zu. Mit ihnen wurden ‚phonetische Versionen‘ erstellt, in denen sie die Sätze nur ihrem Dialoglehrer nachsprachen, ohne etwas zu verstehen. (Wahl 2003: 20)
Die Synchronisation kommt den meisten Quellen zufolge ursprünglich aus den USA, breitete sich ab 1932 in Europa aus und verdrängte die Version vollständig (vgl. Bräutigam 2009: 12). Allerdings wurde All Quiet on the Western FrontAll Quiet on the Western Front (Im Westen nichts NeuesIm Westen nichts Neues, USA 1930) bereits 1930 in einer deutschen Synchronfassung in Berlin aufgeführt (Bräutigam 2009: 11) und für 1929 existieren Belege für eine deutsche Synchronfassung des amerikanischen Filmes BroadwayBroadway (Pahlke 2009: 27). Die Argumente gegen die Synchronisation, die in den Feuilletons der damaligen Zeit vorgebracht wurden, sind genau die, die man auch heute hört (Beispiele in Bräutigam 2009: 13-14). Allerdings wird heute niemand mehr sagen, wer die deutsche Sprache im Kino hören will, solle sich eben deutsche Filme ansehen.
Die Synchronisation setzte sich dann, wie oben erwähnt, in den 1940er Jahren unter dem totalitären Nazi-Regime durch. Noch bis 1940 waren Hollywood-Filme in synchronisierter Form in Deutschland ausgesprochen erfolgreich (Bräutigam 2009: 15). Ab 1940 gab es dann jedoch ein Einfuhrverbot für amerikanische Filme (Pahlke 2009: 28, Bräutigam 2009: 15). Die Synchronisationsindustrie blieb nicht unbeschäftigt: „Die Synchron-Branche stellte stattdessen fremdsprachige Fassungen deutscher PropagandafilmePropagandafilme für die besetzten Länder her.“ (Bräutigam 2009: 16)
Der Aufholbedarf nach dem Zweiten Weltkrieg war enorm. Eine gewaltige SynchronisationsindustrieSynchronisationsindustrie entwickelte sich (vgl. Nagel 2009: 29 und Pahlke 2009: 28). Teilweise lag dies auch daran, dass die USA ein großes Interesse daran hatten, dass sich in Deutschland keine Konkurrenzindustrie zur amerikanischen Filmproduktion entwickelte. So öffneten zwar die ersten Kinos 1945 wieder ihre Pforten, die ersten Genehmigungen für deutsche Filmproduktionen wurden in den westlichen Besatzungszonen jedoch erst 1947 vergeben (Kolloquium 2004). Teilweise war die Motivation der Alliierten, Filme zu zeigen und zwar so, dass das Publikum sie verstand und auch anschaute, pädagogisch orientiert – die Deutschen sollten schließlich umerzogen werden (vgl. Bräutigam 2017).
Und auch zu jener Zeit stand nicht jeder der Synchronisation uneingeschränkt wohlwollend gegenüber. „‚Synchronisation ist die Rache der Deutschen an den Alliierten‛ lautete ein brancheninterner Spruch.“ (Bräutigam 2009: 16). Man muss aber auch die gesellschaftlichen Bedingungen in Betracht ziehen, wenn man sich kritisch über die Geschichte der Synchronisation äußert: In den Anfängen des Tonfilms waren nicht nur Fremdsprachenkenntnisse weniger verbreitet als heute, sondern auch die Zahl der AnalphabetenAnalphabet war höher. Untertitel zu lesen kam also nicht für alle in Frage. Für diese Zielgruppe war die Synchronisation eine wunderbare Erfindung. Wer die Diskussion zum Bildungsnutzen von Untertiteln verfolgt, wird sehr schnell feststellen, dass es dort immer nur um die Verbesserung von Englischkenntnissen geht (siehe dazu das Kapitel zur Interlingualen Untertitelung). Andere Sprachen interessieren in dieser Diskussion nicht. Und wir als Sprachkundige und Fremdsprachenliebhaber sollten Verständnis dafür haben, dass nicht jeder einen Film im Original mit Untertiteln wirklich genießt, sondern darunter leidet, dass seine Aufmerksamkeit hin und her gerissen wird. Wie Bräutigam sagt:
Der intellektuelle Cineast, der wohl Dostojewskij oder García Marquez in der Übersetzung liest, ohne damit Probleme zu haben, ignoriert die ‚Übersetzung‘ von Filmen, weil er diese als Verfälschung und Verrat am Original missachtet. (Bräutigam 2009: 8)
Mit der Geschichte der Synchronisation, an ein breiteres Publium gerichtet, befassen sich Bräutigam (2017) und Metz / Seeßlen (2009).
3.3 Arbeitsablauf
Der Arbeitsablauf bei der Synchronisation und der Teil der Arbeit, den der Übersetzer tatsächlich verrichtet, unterscheiden sich von Auftraggeber zu Auftraggeber eher wenig. Meist betrifft es nur die Zahl der beteiligten Personen. Die in der Encyclopedia of Translation Studies geschilderte Arbeitsteilung kann variieren, was aber nur in einem engen Rahmen geschieht. Da das Thema zentral für das Kapitel ist, wird hier ausführlich zitiert:
The translation of a source language dialogue list is one of the earliest stages in the dubbing process. Although access to a working copy of the film is crucial for translators to verify non-visual information and make appropriate decisions on aspects such as register or pragmatic intention, this is not always made available to them (Hensel 1987). The translators’ participation in the dubbing process often ends with the production of a dialogue list in the target language; in practice, translators do not concern themselves with lip movements as they usually lack experience in dialogue adaptation and adjustment techniques (Luyken et al. 1991). A ‚dubbing writer‘ who is adept at lip reading (Myers 1973) but not always familiar with the source language takes over at this point to ‚detect‘ the text. This involves identifying those sounds delivered by screen actors and marking their presence on the relevant frame of the film strip (Paquin 2001). Once the adaptation is ready, the film dialogue is divided into passages of dialogue, called ‚loops‘ (Myers 1973) or ‚takes‘ (Whitman-Linsen 1992), whose length depends on the country where the dubbed version is produced. These takes become the working units during the revoicing of the dialogue track, which is carried out under the supervision of a dubbing director and a sound engineer. The involvement of so many professionals in the dubbing process explains why this form of audiovisual translation is up to fifteen times more expensive than subtitling (Luyken et al. 1991). The actual translation and adaptation of the dialogue amounts to only 10 per cent of the overall cost (Dries 1995), although this depends on the genre – with action and humour films being the cheapest and most expensive, respectively (Muntefering 2002). (Pérez González 2009: 17)
Heute spricht man nicht mehr von LoopsLoop, die tatsächlich aus zu Ringen geklebten Filmstreifen bestanden und so Wiederholungen vereinfachten, sondern nur noch von TakesTake.1
Verallgemeinernd kann man sagen, dass der Übersetzer nur in sehr kleinen Firmen wirklich Einfluss auf das endgültige SynchronbuchSynchronbuch hat. Nur dort werden Übersetzer in jeder Phase des Übersetzungs- und Bearbeitungsprozesses eingebunden. In größeren Firmen haben sich die oben geschilderten Strukturen herausgebildet, in denen professionell ausgebildete Übersetzer mehr oder minder ausgegrenzt sind. Eine Wandlung der Arbeitsteilung zeigt sich in manchen Firmen, ist aber noch immer nicht allgemein üblich. Hier wird daher der bisher übliche Arbeitsablauf dargestellt.
Das Handbuch Synchronisation (Pahlke 2009), das die Tätigkeitsfelder der Branche umreißt, verschweigt die Existenz von Übersetzern weitestgehend und ermutigt kein einziges Mal professionell ausgebildete Übersetzer, im Tätigkeitsfeld Synchronisation tätig zu werden. Zu Recht weist Herbst darauf hin, dass das Verfahren der RohübersetzungRohübersetzung (ausführlicher weiter unten) für kompetente Übersetzer frustrierend ist. Diese Meinung teilen auch die Firmen. Matthias Müntefering von der Deutschen Synchro äußerte Seifferth gegenüber im Interview, Diplom-Übersetzer seien „mit Recht zu teuer für das Durchgangsprodukt Rohübersetzung.“ (Seifferth 2009: 9) Außerdem sind die dafür zur Verfügung gestellten Unterlagen so spärlich, dass es bei der Rohübersetzung schnell zu Fehlern kommen kann (Herbst 1994: 199). Für die Abwesenheit von „normalen“ Übersetzern im Synchronprozess werden manchmal historische Gründe bemüht: In den 1950er Jahren wurden die deutschsprachigen Dialogbücher bei einigen erfolgreichen Filmen von herausragenden und bekannten Autoren verfasst. So stammt die deutsche Fassung