Regina Mars

2 Jahre später


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nickte bedächtig.

      »Wir dachten, ihr kommt später«, sagte er. »Ich sollte gar nicht hier sein. Mein Vater kümmert sich noch um den Innenhof.«

      »Dein Vater?« Erst Sekunden später brachte Arthur es zusammen. »Herr Petersen ist dein Vater?«

      Der Luchs nickte wieder. Gesprächig schien er nicht zu sein. Aber er trat zur Seite und ließ Arthur passieren. Er bot sogar an, ihm mit dem Gepäck zu helfen, aber Arthur lehnte ab. Natürlich lehnte er ab. Wie würde er denn aussehen, wenn er zu schwach war, zwei Koffer die Treppe hochzuschleppen? Er gab sich Mühe, sein Keuchen zu unterdrücken, als er es bis in den Flur geschafft hatte. Dort ließ er sie zu Boden fallen und folgte dem Luchs in den nach Chlor duftenden Innenhof. Je länger er hinter dem schmalen Rücken herging, desto mehr durchwühlte er sein Gehirn nach etwas, das er sagen konnte.

      »Wie heißt du?«, brachte er schließlich heraus. Betont cool hakte er die Daumen in die Schlaufen seiner Jeans.

      »Kai.« Der Luchs sah ihn an.

      »A-Ach so.« Mist, hatte er das kleine Stottern bemerkt? Arthur wusste nicht, was mit ihm los war. Sein Herzschlag hämmerte in seinem Hals und er spürte den anderen Jungen, als würde er Elektrizität verströmen, durch die Luft oder so. Er schluckte.

      »Hilfst du deinem Vater im Garten?«, fragte er. Der Luchs, nein, Kai, nickte.

      »Ich soll nicht hier sein«, sagte er und blickte Arthur an. »Kannst du deinen Eltern nichts verraten?«

      »Klar.« Arthur zuckte lässig mit den Achseln. »Aber warum? Du hilfst doch.«

      »Ich bin …« Der Blonde schien zu überlegen, wie er das ausdrücken sollte. »Ich habe deine Mutter mal getroffen. Angeblich war ich nicht nett.«

      »Wer sagt das?«

      »Mein Vater. Und deine Mutter. Ich hab irgendwas gesagt …« Kai kratzte sich den Hals. »Ich war unhöflich. Das bin ich manchmal, auch wenn ich das nicht will.«

      »Aha.«

      Was sollte er darauf antworten? Egal, denn sie betraten den Innenhof. Der wurde fast gänzlich von einem römisch anmutenden Schwimmbecken mit Mosaikmuster eingenommen. Sonnenstrahlen brachten das Wasser zum Glitzern. Der Hof war zu drei Seiten eingerahmt von Wänden voll verschnörkelter Fenster und Balkone, die vor Hängepflanzen überquollen. Die vierte Seite ging auf die Terrasse hinaus, auf der Arthur damals mit seinen Eltern gefrühstückt hatte. Dort war ein gebeugter Mann damit beschäftigt, die Fugen der Bodenfliesen von Moos zu befreien. Er sah auf, als sie näherkamen. Dann sprang er förmlich in die Höhe.

      »Arthur.« Er lächelte, ein wenig verzweifelt. »Ich bin fast fertig mit dem Boden. Ich schätze, morgen könnt ihr sicher hier frühstücken. Es tut mir leid, dass es etwas länger gedauert hat …«

      »Lassen Sie sich ruhig Zeit«, sagte Arthur. Er sah den grauhaarigen Mann an, den er für älter gehalten hatte, als er sein konnte. Schließlich war er Kais Vater. Sie sahen sich nicht sehr ähnlich. »Ich … Machen Sie bitte genug Pausen. Meine Eltern kommen erst in ein paar Tagen nach und mir ist es egal, wie es aussieht.«

      Herr Petersen nickte, scheinbar erleichtert. Er wirkte ständig, als hätte er Schmerzen. Hatte er vielleicht auch, krumm, wie er war. Kai ging zu ihm, mit der natürlichen Eleganz einer Wildkatze, aber Petersen schüttelte den Kopf.

      »Ich schaff das schon alleine, Junge. Mach du doch was mit Arthur. Er ist ja ganz allein hier.«

      Die Worte waren nicht so gemeint gewesen, aber sie schmerzten. Arthur war allein. Egal, denn nun wandte Kai sich zu ihm um und sein Herzschlag nahm wieder an Fahrt auf. Was sollte er sagen? Kai schwieg, also musste er etwas sagen, nur was? Es musste etwas Cooles sein, etwas total Lässiges, und …

      »Zeigst du mir das Haus?«, fragte Kai.

      »Hast du es denn noch nicht gesehen?« Arthur runzelte die Stirn.

      »Nur den ersten Stock. Paps meint, ich soll mich davon fernhalten.«

      »Du machst zu viel kaputt, Junge.« Petersen schüttelte den Kopf. »Du bist einfach zu wild.«

      Ein Hauch Röte erschien auf Kais Wangen. Arthur lächelte. Nein, er durfte nicht lächeln. Er musste cool bleiben.

      »Ich bin auch zu wild«, log er. »Komm mit, ich zeig dir alles.«

      Ein Mini-Lächeln erschien in Kais Gesicht.

      »Super.« Es wurde zu einem kleinen Grinsen, das so rasch verschwand, wie es aufgetaucht war.

      »Super«, wiederholte Kai, steckte die Hände in die Hosentaschen und räusperte sich.

      Arthur verbrachte die nächste Stunde zwischen Panik und überschäumender Freude. Er schaffte es, keine Miene zu verziehen, als sie durch die Bibliothek gingen. Gigantische Holzregale voll dicker Wälzer schraubten sich in die Höhe und verschlugen ihm fast den Atem. Aber er zwang sich, nur: »Bibliothek. Bücher halt« zu sagen und mit den Achseln zu zucken.

      Bücher waren schließlich nicht cool. Und Kai schien derselben Ansicht zu sein. Der murmelte irgendetwas Desinteressiertes. Überhaupt sagte er wenig. Aber er wich nicht von Arthurs Seite. Er präsentierte ihm all die sonnigen Zimmer, die Eingangshalle und sein Schlafzimmer mit dem frisch bezogenen Bett. Die Haushälterin war schon dagewesen.

      Er machte sich fast in die Hose, als er durch eines der Fenster aufs Dach stieg, nur, um Kai zu beweisen, wie wild er war.

      »Nette Aussicht, was?«, sagte er.

      Er fürchtete sich entsetzlich, aber er wollte sich vor Kai keine Blöße geben. Der kletterte wie ein Äffchen höher und stellte sich breitbeinig auf den Dachgiebel, ohne sich irgendwo festzuhalten. Arthur kriegte kaum noch Luft, als ein Wind aufkam und Kais helle Haare in sein Gesicht wehte. Der Wind roch nach Holzkohle und frisch geschnittenem Gras. Er spürte die Sonne im Nacken.

      »Ich kann mein Haus von hier aus sehen«, rief Kai und grinste wieder. Seine Luchsaugen glänzten. »Guck mal, da hinten.«

      Mit angehaltenem Atem krabbelte Arthur die vollkommen verrostete Leiter zum Giebel hoch. Nicht nach unten sehen, nicht nach unten sehen. Er schwang ein zu pummeliges Bein über die Ziegel, so dass er rittlings oben saß. Mehr ging nicht, wirklich nicht. Wenn er sich wie Kai hinstellte, würde er abstürzen, soviel war klar. Weit unter sich sah er den Rasen, viel zu winzig.

      »Welches ist es?«, rief er gegen den Wind und hoffte, dass er nicht so bleich aussah, wie er sich fühlte.

      »Das da, hinter dem roten Fachwerkhaus!« Kais magerer Finger zeigte in die Richtung. Arthur kniff die Augen zusammen.

      »Wo denn? Ich sehe nur diese Bruchbude mit dem löchrigen Dach …« Mist. Mist! Kais helle Augen schauten ihn an. Blinzelten. Arthur kippte fast um, so hastig richtete er sich auf. »Äh, ich … Ich meine … Das sieht … Das ist nicht …«

      Mistmistmist, jetzt war er ein Arschloch und uncool und …

      Kai lachte.

      »Schon gut«. Er schüttelte den Kopf »Ich weiß selbst, was für ein Schuppen das ist. Aber meistens regnet es nicht rein und wir haben auch keine Ratten. Ist denen wohl zu zugig.«

      »Äh, ich …« Arthurs Gehirn ließ ihn im Stich. »Echt?«

      »Ja.« Kai nickte ernsthaft. »Die letzten haben uns beim Auszug einen Beschwerdebrief geschrieben, weil wir zu sehr stinken. Eingebildete Viecher.«

      Ein Kichern drang aus Arthurs Kehle, voll unmännlich.

      »So schlimm riechst du gar nicht«, murmelte er. Er spürte das kleine Lächeln, das seine Mundwinkel kräuselte. »Aber vielleicht steht der Wind auch günstig.«

      Kai schnaubte. »Als ob du das merken würdest, du Snob. Du müffelst doch zehn Meilen gegen den Wind nach Parfüm.«

      Arthur wollte schon an seinem Kragen schnuppern, als er das