Bert Beyers

Footprint


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      Durch die enormen Vorräte an fossiler Energie, die die Menschheit seit der industriellen Revolution entdeckt und nutzbar gemacht hat, war es ihr möglich, mit gespeichertem „Sonnenlicht“ zu leben und ihren Stoffwechsel mit der Natur zu vervielfachen. Eine Folge ist der heutige Klimawandel. Und eine wachsende Abhängigkeit von großen Mengen billiger Energie. Nicht nur werden die entsprechenden CO2-Emissionen zunehmend problematisch, sondern es wird trotz neuer Technologien wie „Fracking“ auch immer aufwendiger, neue Fossilenergien zu finden und auszubeuten. Auf Dauer bleibt nur ein kooperativer Umgang mit der Natur.

      Der Footprint ist ein Buchhaltungssystem für unsere ökologischen Möglichkeiten, nicht mehr und nicht weniger. Als solches kann er aber einen Beitrag zu einer nachhaltigen globalen Ökonomie leisten, indem er die Grenzen der Natur benennt. Er offeriert eine wissenschaftlich getestete Bezugsgröße, die dabei hilft, einen Konsens der Beteiligten zu finden. Auf dieser Grundlage können Rahmenbedingungen formuliert werden, Leitplanken, innerhalb derer der ökonomische Wettbewerb stattfindet. Durch Rahmenbedingungen werden die Ziele der Wirtschaft realisiert. Bei falschen Rahmenbedingungen optimiert der Markt genauso effizient das Falsche wie unter richtigen Bedingungen das Richtige. Anders formuliert: Nachhaltigkeit wird nur dann Realität, wenn sie sich für die Investoren rechnet. Noch tut sie das offensichtlich nicht. In gewissen Nischen schon, aber im großen Ganzen noch nicht.

      Der Footprint malt nicht schwarz, er beleuchtet vielmehr die ökologische Realität. Damit zeigt er Möglichkeiten auf und benennt die Gefahren, nicht in jedem Detail, wohl aber in der Gesamtheit aller Trends. Die derzeitige Überlastung der Biosphäre ist eine schwere Hypothek. Statt Pessimismus zu verbreiten, nimmt der Footprint eine pragmatische und lösungsorientierte Haltung ein und liefert die benötigten Daten.

      Bei alldem ist die Vitalität der Menschen ungebrochen. Sie wollen leben. Es kommt darauf an, wie sie diese Phase ihrer Geschichte meistern. Die Herausforderungen sind beträchtlich. Dafür brauchen sie alle Klugheit und Kreativität dieser Welt. Der Footprint ist in diesem Zusammenhang ein entscheidendes intellektuelles Werkzeug.

      Jeder weiß heutzutage, dass wir auf einem begrenzten Planeten leben. Es fällt uns aber schwer, diese Grenzen anzuerkennen. Warum nur? In anderen Bereichen akzeptieren wir sie doch auch. Nur beim Energieverbrauch, beim Reisen, beim Konsum allgemein tun wir so, als hätten wir noch ein paar Planeten im Kofferraum, als gäbe es sie nicht, die „Grenzen des Wachstums“.

      Wie beim Geld, sind auch in der Natur die Grenzen dehnbar. Wir können das Konto überziehen – aber nur für eine gewisse Zeit. So können wir die Grenzen der Regenerationsfähigkeit der Biosphäre eine zeitlang ignorieren. Damit sind sie aber nicht einfach verschwunden. Denn während der Übernutzung, steigen die ökologischen Schulden. Und irgendwann melden sie sich zurück. In nicht wenigen Teilen der Welt ist dies schon längst geschehen. Denken wir an den Zusammenbruch ganzer Fischgründe, an Regionen wie Haiti, wo die Zerstörung der lokalen Ökosysteme zu Hunger, Mord und Totschlag führt. Oder an die massive Wasserknappheit in Australien, Jemen oder Kalifornien.

      Heute berechnet Global Footprint Network jährlich den Footprint für mehr als 220 Länder. Dazu sind pro Nation mehr als 6000 Daten erforderlich. Die Methode ist nicht alarmistisch, sondern bewusst konservativ gehalten: Die Nachfrage von Seiten der Menschen wird bei mangelnder Datenlage eher unter-, die Biokapazität dagegen überschätzt*. (siehe Anmerkungen S. 239)

      Der Footprint ist ein hoch aggregierter Indikator unseres Naturverbrauchs. Diese Buchhaltung fasst viele Aspekte zusammen. Sie umfasst alle Aspekte, die im Wettbewerb um produktive Fläche stehen. Nur so entfaltet die Messmethode ihre kommunikative Stärke, weil sie den gesamten Naturverbrauch auf einen einzigen Nenner bringt und den Verbrauch mit dem Angebot vergleichen kann. Die Nutzung von fossiler Energie, Kohle, Gas und Öl wird in die Methode ebenfalls hineingerechnet: durch die biologisch produktive Fläche, vor allem Wald, die vonnöten ist, um die Menge an Kohlendioxid, die bei der Verbrennung fossiler Energieträger entsteht, der Atmosphäre zu entnehmen. Denn die Absorption von Treibhausgasen ist eine weitere Dienstleistung der Natur die Fläche braucht. Ohne diese Dienstleistung steigt die Kohlenstoffkonzentration in der Atmosphäre, und die ökologische Schuld baut sich weiter auf.

      Andere Treibhausgase werden im Footprint noch nicht berücksichtigt. Das soll in Zukunft geschehen. Der Footprint ist nicht perfekt, vielmehr wird er ständig weiterentwickelt.

      Die Footprint-Methode wurde in den frühen 1990er Jahren von Mathis Wackernagel und William Rees konzipiert. Mittlerweile ist sie deutlich reifer und wird in Hunderten von Städten und Dutzenden von Ländern und Institutionen genutzt, zum Beispiel von der Europäischen Union und der Biodiversitäts-­Konvention der UN. Die Aufgabe des Global Footprint Network mit Sitz in Oakland (Kalifornien), Brüssel (Belgien), Genf (Schweiz) und Manila (Philippinen) besteht darin, über die Standards der Methode zu wachen und sie in einem offenen Prozess mit um die 60 Partnerorganisationen weiter zu entwickeln und zu optimieren.

      Dabei ist der Footprint nicht die einzige ökologische Messgröße. Er stellt keinen Absolutheitsanspruch. Er konzentriert sich vielmehr auf eine spezifische Frage: Wie viel der produktiven Kapazitäten des Planeten wird gebraucht, um menschliches Leben zu unterstützen? Für andere relevante Fragen braucht es weitere Methoden. Wie die einzelnen Anzeigen auf dem Armaturenbrett eines Cockpits: Sie ergänzen sich. Letztlich aber benötigt man eine einfache, eindeutige und robuste Messmethode, eine „Währung“, die die ganze Komplexität des Naturkapitals bündelt, sie vergleichbar macht und auf die sich möglichst viele beziehen. Als Methode empfiehlt sich der Footprint.

      Im Jahr 2005 hatte sich Global Footprint Network zum Ziel gesetzt, den Footprint bis 2015 in mindestens zehn Ländern zu verankern und als offizielle Messgröße zu etablieren. Schon 2012 sind die Philippinen und Indonesien als zehntes und elftes Land in die Gruppe der Länder hinzugestoßen, die den Footprint offiziell genutzt haben.

      Nun geht der Weg weiter. Neben dem Bruttoinlandsprodukt (BIP) soll er in den öffentlichen Statistiken ein entscheidender Indikator werden, um ein klares Bild der eigenen Ressourcensituation und des -verbrauchs zu zeichnen. Die Schweiz ist da schon weit vorne. Mehr als zwölf nationale Regierungen haben den Footprint bereits getestet.1 Sie kommen mehrheitlich zu dem Schluss, dass die Buchhaltung des Footprints die Realität wirklichkeitsnah abbildet. Ein weiterer Durchbruch wäre erreicht, wenn die Vereinten Nationen sich den Footprint in breitem Umfang aneigneten und dazu beitragen würden, ihn zu verbessern und auszubauen, zu standardisieren und anzuwenden. Wenn die Weltgemeinschaft erkennen würde, dass wir ein vergleichbares Instrument für das natürliche Kapital benötigen, wie es das Bruttoinlandsprodukt für das ökonomische Kapital darstellt.

      Auch sollten wir es in Einheiten messen, die das zu Messende adäquat beschreiben. Das Bruttoinlandsprodukt in Geld auszudrücken macht durchaus Sinn, denn es geht um Geld. Für das natürliche Kapital aber brauchen wir Messgrößen in physischen Einheiten. Schließlich beschreiben wir die Arbeitslosigkeit oder die Größe einer Bevölkerung auch nicht monetär, die Lebenserwartung wird in Jahren angeben, nicht in Euro.

      Solide Information ist entscheidend. Wissen wir alles, was fürs Regieren oder fürs Managen notwendig ist? Und wissen wir auch die richtigen Dinge? Aus vielen Einzelinformation ergibt sich nämlich noch keine konsistente Strategie. Ein wesentlicher Baustein ist, dass wir letztlich alle auf einem Planeten leben. Was bedeutet das für jedes Land und jede Stadt? Wie hängt das alles zusammen?

      Das erste Kapitel dieses Buchs beantwortet folgende Fragen: Was ist der Ecological Footprint? Wie viel Biokapazität braucht ein Mensch? Wie viel eine Stadt? Wie viel ein gutes Leben? Wie viel Biokapazität ist vorhanden? Was bedeuten ökologische Grenzen? Das zweite Kapitel führt diese Fragen weiter: Was sind die großen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts? Wer werden die Gewinner, wer die Verlierer sein?

      Und: Welche Szenarien eröffnet der Footprint für die Zukunft? Das dritte Kapitel zeigt anhand konkreter Fallstudien, wie die Methode eingesetzt werden kann, um unsere Nutzung von Naturkapital zu managen. Ein Gespräch der beiden Autoren, Mathis Wackernagel, einem der beiden Erfinder des Konzepts, und dem Journalisten Bert Beyers, rundet die Thematik ab.

      Wir leben in einer spannenden Zeit. Unsere Möglichkeiten, Einfluss zu nehmen, sind beträchtlich. Vorausgesetzt,