entgeht nicht, wie sich alles an Louis anspannt. »Tut mir wirklich leid. Kommt nicht mehr vor.«
Jill stößt mich leicht mit dem Ellenbogen an. »Das gibt’s nicht«, raunt sie mir zu. »Beide in unserem Kurs? Aber wieso kann Finigan Louis nicht leiden?«
Keine Ahnung. Wie er Louis ansieht. Merkwürdig.
»Das will ich meinen. Wenn du gegen die Regeln verstößt, hat das Konsequenzen, dann muss ich das melden«, sagt Mr Finigan strenger, als wir es von ihm gewohnt sind. »In meinem Kurs lasse ich mir nicht auf der Nase herumtanzen. Aber gut, setz dich, in der letzten Reihe ist noch ein Platz frei.«
Louis’ Blick wandert durch die Reihen, und als er an Nathan hängen bleibt, verengen sich seine Augen zu Schlitzen. Eines ist klar, die beiden mögen sich nicht, das ist mehr als offensichtlich. Als Louis dann mich entdeckt, weiten sich seine Augen wieder für einen Moment. Sie haften auf mir, eine Sekunde, zwei, in denen mein Herz heftig klopft. Doch dann sieht er weg und geht an mir vorbei, den Blick starr nach vorn gerichtet. Zurück bleibt der Duft, der von ihm ausgeht. Louis riecht wirklich gut, nach Zedernholz und etwas, das mir vertraut ist und Wärme in mir auslöst. Das war schon auf der Tower Bridge so. Kurz sehe ich in seine Richtung, aber er scheint bemüht, mich möglichst nicht zu beachten.
Die Stunde vergeht, und Mr Finigan erzählt nun von Earls und Dukes, nennt viele Jahreszahlen, doch ich kann mich nur schwer darauf konzentrieren. Denn irgendwann fällt mir auf, dass Nathan mir immer wieder Blicke zuwirft, was irgendwie schon schmeichelhaft ist, mich aber auch ein bisschen nervös macht. Er sieht gut aus, doch ich weiß ihn gar nicht einzuschätzen. Das Verhalten seines Vaters fand ich schon ein bisschen heftig. Was hat Louis denn so Schlimmes getan, dass sein Vater deswegen hier aufkreuzen und so einen Aufstand veranstalten musste?
»Du scheinst ihm sehr zu gefallen«, flüstert Jill, der Nathans Blicke natürlich auch nicht entgangen sind, mir irgendwann ins Ohr. »Die Frage ist nur, was er hat.« Sie nickt unauffällig in Louis’ Richtung, der nach wie vor angespannt auf seinem Platz sitzt. »Was da wohl zwischen den beiden los ist?«
Als es schließlich zur Pause klingelt, stehen alle auf. Auch Louis packt seine Sachen zusammen und will eilig an mir vorbeihuschen, dabei streift er mich ungewollt. Sofort ist da wieder dieses Kribbeln, das meinen ganzen Körper durchfährt, und ich glaube, erneut einen Funken wahrzunehmen. Unsere Blicke treffen sich für die Dauer eines Wimpernschlags, doch dann wendet er sich ab und hetzt aus dem Zimmer.
Was war das denn schon wieder? Fast wie ein elektrischer Schlag. Aua. Oder habe ich mir das nur eingebildet? Werde ich jetzt langsam verrückt? Er scheint jedenfalls von alledem nichts mitzubekommen. Wirklich merkwürdig. Irgendwie ist es ziemlich geladen zwischen uns …
»Der kann es ja kaum erwarten, hier rauszukommen«, bemerkt Jill neben mir. Gut, so wie Mr Finigan Louis behandelt hat, kann ich es auch irgendwie verstehen. Er kommt neu auf die Schule und dann so etwas.
Ich verstaue gerade meinen Geschichtsordner in der Tasche, als Nathan vor unserem Tisch auftaucht und mich anlächelt. »Hi.«
»Nathan Kane ist also der freundliche Kartenspender«, mischt Jill sich sofort ein. »Ich bin Jill.«
Er greift nach ihrer Hand, die sie ihm entgegenstreckt. »Freut mich.« Dann blickt er jedoch gleich wieder zu mir. »Du hast also schon über mich gesprochen?« Wieder lächelt er, und ohne eine Antwort abzuwarten, schiebt er die nächste Frage hinterher: »Ihr kommt doch am Samstag, oder?«
»Aber klar, wir können es kaum erwarten«, entgegnet Jill an meiner Stelle.
»Hattest du bisher Spaß an deinem ersten Tag hier?«, frage ich, weil mir gerade nichts anderes einfällt.
Er lächelt mir zu. »Also, Geschichte war bisher eindeutig das Beste. Lag jetzt aber nicht am Fach.«
Flirtet er etwa mit mir?
»Und was bringt dich auf unsere Schule?«, fragt Jill ihn.
»Nun, alle Kanes haben hier ihren Abschluss gemacht«, erklärt er. »In den letzten Jahren war ich mit meinem Dad viel im Ausland unterwegs. Er hat mich samt Privatlehrer mitgenommen, weil er wollte, dass ich die Unternehmen, die er besitzt, schon einmal kennenlerne. Aber schließlich waren wir uns einig, dass es nun an der Zeit ist, dass ich in London meinen Abschluss mache.«
»Darüber musst du uns unbedingt mehr erzählen. Wollen wir vielleicht zusammen was essen? Die Cafeteria ist zwar nicht sonderlich exquisit, aber immerhin macht es satt.«
Nathan nickt. »Von mir aus gern. Amy, bist du dabei?«
Wenig später sitzen wir mit Käsepizza und Getränken in der Cafeteria.
Nathan sieht sich um. »Also, vermisst habe ich das Schulessen nicht. Die Pizza in Italien ist eindeutig besser«, stellt er fest und nimmt einen Bissen von seinem Pizzastück.
Jill fällt gleich mit der Tür ins Haus. »Das mit den Karten war jedenfalls sehr nett von dir. Bist du immer so großzügig gegenüber wildfremden Mädchen?«
Lächelnd sieht er mich an. »Okay, deine Freundin ist wirklich direkt.«
»Kann man so sagen«, pflichte ich ihm bei, nachdem ich das ziemlich zähe Stück Pizza in meinem Mund mit viel Cola hinuntergespült habe.
»Nun, nein. Amy ist mir schon auf der Tower Bridge aufgefallen«, antwortet er.
Meine Wangen werden ganz heiß. Er ist auch sehr direkt, das kann ich nicht leugnen. Wenn man eine solch bedeutende Familie hat, mangelt es einem wahrscheinlich nicht an Selbstvertrauen.
»Was hast du auf der Tower Bridge gemacht?«, will Jill wissen.
Nathan antwortet mit einer Gegenfrage. »Ich weiß nicht, ob euch bekannt ist, wofür die Familie Kane steht?«
»Soweit ich weiß, hauptsächlich für Immobilien.«
»Ja, Immobilien sind das Hauptgeschäft. Aber mein Dad ist auch an vielen anderen Firmen beteiligt. Zudem setzen wir uns als Sponsor dafür ein, wichtige Gebäude in London zu erhalten. Mein Dad liebt die Kunst und alles Historische. Deswegen war ich auch auf der Tower Bridge. Ich habe dort sozusagen meinen Dad in einer wichtigen Sache vertreten. Die Brücken und all das, was London ausmacht, soll ja auch erhalten bleiben.«
Okay, als ob London die Brücken abreißen würde, denke ich, sage aber: »Und wie bist du an die Karten fürs Closer gekommen? Gehört deinem Vater zufällig auch der Club?«
Er lacht und sieht mir fest in die Augen. »Nun, das ist ein Geheimnis, das ihr nur erfahrt, wenn ihr auf die Party kommt. Aber so viel vorweg: Es hat auch nicht alles mit meinem Vater zu tun.«
Nun gesellen sich Mary und Ashley zu uns und verwickeln Nathan in ein Gespräch. Mich wundert ja, dass Lilly nicht schon längst zu uns hergekommen ist – sicher weiß sie auch, wer Nathan ist. Eigentlich dachte ich, dass sie sofort versuchen würde, ihr Revier abzustecken. Immerhin ist er ja, wie Jill sagte, eine gute Partie. Doch dann entdecke ich sie zusammen mit Louis ein paar Tische weiter und spüre einen kurzen Stich im Bauch. Warum unterhält er sich gerade mit ihr? Weil sie reich ist, Juwelierstochter und nicht schlecht aussieht? Nett ist sie ja nicht gerade. Okay, das ist gemein, dennoch – anders als mir schenkt er ihr ein leichtes Lächeln und streicht sich durch die Haare, während sie noch ein wenig näher an ihn heranrückt. Na toll. Eigentlich kann es mir ja egal sein, trotzdem frage ich mich, woher diese unheimliche Anziehungskraft kommt, die Louis auf mich ausübt und die ich mir nicht erklären kann. Ich muss mich regelrecht dazu zwingen, ihn nicht anzustarren. Um nicht ertappt zu werden, sehe ich lieber rasch weg.
Nathan scheint es aber bemerkt zu haben, denn er rollt demonstrativ mit den Augen. »Der Typ ist mal wieder im Flirtmodus. Armes Mädchen.«
Was soll das denn jetzt heißen?
Mary scheint die Gelegenheit beim Schopfe packen zu wollen, um Nathan auszuquetschen. »Für mich sah es so aus, als ob dein Dad heute wegen ihm hier war. Ich habe gehört, es gibt da Probleme?«, fragt sie ihn ganz direkt, wofür ich ehrlich gesagt dankbar bin.
Er