Gertrude Aretz

Königin Luise


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alle Ermahnungen fruchteten nichts. Ihre Jugendlust mußte sich austoben.

      Nicht nur in den Hofkreisen erregte sie dadurch Anstoß, sondern auch die Berliner Bevölkerung fing an, mit der von ihr anfangs vergötterten Kronprinzessin unzufrieden zu sein, besonders, als sich das Gerücht verbreitete, sie schenke dem leichtlebigen Prinzen Louis Ferdinand ein Ohr. Der Prinz kam oft schon morgens zu ihr, um, wie er sagte, mit ihr irgendein Detail wegen eines stattfindenden Festes oder wegen eines Maskenkostüms zu besprechen. Kurz, es entwickelte sich zwischen beiden ein sehr freundschaftlicher Verkehr, der besonders von Luise ganz rein empfunden wurde. Anders stand es mit den Gefühlen des leicht entflammenden jungen Mannes. Seiner Freundschaft lagen durchaus andere Absichten zugrunde, und da er schließlich seine Annäherungsversuche nicht von Erfolg gekrönt sah, versuchte er, Friederike zu gewinnen, damit sie als Fürsprecherin bei ihrer Schwester eintrete. Aber Friederike selbst erlag einige Monate später seinem unwiderstehlichen Zauber.

      Vielleicht wäre auch Luise erlegen, hätte sie nicht in ihrer alten Hofmeisterin eine so gute Beraterin und wahre Freundin gehabt. Dem Scharfblick der Voß und ihrer Erfahrung an einem Hofe, an dem es an galanten Abenteuern nicht gemangelt hatte, waren die Absichten des Prinzen Louis Ferdinand natürlich nicht entgangen, noch aber besaß sie nicht das ganze Vertrauen ihrer jungen Herrin. Die Voß meint: »Der Unterschied der Jahre war zu groß zwischen ihr und mir, auch hatte sie etwas Verschlossenes in ihrem Charakter, und ich muß sagen, zum Glück und mit Recht eine große Zurückhaltung, die sie abhielt, sich gegen Personen, die sie nicht näher kannte, auszusprechen.« Hätte Luise damals die Großmutter in der Nähe gehabt, sie würde ihr alles gesagt haben und sich vor den Gefahren der Großstadt in ihre schützenden Arme geflüchtet haben. Schreiben mochte sie ihr vielleicht darüber nicht, weil sie fürchtet, brieflich auch von ihr mißverstanden zu werden. Aber den Bruder Georg, der selbst jung und empfänglich war, ließ sie doch in einem Brief vom April 1794 manches durchblicken: »Ach, einige Worte nur haben so viel Trost für mich«, schrieb sie. »Ich brauche ihn mannigmal ... Berlin ist viel größer als Darmstadt, es sind auch vielmehr Leute allerhand Arten darin – das werde ich gewahr – ... Das Gute wird nicht immer erkannt, glaube mir, ich spreche aus Erfahrung; deshalb muß man aber nicht ablassen, gut zu sein. Dies ist und bleibt mein Grundsatz.« Ehe sie zu dieser Einsicht gekommen war, hatte es jedoch manches Opfer gekostet. Es hatte Tränen, viele Tränen in der jungen Ehe gegeben. Luise hatte nicht einsehen wollen, daß ihre Jugendlust, ihr Frohsinn Einschränkungen erfahren sollten und sie am Berliner Hof nicht mehr so ungebunden leben konnte wie als kleine mecklenburgisch« Prinzessin in Darmstadt. »Alle Welt ist mit ihr unzufrieden«, schrieb die alte Voß. Sogar der König, der Luise sonst zärtlich liebte, war böse auf sie und ließ ihr durch Fräulein von Viereck sagen, sie möge sich ändern. Dem Kronprinzen riet er, seiner Frau zu zeigen, daß »wir hier gewohnt find, uns bei unseren Frauen Gehorsam zu verschaffen«.

      So starke Mittel waren indes bei Luise nicht nötig. Sie kam selbst bald zur Einsicht, daß ihr Mann ihr bester Freund war, und Frau von Voß wies sie ebenfalls darauf hin, daß »niemand ihr volles Vertrauen besitzen, niemand ihr Ratgeber sein dürfe als ihr Gemahl«. Denn er liebte sie aufrichtig. Das fühlte Luise. Anstatt ebenfalls, wie die andern, der jungen, unerfahrenen Frau die Fehler, die sie begangen hatte, vorzuwerfen, verteidigte er sie sowohl gegen den König als auch gegen die Königin. Er war ihr in dieser Zeit des Schwankens ein wirklicher Freund, und Luise erkannte seinen Wert. Der Rausch, in den sie vielleicht für einen Augenblick die Huldigung Louis Ferdinands versetzt hatte, verflog, zumal sie bald merkte, daß er ihrer Schwester ebenso feurig den Hof machte und schließlich von dieser erhört wurde.

      Luise billigte den Leichtsinn ihrer »Englischen Friederike« nicht, aber sie bringt ihr immer die gleiche Liebe entgegen. Mit feinem weiblichen Empfinden verstand sie wohl besser als die andere, wie schwer es war, einem Mann zu widerstehen, der so viele bestechende Eigenschaften besaß wie Louis Ferdinand. Immer hielt sie treu zu dieser Schwester, deren Verhältnis mit dem Prinzen in den Hofkreisen das größte Mißfallen erregte, obwohl man wußte, wie wenig Zuneigung sie bei ihrem Mann gefunden hatte. Es war auch dem Prinzen Louis von Preußen gleichgültig, ob seine Frau andern Männern ihre Liebe schenkte oder nicht.

      Jedenfalls wurde der Idylle Luises und Louis Ferdinands schon dadurch ein Ende gemacht, daß das kronprinzliche Paar am 1. April 1794 für einige Zeit nach Potsdam übersiedelte. »Das störende Element« dieser jungen Ehe war somit aus dem Wege geräumt, und triumphierend berichtet die alte Voß: »Dem Kronprinzen allem gebührt das Verdienst, sie (Luise) in dem Augenblick der Gefahr, wo fremde Einflüsse sich zwischen ihn und sie einzudrängen drohten, durch seine Treue, seine Wahrhaftigkeit und seine Festigkeit vor denselben bewahrt zu haben.« Vielleicht hatte er den Prinzen Louis Ferdinand auch als »fatalen Menschen« bezeichnet, wie es seine Gewohnheit war, wenn er jemand nicht leiden mochte, besonders Großtuer und »Herren mit breitspurigem Wesen«. Er war dann meist sehr kurz zu ihnen und ließ seine Abneigung deutlich merken.

      Überhaupt liebte er wenig Menschen um sich, und der ganze Hoftrubel war ihm schon als jungem Mann zuwider. Aber leider konnte er sich nicht lange des ruhigen Lebens in Potsdam erfreuen, nachdem sie sich, wenn man so sagen will, »gefunden hatten«. Denn erst jetzt schienen sich beide richtig zu verstehen. Seinem Adjutanten und Freund, dem Major Schack, schrieb Friedrich Wilhelm in jenen Tagen voller Zufriedenheit: »Wir leben hier sehr ruhig und für mein Teil sehr angenehm, Berlin regrettiere ich gar nicht und habe mir hier noch nie so gefallen. Alles lebt in Einigkeit, da sich keine fremde Hand ins Spiel mischt, und wir benutzen täglich recht fleißig die schöne Gegend, die so manche anmutige Gegenstände darbietet ... Gott gebe, daß bei unserer Rückkehr nach Berlin nicht neue Mißhelligkeiten und Klatschereien den häuslichen Frieden stören mögen.« Luise aber nennt diese sechs Wochen, die sie in Potsdam verbrachten, die schönsten und glücklichsten ihres Lebens«. Sie gingen rasch dahin. Der Kronprinz mußte im Mai wieder ins Feld. Nach der zweiten Teilung Polens war es im März 1794 unter Kosziusko zu einem Aufstand gekommen. Ihn zu unterdrücken, zogen Russen, Österreicher und Preußen gegen den polnischen Aufrührer. Die völlige Bekämpfung des Aufstandes gelang aber erst im Oktober 1794 durch die Einnahme von Warschau unter Suwarow.

      Diese erste Trennung war für Luise und Friedrich Wilhelm ein harter Schlag. Der Kronprinz war so unglücklich darüber, daß er es kaum zu überstehen meinte. Auch diesmal zog er ungern ins Feld. Er sagte zu Schack, es schiene ganz, als wolle dies »der zweite Teil der französischen Revolution werden«. Aber es half nichts. Der König hatte befohlen, und am 15. Mai rückten beide Brüder, der Kronprinz und Prinz Louis, zur Armee ab. Luise, die mit Friederike inzwischen nach Sanssouci übersiedelte, hatte nur Tränen. Der erste Brief, den sie ihrem Mann ins Feld schrieb, ist das beste Zeugnis ihres Seelenzustandes in jener Zeit und zugleich ein Brief so voller Liebe und Leidenschaft, wie man selten Briefe fürstlicher Damen an ihre Gatten findet, höchstens an ihre Geliebten. Den angetrauten Männern stand man in diesen Kreisen meist kühler gegenüber.

      »Mein teurer und geliebter Freund,« schreibt sie am 15. Mai 1794, »eine Feder soll Dir nun sagen, was mein Mund Dir schon eine Millionmal gesagt hat: daß ich Dich unsagbar liebe. Wie hart ist es für mich, Dich nicht mehr bei mir zu haben. Einsam und allein überlasse ich mich meinem Schmerz«. Mein einziger Trost ist, auf demselben Sofaplatz zu sitzen, wo Du immer saßest. O Gott, könntest Du mich sehen, könntest Du Deine unglückliche Frau sehen, wie sie über Deine Abreise seufzt, wie unglücklich und verlassen sie ist. Tränen find mein einziger Trost, aber wie bitter ist er ... Vergiß mich nicht, mein teurer Freund. Erinnere Dich Deiner Luise, die nur für Dich lebt, und die ohne Dich unglücklich ist ... Bei Gott, ich schwöre Dir, daß keine Liebe der gleich kommt, die ich für Dich fühle; nicht die Liebe für Vater und Mutter, nicht zu Schwester und Bruder.« Und deutsch fügt sie hinzu: »Du bist mein Alles, Engel meines Herzens. In Dir finde ich all mein Glück. Ohne Dich ist mir alles nichts, und ich bin unglücklich. Ich bitte Dich, um Gottes willen, antworte mir recht aufrichtig, ob Du auch recht innig und wahrhaftig von meiner wahren, reinen Liebe zu Dir überzeugt bist.«

      Wenige Prinzessinnen werden so leidenschaftlich und zugleich mit so warmem Gefühl an ihre Gatten geschrieben haben, zuviel alles mit einem gewissen Zeremoniell vorsichgehen mußte, unter dem sich Unaufrichtigkeit und Heuchelei verbarg. Im geheimen gab man sich dann um so zügelloser verbotenen Genüssen hin. Daß Luise sich immer von ihren Gefühlen leiten ließ