nur auf ein spanisches Unternehmen, das sie bis zu diesem Zeitpunkt nicht im Fokus hatte, sondern sogar auf eine Branche, die nicht zwingend ihrem Studienschwerpunkt entsprach. Wie kam es dazu?
Ganz einfach: Sie fand die Mitarbeiter und die Kultur von Veeva einfach total »ansteckend«: Das Unternehmen, das wie so viele andere händeringend gut ausgebildete Fachkräfte suchte, war längst auch auf Quereinsteiger mit unkonventionellen Ideen scharf. Da passte meine Tochter für Veeva perfekt ins Bild – und umgekehrt.
Nora bewarb sich und zeigte sich auch nicht erstaunt, dass der komplette Recruiting-Prozess bei Veeva Systems online erfolgte. Neben diversen Telefonaten hatte sie in Videokonferenzen sowie Präsentationen ihre Fähigkeit unter Beweis zu stellen, sich in komplexe Plattformen und deren Funktionsweise hineinzudenken. Das erste persönliche Kennenlernen mit der Führung fand erst viel später in Kalifornien statt – vier Wochen nach ihrem Arbeitsstart. Dort wurde die jährlich stattfindende Konferenz von Veeva nicht veranstaltet, sondern regelrecht zelebriert. Dazu waren fast alle damals weltweit 1200 Mitarbeiter eingeladen. Mittlerweile sind es bereits mehr als 3000. Die äußerst aufwendige Veranstaltung in Orlando hatte unter anderem zum Ziel, den Mitarbeitern persönlich zu zeigen, wie viel Wert man auf die Talente jedes Einzelnen legt, die Mitarbeiter noch mehr zu begeistern, bisherige Erfolge zu feiern und die Zukunftspläne des Unternehmens transparent darzulegen. Dafür werden keine Kosten und Mühen gescheut.
Obwohl ich selbst bei über 100 Veranstaltungen jährlich gebucht bin und dadurch viel Einblick in den Veranstaltungsmarkt habe, ist es auch für mich noch erstaunlich, welche Wirkung die Veranstaltungen bei Veeva Systems haben. Bei so stark emotional aufgeladenen Incentives, bei denen selbst die Gründer und Vorgesetzten sich humorvoll auf der Bühne inszenieren, ist es kein Wunder, dass der Zusammenhalt untereinander, aber auch zwischen den jungen Mitarbeitern und den höchsten Chefs so stark ist. Man spürt deutlich, dass jeder Einzelne stolz ist, bei diesem Unternehmen seine Fähigkeiten beweisen zu dürfen. Die Stimmung, die Freude und die Ungezwungenheit unter den Teilnehmern sorgen dafür, dass sich jeder gut aufgehoben und wertgeschätzt fühlt.
Wichtiger als die Atmosphäre bei der Veranstaltung ist allerdings: Das ist nicht nur bei der jährlichen Party so. Eine feuchtfröhliche Weihnachtsfeier kriegt jeder hin. Die Kunst liegt bei Veeva darin, dass diese Stimmung sich auch in der täglichen Zusammenarbeit widerspiegelt, sei es persönlich oder digital. Die Begeisterung ist ansteckend und anhaltend und in höchstem Maße, ja: beeinflussend. Das Arbeitsklima ist der Beweis für die uralte These des römischen Philosophen Augustinus von Hippo: »Nur wer selbst brennt, kann Feuer in anderen entfachen.«
Versetz dich doch mal in folgende Lage: Jemand, auf dessen Urteil du vertraust, erzählt dir ganz begeistert, wie toll sich sein neuer Job anfühlt und wie umwerfend die Menschen dort miteinander umgehen. Schon allein, weil dein Gesprächspartner so enthusiastisch und begeistert davon erzählt, bist du automatisch interessiert, oder? Du möchtest das auch erleben, hast Lust dazuzugehören und dich weiterzuentwickeln. Am liebsten möchtest du mal persönlich diese frische Luft schnuppern. Wenn Menschen Leidenschaft verbreiten, werben sie für etwas Gutes. Dafür sind wir als soziale Wesen von Natur aus empfänglich. Wir wollen Teil eines tollen Unternehmens sein und mit beeindruckenden Menschen zusammenarbeiten. Bei diesem Drang handelt es sich um ein intrinsisches Bedürfnis: Nur in einer solchen Umgebung entwickeln wir uns weiter und kommen auf neue Ideen.
In der Psychologie nennt man diesen Anziehungseffekt »contagious emotions«3: Gefühle, die positiven wie die negativen, sind ansteckend. Wir haben es alle schon gehört und wahrscheinlich erlebt, wie ansteckend ein Lachen sein kann oder wie traurig es uns macht, wenn jemand weint. So mancher weint direkt mit. Verantwortlich dafür sind laut Experten die sogenannten Spiegelneuronen. Diese Nervenzellen gehören zum Resonanzsystem in unserem Körper und zeichnen dafür verantwortlich, dass wir tendenziell die emotionalen Reaktionen »spiegeln«, die wir bei unserem Gegenüber beobachten.
Bei Veeva herrscht also Ansteckungs- und Begeisterungsgefahr! Damit wären schon mal einige deutliche Unterschiede zu anderen Unternehmen benannt. Leider sind dieselben Viren in vielen anderen Unternehmen noch nicht verbreitet. Dennoch: Immer mehr Unternehmen und Führungskräfte sind bereits infiziert und damit sehr erfolgreich. Sie legen den Fokus darauf, auch ihre Mitarbeiter »anzustecken«. Sie haben die Zeichen der Zeit erkannt und haben es zu einer Mission gemacht, jeden einzelnen Mitarbeiter zu begeistern und für sich zu gewinnen.
Die Vorgehensweise dabei ähnelt sich: Der erste Schritt der Unternehmen ist es, zu zeigen, dass sie froh sind, auf die Talente und Fähigkeiten ihrer Mitarbeiter zählen zu können. Nichts motiviert und bringt unsere Gefühle auf positivere Hochtouren als diese Form von Wertschätzung. Die Begeisterung, die die Mitarbeiter von Kollegen und Vorgesetzten erfahren, berührt sie auf einer tiefen Ebene und überträgt sich direkt auf die eigene Stimmung. So entsteht eine starke Bindung an das Unternehmen, die auf der persönlichen Bindung zum Vorgesetzten beruht.
Menschen können tatsächlich zu begeisterten Anhängern oder »Followern« eines Unternehmens oder auch von Personen im Unternehmen werden. Was könnte man sich als Unternehmen in Zeiten des Fachkräftemangels mehr wünschen?!
Im Institut für Führungskultur werden wir permanent zwei Dinge gefragt. Erstens: Wie schnell können wir das eigene Verhalten und das anderer ändern? Zweitens: Geht das überhaupt oder ist das Wunschdenken?
Jeder von uns beeinflusst ständig andere Menschen. Unabhängig davon, ob wir Führungskräfte, Kollegen, Partner oder Freunde sind: Das, was wir tun und sagen, hat immer irgendeine Wirkung auf unser Umfeld. Vielen ist das gar nicht bewusst. Wir entwickeln uns, indem wir auf das hören, was uns andere Menschen sagen, oder ihr Verhalten beobachten. Wir ahmen andere nach oder tun genau das Gegenteil – je nachdem, was wir aufnehmen und wie uns die Informationen übermittelt werden. Das kann sich in kleinsten Signalen äußern: Wir beobachten eine bestimmte Geste bei einem Menschen und kopieren diese, weil sie uns gut gefallen hat. Oder wir tun genau das Gegenteil davon, was unser Vorgesetzter uns erzählt, weil es uns nicht logisch erscheint.
Der Grund für diese mehr oder weniger bewusste ständige Orientierung im Außen: Wir Menschen wollen stets eine Bestätigung dafür, dass das, was wir tun, das Richtige ist. Wir suchen nicht nur Anerkennung, sondern auch Zustimmung in dem, was wir tun. Im Fall einer Führungskraft stellt sich das so dar: Wenn Mitarbeiter erkennen, dass jemand das auch vorlebt, was er vorgibt, wenn ihnen also jemand Gutes will, indem er ihre Talente entdeckt und fördert, dann löst er damit positive Gefühle in ihnen aus. Den jüngeren Generationen von Arbeitenden ist das sogar noch in deutlich höherem Maße wichtig als ihren Vorgängern im Arbeitsleben: Arbeit muss sich für sie gut anfühlen.
Das Marktforschungsinstitut Gallup hat in seinen jüngeren jährlichen Studien wiederholt herausgefunden, welch hohen Stellenwert die Arbeit für uns alle mittlerweile hat – früher war das einmal anders. Erstaunlicherweise rangiert der Job inzwischen schon vor Familie und Freizeit. Klar ist, dass die Digitalisierung uns dabei hilft, von überall arbeiten zu können. Insofern verschwimmen die früher recht klar gezogenen Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit auch zunehmend. Darüber hinaus brauchen Menschen heutzutage mehr denn je Sinnstiftung in der Arbeit. Schaffen wir es, unseren Mitarbeitern zu vermitteln, wo ihr Talent im Team am besten zum Tragen kommt und dass wir bereit sind, es gemeinsam weiterzuentwickeln, erreichen wir damit als Führende genau diese Wirkung: Wir vermitteln Sinn.
»Influencer« – Krankheitsbild, Modeerscheinung oder ein neuer Typus Lebenskünstler?
Der eine oder die andere wird sich sicherlich noch an die Bravo-Poster in den Jugendzimmern meiner Generation erinnern. Sie waren eine begehrte Beigabe des Jugendmagazins Bravo, das bereits 1956 zum ersten Mal aufgelegt wurde und bis heute existiert. Das Kultmagazin mit damals fast einer Million Print-Auflage, die sich heute um über 90 Prozent reduziert hat, kam jeden Monat mit neuen Postern unserer Lieblingsstars. Besonders beliebt waren die Starschnitte: eine Art Poster-Puzzles in Lebensgröße von unseren Kultfiguren, verteilt auf mehrere Ausgaben. Wir