Christoph Morgner

Weise & gelassen älter werden


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geht es mit dem göttlichen Wort zu, das wir in uns aufnehmen. Seine Wirkung ist nicht unbedingt davon abhängig, dass wir uns später noch daran erinnern. Indem wir es lesen oder hören, dringt es in uns ein. Es wirkt auf jeden Fall.

      Gemeinschaft mit Menschen

      Zur persönlichen Glaubenspraxis gehört auch die Gemeinschaft mit anderen Christen. Wer glaubt, steht nicht allein. Glauben geht auf Dauer nur in der Mehrzahl gut. Er verbindet uns nicht nur mit Gott, sondern auch mit den Christen neben uns. Es ist wichtig, dass wir hier unseren Platz finden und uns einbringen.

      Glauben und Alter – das scheint eine treffliche Verbindung zu sein. Viele sind noch religiös sozialisiert: durch die Familie, die Schule, den Konfirmandenunterricht, vielleicht später durch die kirchliche Jugendarbeit. Es kann doch nicht schwer sein, daran anzuknüpfen und Brücken zu unseren kirchlichen Angeboten zu bauen!

      Darüber hinaus sollten doch Menschen, die eine Fülle an Lebenserfahrung gewonnen, manches Schwere durchgestanden haben und öfter an die Grenzen ihrer Möglichkeiten gekommen waren, dem Glauben leichter zugeneigt sein – sollte man meinen. Die „Vorstellung, dass auf die heutigen und die künftigen Senioren Verlass ist, weil sie der Lebenszyklus gleichsam automatisch in die Kirchen führt, ist unter den kirchlichen Verantwortungsträgern weit verbreitet.“9 Da, demografisch bedingt, die Zahl älterer Menschen kontinuierlich zunimmt, sollte sich demzufolge gelassener Optimismus einstellen. Doch es zeigt sich, was bereits Martin Luther wusste: „Christen sind seltene Vögel.“

      Statistiken und Prognosen sprechen eine deutliche Sprache. Das zunehmende Alter unserer Zeitgenossen spielt uns nicht mehr unbedingt in die christlichen Karten. „Je älter, desto frömmer“, gilt längst nicht mehr. Das wird besonders augenfällig, wenn es um christliche Inhalte geht:

      •Die Aussage unseres Glaubens, dass es ein Leben nach dem Tod gibt, wird derzeit nur von 32 % der älteren Generation bejaht. Bei den 18- bis 29-Jährigen sind es hingegen 41 %.

      •61 % der Älteren sind überzeugt: Mit dem Tod ist alles aus. Dagegen sind nur 41 % der Jüngeren dieser Meinung.

      •Dass das Leben sinnlos ist, wird von drei- bis viermal so vielen Älteren behauptet wie von Jüngeren.

      Das gibt zu denken.

      Fazit: Viele Ältere sind „christlich obdachlos“ und gehen hoffnungsarm in die Zukunft. Man lebt zunehmend alltagsbezogen pragmatisch: Was nützt es mir? Was habe ich heute davon? Was bringt’s? Man begnügt sich, über die Runden zu kommen, ohne über größere Sinnzusammenhänge nachzudenken.

      Wir sehen: Glauben im Alter ist kein Selbstläufer. Wir werden als Christen nicht getragen von einer Woge allgemeiner Akzeptanz. Umso wichtiger wird es sein, unseren Glauben nicht zu verstecken, sondern einladend, offen und werbend dazu zu stehen und zu versuchen, viele auf diesen guten Weg einzuladen – auch durch neue, veränderte Formen der Seniorenarbeit.

      4. Kleines Intermezzo: Alte Menschen in der Bibel

      Wussten Sie schon? Die Bibel wird wesentlich durch „alte Menschen“ geprägt, die wir jedoch kaum als alt empfinden, weil sie sich nicht unbedingt alterstypisch verhalten. Sie sind weder in den Kräften begrenzt noch geistig verwirrt oder in der Lebensenergie gemindert. Im Gegenteil: Die uns vorgestellten älteren Männer und Frauen verhalten sich meist verantwortungsbewusst und zukunftsorientiert.

      … im Alten Testament

      Das beginnt bereits im Alten Testament:

      •Noah baut im hohen Alter auf dem trockenen Land die rettende Arche (1. Mose 6,5ff).

      •Abraham bricht mit seiner Frau Sara aus vertrauten Verhältnissen in eine ungesicherte Zukunft auf (1. Mose 12, 1-3).

      •Mose führt bis ins ruhestandsfähige Alter hinein das Volk Israel aus der Sklaverei in Ägypten in die Freiheit (2. Mose) und stirbt mitten in den Sielen im Alter von 120 Jahren (5. Mose 34).

      •Sein Nachfolger Josua stirbt mit 110 Jahren, nachdem er das Volk in die von Gott zugesagte Heimat gebracht hat (Josua 24,29).

      Die Reihe lässt sich beliebig fortsetzen. Wir haben es mit Personen zu tun, die auch in ihren späteren Lebensjahren von Gott für bestimmte Aufgaben gebraucht werden und die sich dieser Verantwortung auch stellen.

      Im Alten Testament wird ein langes Leben als besonderer Segen Gottes betrachtet. „Alt und lebenssatt“ sterben zu können, gilt als hohes Gut (1. Mose 25,8). „Du wirst im Alter zu Grabe kommen wie Garben eingebracht werden zur rechten Zeit“ (Hiob 5,26).

      Eine Lebenszeit von siebzig bis achtzig Jahren wird als beachtlich empfunden (Psalm 90,10). Dagegen wird ein früher, vorzeitiger Tod als schlimmes Ende betrachtet (Jeremia 17,11), das man allenfalls seinen Feinden wünscht (Psalm 58,9). So ist der König Hiskia bestürzt, als ihm mitgeteilt wird, er müsse im besten Alter sterben (Jesaja 38). Auf sein dringendes Gebet hin werden ihm noch fünfzehn Lebensjahre zugegeben.

      Noch im Mittelalter galt ein plötzlicher Tod als Zugriff des Teufels. Denn wer unversehens starb, konnte nicht mehr die Gnadenmittel der Kirche in Anspruch nehmen. Auch war ihm das Abschiednehmen von seinen Angehörigen verwehrt. Der schnelle Tod schien anzuzeigen, dass der Teufel seine Beute geholt hatte. Aus diesem Grund wurde säuberlich dokumentiert, wie ruhig und sanft Martin Luther im Jahr 1543 in Eisleben verstorben war. Seine Gegner zeigten sich vorher nämlich sicher: Den holt eines Tages der Teufel.

      „Das Alter hat seine auf die Lust am Leben drückenden Beschwerden, Altersbeschwerden“, stellte Eberhard Jüngel fest.10 Auch in der Bibel bleibt die Mühsal nicht ausgeklammert, die sich im Alter einzustellen pflegt. Im Buch des Predigers wird sie andeutend geschildert: Arme und Beine erlahmen, das Hören wie auch das Sehen lassen spürbar nach, Zähne fallen aus (Prediger 12,1ff; siehe auch Psalm 71). „Von einer Romantisierung des Alters ist das Alte Testament also weit entfernt, allerdings auch von Altersjammer.“11

      Die Kraft, die manchmal beschwerlichen Jahre des Alters durchzustehen, erwächst aus der vertrauensvollen Verbindung zu Gott, der verspricht: „Auch bis in euer Alter bin ich derselbe, und ich will euch tragen, bis ihr grau werdet. Ich habe es getan; ich will heben und tragen und erretten“ (Jesaja 46,4).

      Der alte Mensch sieht seine Verantwortung für die nachfolgenden Generationen und betrachtet sich für die Jüngeren als „Zeichen“ (Psalm 71,7) dafür, wie wunderbar Gott handeln kann. Ihn und seine „Wohltaten“ gilt es bis zuletzt zu rühmen (Psalm 71,15).

      Alten Menschen gebührt besonderer Respekt angesichts ihrer Lebensleistung und ihrer Gotteserfahrung: „Vor einem grauen Haupte sollst du aufstehen und die Alten ehren“ (3. Mose 19,32).

      Die größere Lebenserfahrung der Älteren geht allerdings nicht zwangsläufig mit Weisheit und Tugend einher. Oft haben jüngere Menschen unter den Alten zu leiden: Die Sklavin Hagar hat die Schikane der alten und vorerst kinderlosen Sara auszustehen (1. Mose 16,6). Jakob wird von Laban ausgenutzt und um sieben Jahre seines Lebensglücks geprellt (1. Mose 29).

      Andersherum geht es aber auch, wie wir aus dem Aufstand von Absalom gegen seinen Vater David ersehen (2. Samuel 15–18).

      Das Miteinander der Generationen im Gottesvolk ist somit keineswegs ein Stück heiler Welt. Sowohl Gottvertrauen als auch sündiges Verhalten sind eng miteinander verflochten.

      … im Neuen Testament

      Im Neuen Testament stoßen wir zunächst auf den alten Priester Zacharias und seine Frau Elisabeth, die unerwartet mit einem Kind beschenkt werden: Johannes dem Täufer, der zum Wegbereiter von Jesus wird (Lukas 1,13ff). Daneben werden uns mit Simeon und Hanna zwei hochbetagte Menschen gezeigt, die auch im Ruhestand erfüllt und zuversichtlich leben (Lukas 2,25ff). Sie sind selig, als sie im Tempel den neugeborenen Jesus erblicken und in den Armen halten.

      Paulus bezeichnet