Туве Янссон

Briefe von Klara


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      Tove Jansson

      BRIEFE von KLARA

      Erzählungen

      Aus dem Schwedischen von Birgitta Kicherer

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      INHALT

       Briefe von Klara

       Robert

       Im August

       Der Seerosenteich

       Die Zugfahrt

       Das Gesellschaftsspiel

       Piratenrum

       Im Sommer

       Die Bilder

       Vorwarnungen

       Emmelina

       Meine Freundin Karin

       Die Reise an die Riviera

      BRIEFE VON KLARA

      Liebe Matilda,

      du bist gekränkt, weil ich deinen uralten Geburtstag vergessen habe. Das ist unvernünftig von dir. Im Klartext – all die Jahre hast du erwartet, dass ich dich ganz besonders feiere, nur weil ich drei Jahre jünger bin. Aber gestatte mir, dir endlich eins zu sagen – das reine Vergehen der Jahre ist nichts, worauf man sich etwas zugutehalten kann.

      Du betest um höhere Weisung‹, sehr gut. Aber bevor diese dir zukommt, wäre es vielleicht angebracht, gewisse Unsitten zu erwähnen, die im Übrigen auch mir nicht fremd sind.

      Liebe Freundin, eine Sache, die man stets im Kopf behalten sollte, ist, möglichst nicht zu jammern, denn dann haben die anderen sofort Oberwasser. Ich weiß, dass es dir erstaunlich gut geht, dem Himmel sei Dank, aber du hast die einzigartige Gabe, deiner Umgebung Schuldgefühle zu vermitteln, indem du jammerst, und das zahlen sie dir heim. Sie werden jovialisch und machen aus dir eine Person, die nicht mehr zählt. Das habe ich beobachtet. Was auch immer du willst oder nicht willst, wäre es doch am einfachsten, deinen Willen sehr lautstark mit kraftvollen Worten kundzutun. Dadurch würden sie endlich aufwachen und vielleicht sogar ein bisschen erschrecken. Ich kann mich daran erinnern, dass du dazu durchaus in der Lage bist – damals hast du nicht herumgemaunzt, oh nein!

      Und dass man nachts nicht schlafen kann – vermutlich weil man sich im Laufe des Tages achtmal ein Nickerchen gegönnt hat? Doch, ja, ich weiß; nachts bewegt sich das Gedächtnis rückwärts und nagt sich durch alles hindurch, ohne die kleinste Einzelheit zu verschonen – dass man etwas nicht gewagt hat, dass man falsch gewählt hat, taktlos, gefühllos, kriminell unaufmerksam gewesen ist – und die vielen Kalamitäten, diese Blamagen, diese irreparablen idiotischen Äußerungen, die alle anderen schon längst vergessen haben, nur man selbst nicht! Zu so später Stunde noch mit einem blitzklaren Gedächtnis bedacht zu werden, nur rückwärtsläufig – ist das nicht ungerecht?!

      Liebe Matilda, schreibe mir und erzähle, was du über die folgenden heiklen Dinge denkst. Ich verspreche, ich werde versuchen, nicht besserwisserisch zu sein – ja, ja, brauchst es nicht zu leugnen, das hast du gesagt – aber ich wüsste gern, beispielsweise, wie du dich verhältst, wenn du nicht mehr weißt, wie oft du ein und derselben Person ein und dieselbe Sache erzählt hast? Rettest du dich dann, indem du mit »Also, wie schon gesagt …« beginnst oder mit »Wie ich vielleicht bereits erwähnt habe« oder … Hast du andere Vorschläge? Verstummst du einfach?

      Und lässt du Gespräche über deinen Kopf hinweg weitergehen? Versuchst du, irgendeinen sinnvollen Kommentar zu finden, und merkst dann, dass sie inzwischen schon über etwas ganz anderes reden? Tröstest du dich mit der Feststellung, dass sie dumm daherreden, über unnötiges Zeug?

      Und sind wir überhaupt noch interessiert? Neugierig? Sag, dass wir das sind!

      Wenn du mir wieder schreibst, verwende bitte nicht deinen vorsintflutlichen Füller, der macht den Text unleserlich und ist außerdem hoffnungslos unmodern. Die sollen dir Filzstifte besorgen, medium point 0,5 mm, gibt es überall.

       Deine Klara

      PS: Habe irgendwo gelesen, dass mit Filzstift geschriebene Schrift nach ca. vierzig Jahren unleserlich wird, was sagst du dazu? Ist doch eigentlich ganz schön. Oder planst du etwa irgendwelche Memoiren – du weißt schon: »Erst nach fünfzig Jahren zu lesen.« (Hoffentlich findest du mich jetzt witzig.)

      Lieber Ewald,

      was für eine nette Überraschung, von dir einen Brief zu erhalten. Wie bist du auf diese Idee gekommen?

      Doch, natürlich könnten wir uns treffen, ist ja lange her, wie du so richtig bemerkst. So an die sechzig Jahre ungefähr.

      Ich danke dir für die vielen schönen Worte, die du mir geschrieben hast. Aber sind sie nicht ein bisschen allzu schön, lieber alter Freund? Du bist doch auf deine alten Tage hoffentlich nicht sentimental geworden?

      Aber ja, Rosen züchten, das finde ich ausgezeichnet! Im Radio kommt jeden Samstagmorgen eine, soweit ich es beurteilen kann, sehr sachliche Gartensendung, sonntags wird sie wiederholt. Hör sie dir an.

      Ruf mich an und sag mir, wann es dir passt. Übrigens kann es etwas dauern, bis ich am Telefon bin. Vergiss nicht zu erwähnen, ob du immer noch Vegetarier bist, ich habe vor, uns etwas ziemlich Spezielles zu kochen.

      Natürlich sollst du dein Fotoalbum mitbringen, ich hoffe, wir kommen einigermaßen mit diesem unvermeidlichen »Weißt du noch« klar, um dann endlich über alles reden zu können, was uns gerade durch den Kopf geht.

       Mit herzlichem Gruß Klara

       Hallo Steffe!

      Vielen Dank für das Rindenschiff, es ist sehr schön und hat mich gefreut. Hab das Schiff in der Badewanne ausprobiert und gesehen, dass es perfekt das Gleichgewicht hält.

      Über das Zeugnis solltest du dir nicht so große Sorgen machen, sag deinen Eltern, manchmal ist es viel wichtiger, dass man mit den Händen arbeiten kann und etwas Schönes zustande bringt. Das mit der Katze tut mir leid. Aber wenn eine Katze siebzehn Jahre alt wird, ist sie wahrscheinlich ziemlich müde und fühlt sich nicht mehr wohl. Deine Grabinschrift ist nicht schlecht, aber achte auf den Rhythmus. Wenn wir uns wiedersehen, können wir näher darauf eingehen.

       Deine Patentante Klara

      Sehr geehrter Herr Öhlander,

      laut Ihrem Brief vom 27. soll ich, offenbar unrechtmäßig, eines Ihrer frühen Werke in meinem Besitz haben, ein Werk, das Sie so schnell wie möglich für eine retrospektive Ausstellung benötigen.

      Ich kann mich nicht entsinnen, mir bei einem Besuch beim Sohn Ihrer Nichte das fragliche Bild »erschlichen« zu haben, viel wahrscheinlicher ist, dass er, ohne irgendwelche Vorbehalte, wünschte, ich möge es aus seiner Wohnung mitnehmen.