Sommer«, fuhr er fort, »ist ein Bundesgenosse für Charlotte geworden. Sehen Sie, dieser Reichtum, diese Freundlichkeit, diese allgemeine Lebenslust hat mich berauscht. Ich bin umhergegangen wie ein Blinder. Charlotte hat meine Liebe und auch meine Sehnsucht, meinen Wunsch, sie zu besitzen, wachsen sehen.
Ach, Sie wissen ja nicht … Jeden Morgen gegen sechs Uhr gehe ich von dem kleinen Anbau, in dem meine Zimmer liegen, hinüber in das Haupthaus, um meinen Morgenkaffee zu trinken. Da kommt mir Charlotte in dem großen hellen Esszimmer, wo die Luft durch die offenen Fenster hereinströmt, entgegen. Sie ist fröhlich und zwitschert wie ein Vöglein, und wir trinken unseren Kaffee zusammen, wir zwei allein. Weder der Propst noch seine Frau sind dabei.
Sie glauben vielleicht, Charlotte nehme die Gelegenheit wahr, mit mir von unserer Zukunft zu sprechen. Oh, ganz gewiss nicht! Sie spricht mit mir über meine Armen, meine Kranken, sie spricht über die Gedanken in meiner Predigt, die ihr am meisten zu Herzen gegangen sind. Sie zeigt sich in allen Dingen so, wie es sich für eine gute Pfarrfrau gehört. Nur einzelne Male, ganz im Vorbeigehen, nur scherzhaft, spricht sie auch von dem Lektorat. So ist sie mir Tag für Tag lieber geworden. Wenn ich dann wieder an meinem Schreibtisch sitze, wird mir das Arbeiten schwer. Ich träume von Charlotte. Ich habe Ihnen ja vorhin gesagt, wie ich mein Leben einzurichten gedenke. Nun träumte ich davon, wie meine liebe Charlotte sich von all den weltlichen Ketten loslöst und sie mir freudig in meine kleine graue Hütte folgt.«
Bei diesem Bekenntnis konnte Thea Sundler einen Ausruf nicht unterdrücken.
»Gewiss haben Sie recht«, sagte er. »Ich bin blind gewesen. Charlotte hat mich an einen Abgrund geführt. Sie hat nur einen Augenblick der Schwachheit abgewartet, um mir das Versprechen abzulocken, mich um ein Lektorat zu bewerben. Sie sah, wie dieser Sommer dazu beitrug, mich sorglos zu machen. Sie glaubte sich sicher am Ziel, und so hat sie Sie und alle die andern auf meinen Berufswechsel vorbereitet. Aber Gott hat mich beschützt.«
Noch einmal trat Karl Artur auf Thea Sundler zu. Er las vielleicht auf ihrem Gesicht, dass seine Worte ihr Freude machten, dass sie sich glücklich darüber fühlte. Aber nun schien es ihn zu reizen, dass sie sich an der durch sein Leiden hervorgerufenen Beredsamkeit erfreute. Ein schmerzlicher Zug flog über sein Antlitz.
»Glauben Sie nur ja nicht, ich freue mich über das, was Sie mir gesagt haben!«, brach er los.
Thea Sundler erschrak. Er ballte die Fäuste und schüttelte sie.
»Ich danke es Ihnen nicht, dass Sie mir die Binde von den Augen gerissen haben. Sie sollen sich nicht über das freuen, was Sie soeben gehört haben! Ich hasse Sie, weil Sie mich nicht in den Abgrund stürzen ließen. Ich will Sie nie wieder sehen.«
Er wandte sich ab und eilte den schmalen Pfad zwischen Frau Sundlers schönen Rosen hinab der Landstraße zu. Aber Thea Sundler ging in ihr Stübchen, warf sich in ihrer Zerknirschung auf den Fußboden und weinte, wie sie noch nie geweint hatte.
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