Feld können zunächst einmal folgende Gruppen genannt werden: Die „Berufskirche“, die „Alltagskirche“ und die „Theoretische-Kirche“. Die „Berufskirche“ bilden Seelsorgerinnen und Seelsorger, Priester, Laien und Bischöfe, die hauptamtlich in der Kirche tätig sind. 17 % der Befragten sind geweihte Personen (Diakone, Priester, Bischöfe sowie Ordensangehörige), 18 % der Befragten sind Laien im kirchlichen Dienst. Eine weitere Gruppe ist jene der „Theoretischen-Kirche“. Dazu gehören Theologinnen und Theologen, die sich an der Umfrage beteiligt haben (13 %).6 Zur Gruppe der „Alltagskirche“ zählen die getauften Christinnen und Christen, die nicht hauptamtlich in der Kirche tätig sind und nicht im akademischen Umfeld arbeiten. Ihr gehören 52 % der Beteiligten an.