Petra Schier

Der himmlische Weihnachtshund


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Nase. »Puh, was bist du für ein Stinktier! Hast du die ganze Nacht da drinnen zugebracht?«

      Die kleine Hündin rekelte sich in seinem Arm und wedelte noch immer aufgeregt. Michael spürte etwas Warmes an seinem Bauch. »O nein!« Entsetzt ließ er den Welpen beinahe fallen, doch es war bereits zu spät. Auf seinem Sweatshirt hatte sich ein dunkler Fleck ausgebreitet.

      Michael verzog verärgert sie Lippen. »Das habe ich jetzt davon, was?« Er setzte das Tier zu Boden, das sich daraufhin auf sein Hinterteil plumpsen ließ und ihn erwartungsvoll anblickte. »Was mache ich denn jetzt mit dir?« Suchend blickte er sich um. »Am besten bringe ich dich ins Tierheim. Die wissen, was man mit Findelkindern wir dir macht.«

      Der Welpe sprang auf und jaulte wieder herzzerreißend, hüpfte an ihm hoch und versuchte, seine Hand zu erreichen. Michael konnte nicht anders als zu lachen. »Der Gedanke gefällt dir wohl nicht, wie? Aber ich kann dich nicht einfach frei herumlaufen lassen. Jemand muss sich um dich kümmern.«

      Als hätte die Hündin ihn verstanden, setzte sie sich bei diesen Worten wieder hin und blickte mit schräg gelegtem Kopf zu Michael auf.

      »O nein, Kleine. Ich doch nicht! Wo denkst du denn hin? Ich habe dich lediglich aus der Tonne gerettet. Das bedeutet aber nicht, dass du jetzt bei mir einziehst.«

      Die Hündin winselte und stupste ihn mit der Nase an. Michael seufzte, denn der traurige Hundeblick rührte ihn mehr, als ihm lieb war. »Ich schätze, du brauchst erst mal was zu fressen. Und vielleicht sollte ich dich zu einem Tierarzt bringen. Die wissen oft auch Leute, die jemanden wie dich aufnehmen würden.« Rasch warf er einen Blick auf seine Armbanduhr. Es war gerade Viertel nach sieben. Zu früh, um eine Tierarztpraxis geöffnet zu finden. Auch die Geschäfte hatten jetzt noch geschlossen. Ratlos betrachtet er den Welpen, dann kam ihm eine Idee. Er wusste, dass es unhöflich war, aber ihm war gerade eingefallen, wen er um Rat fragen konnte.

      Rasch zog er sein Smartphone aus der Hosentasche und suchte die Nummer von Julia Rosenbaum, der Steuerberaterin seiner Firma, aus dem Telefonbuch heraus. Er wählte und musste nicht lange warten, bis sich am anderen Ende Julias Stimme meldete. »Rosenbaum – wer stört so früh am Morgen?« Sie lachte. »Sag nichts, Michael, ich habe deine Nummer längst erkannt. Wenn du nicht ein so guter Kunde wärest, würde ich dir jetzt sonst was an den Hals wünschen.«

      »Guten Morgen, Julia«, grüßte er zurück und war erleichtert, dass sie tatsächlich schon auf war. Sie hatte ihm mal erzählt, dass sie gerne sehr früh morgens mit der Arbeit begann, um dann mehr Freizeit am Nachmittag zu haben. »Hör zu, ich habe ein Problem.«

      »Wenn du glaubst, ich könnte die Kosten für deine Geburtstagsparty als Bewirtungskosten absetzen, hast du dich geschnitten.«

      Michael lachte. »Nein, Julia, es geht nicht um die Firma oder meine Steuererklärung. Ihr habt doch einen Hund, oder?«

      »Ja, unseren Nick. Das weißt du doch.«

      »Zu welchem Tierarzt geht ihr mit ihm?«

      Am anderen Ende war es einen Moment still. »Geht es dir gut, Michael?«, kam dann etwas verspätet die Gegenfrage. »Wozu brauchst du einen Tierarzt?«

      »Ich war gerade joggen und habe in einer Mülltonne einen ausgesetzten Welpen gefunden.«

      »Ach du liebe Zeit!« Julia klang bestürzt. »Warum bringst du ihn nicht gleich ins Tierheim?«

      »Das wollte ich ja, aber der Gedanke scheint dem kleinen Mädel gar nicht zu gefallen.«

      Wieder war es einen Moment still. Dann sagte Julia mit einem erkennbaren Grinsen in der Stimme: »Sieh mal einer an. Steckt da ein kleiner Softie im großen Michael Sahler?«

      Er runzelte die Stirn. »Nenn mir doch bitte einfach den Namen deines Tierarztes, ja? Mehr will ich im Augenblick gar nicht.«

      »Wohl empfindlich«, war Julias amüsierter Kommentar. »Also gut. Wir waren bisher immer bei Herrn Dr. Kruse, aber der hat die Praxis vor einem Vierteljahr an eine junge Nachfolgerin abgegeben. Frau Dr. Maier ist sehr nett und eine tolle Tierärztin. Ihre Nummer ist fünf – eins – sieben – eins – fünf. Sie hat ab acht Uhr Sprechstunde und ist meistens schon früher dort. Du kannst also auch gleich zu ihr gehen. Ihre Praxis ist in der Rosenstraße zwölf.«

      »Rosenstraße? Das ist gut.« Michael nickte erfreut, obwohl Julia das ja nicht sehen konnte. »Ich bin gerade in der Rosenstraße, allerdings am anderen Ende. Bist du sicher, dass ich da so einfach reinplatzen kann?«

      »Klar, sie ist wirklich in Ordnung.« Julia hielt kurz inne. »Viel Glück für den kleinen Welpen. Ich hasse es, wenn Menschen so was tun.«

      »Ich auch. Danke, Julia.« Er unterbrach die Verbindung und speicherte erst einmal die Nummer der Tierärztin in sein Handy, dann wählte er und wartete. Dabei trat er unruhig auf der Stelle, denn allmählich wurde ihm kalt. Der Welpe saß weiterhin brav vor ihm und blickte ihn mit großen Augen an.

      »Komm schon, geh ran«, murmelte Michael, doch im gleichen Moment sprang der Anrufbeantworter an. Eine angenehme Frauenstimme verkündete, dass er außerhalb der Sprechzeiten der Tierarztpraxis Dr. Maier anrief. Michael verzog die Lippen und unterbrach die Verbindung. Den nach Abfall stinkenden kleinen Hund nahm er wieder auf den Arm und ging entschlossen los. Allzu weit war es ja nicht bis zur Praxis. Er hoffte bloß, dass die nette Frau Dr. Maier tatsächlich schon früher dort auftauchen würde.

      ***

      Das ist also der Michael-Mensch. Sieht ja richtig nett aus. Und er riecht gut. Aber nach der fiesen Mülltonne gilt das wohl für alles und jeden. Ich dachte schon, mir bleibt das Herz stehen, als er sagte, er wolle mich ins Tierheim zurückbringen. Ich bin doch froh, gerade von dort geflohen zu sein! Zum Glück konnte ich ihn überreden, es sich anders zu überlegen. Obwohl er was von einem Tierarzt gesagt hat, und das gefällt mir fast noch weniger. Tierärzte gucken einem überall rein und drücken an einem herum und dann stechen sie einen mit langen Nadeln. Das hab ich alles schon hinter mir, halte aber gar nichts davon.

      Na ja, die Elfen haben gesagt, dass ich auf jeden Fall bei diesem Michael-Mensch bleiben soll. Also werde ich das auch tun. Er hat was von Essen gesagt. Das wäre mal eine geeignete Maßnahme. Ich hab nämlich riesigen Hunger.

      Hach, von so einem netten Menschen getragen zu werden, hat schon was. Er ist warm und kuschelig. Na ja, zumindest sein Pulli und dort, wo ich nicht versehentlich einen Fleck gemacht habe. Unter dem Pulli fühlt er sich ziemlich hart an. So wie die großen, kräftigen Kampfhunde im Tierheim, die nur aus Muskeln zu bestehen scheinen. Ich wusste gar nicht, dass es das auch bei Menschen gibt. Aber er ist auf jeden Fall freundlicher als ein Kampfhund, das steht fest. Hoffentlich darf ich bei ihm bleiben. Ich glaube, das würde mir gefallen.

      4. Kapitel

      Ein wenig außer Atem schloss Fiona Maier die Tür zu ihrer Praxis auf und schälte sich aus ihrem Mantel. Es war bitterkalt an diesem Morgen und den Weg zur einzigen Bäckerei, die so früh schon geöffnet war, hatte sie im Laufschritt zurückgelegt. Die Tüte mit den Brötchen und Croissants, die sie jeden Tag für sich und ihre Sprechstundenhilfe besorgte, legte sie auf dem Anmeldetresen ab. Dabei fiel ihr Blick auf die blinkende Anzeige ihres Anrufbeantworters. Das Display zeigte an, das der Anrufer gerade eben erst versucht haben musste, sie zu erreichen.

      Stirnrunzelnd drückte sie auf die Wiedergabetaste. Hoffentlich nicht gleich ein Notfall so früh am Morgen! Doch wer auch immer versucht hatte, sie zu erreichen, er hatte einfach wieder aufgelegt. Die Handynummer kam ihr nicht bekannt vor, also dachte sie nicht weiter darüber nach. Erneut griff sie nach der Brötchentüte und trug sie nach hinten in die kleine Küche.

      Während sie Kaffee aufsetzte, ging sie in Gedanken die Termine des Tages durch und machte sich eine imaginäre Notiz, endlich den Brief an die Firma Sahler Futtermittel abzuschicken. Sie wusste selbst nicht, warum sie noch immer zögerte. Mehr als ablehnen konnten sie ihr Anliegen ja nicht. Wenn sie ehrlich zu sich war – und das vermied sie in diesem speziellen Fall zumeist –, dann musste sie sich eingestehen, dass es außer ihrer Angst vor einer Absage noch einen anderen Grund gab, weshalb