Bernhard Kempen

ARKADIA


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      Sie lachen nur. Verdammte Weiber!

      July besteigt den offenen Gleiter und okkupiert beide hinteren Sitzplätze, sodass ich mich notgedrungen neben die Pilotin setzen muss. Zögernd verwickle ich Greedy in ein Gespräch über die technischen Spezifikationen des Gleiters, um mich von den biologischen Details dieser Frau abzulenken. Doch im Grunde gibt es kaum etwas Bemerkenswertes zu ihrem Gefährt zu sagen, da es sich um ein bekanntes Standardmodell handelt, das in millionenfacher Ausfertigung auf der Erde und anderen Planeten im Gebrauch ist.

      Greedy lässt das Fahrzeug behutsam emporsteigen, legt sich in eine elegante Kurve und beschleunigt. Im Fahrtwind kühlt sich mein erhitztes Gemüt allmählich ab, während unter uns der Raumhafenkomplex zurückfällt. Dann gleiten wir über hellgrüne Farngraswiesen und dunklere Wälder aus Moos- und Farnbäumen dahin. Nur vereinzelt tauchen weiße Gebäude aus Betonit auf, doch dazwischen keine einzige Straße, die die nette Landschaft verschandelt hätte. Nur ein Fluss, der sich in weiten Mäandern durch das Grün schlängelt und in dem sich der dunkelblaue Himmel von Arkadia spiegelt.

      Dann landen wir vor einer größeren Gebäudegruppe an einem idyllischen See. Die Frauen erklären mir, dass es sich gewissermaßen um das Zentrum von Arkadia handelt, wo sich der größte Teil der Bevölkerung des Planeten konzentriert.

      »Arkadiapolis!«, prahle ich mit meinem angelesenen Wissen.

      Die beiden stutzen für einen kurzen Moment, bis sie leise lachen.

      »Ja, das ist die offizielle Bezeichnung«, bestätigt July, »aber im Alltag benutzen wir sie kaum noch.«

      »Verstehe«, sage ich. »Da es die einzige nennenswerte Ansiedlung auf diesem Planeten ist, besteht kaum eine Verwechslungsgefahr mit anderen Städten.«

      Zumal das Ganze gar nicht wie eine richtige Stadt wirkt, sondern eher wie eine zufällige Ansammlung von Gebäuden, die sich harmonisch in die Landschaft einfügen. Also kein Vergleich mit den über Jahrhunderte gewachsenen, dicht gedrängten Megastädten der Erde.

      Schließlich bringen wir mein Gepäck in ein freies Apartment, das man mir für die Dauer meines Aufenthalts zur Verfügung gestellt hat.

      Greedy verabschiedet sich von uns, da sie noch einige Aufträge zu erledigen hat, und lässt mich mit July allein. Ich muss zugeben, dass ich darüber gar nicht so sehr enttäuscht bin, obwohl die kesse Pilotin viel eher meinen Vorstellungen von einer atemberaubenden Traumfrau entspricht. Aber schließlich kann man nicht pausenlos den Atem anhalten und träumen.

      Dann unternehmen July und ich einen kleinen Bummel durch Arkadiapolis – oder kürzer gesagt, die »Stadt«. Die Architektur bietet eine nette, weitläufige Anlage mit Apartments auf verschiedenen Ebenen, die an schattigen Säulengängen liegen, sozusagen die Arkaden von Arkadia, dazwischen freie Plätze mit Gärten, Springbrunnen und gemütlichen Bänken. Und natürlich tummeln sich überall splitterfasernackte Arkadier und Arkadierinnen, die bestenfalls einen unauffälligen Armbandcom oder einen schmalen Gürtel um die Taille tragen, wenn sie kleinere Dinge zu transportieren haben. Und von beinahe allen werde ich auf geradezu unverschämte Weise angegafft. Am schlimmsten sind die Kinder, die mit dem ausgestreckten Finger auf mich zeigen und die Erwachsenen in ihrer Nähe offenbar in Erklärungsnotstand bringen.

      Während des Spaziergangs stellt sich ein merkwürdiger Effekt bei mir ein, denn schon nach kurzer Zeit hat es für mich kaum noch etwas Besonderes oder Aufregendes, überall nackte Brüste, Schwänze und Hintern zu sehen. Und noch etwas anderes Seltsames geschieht, das ich niemals für möglich gehalten hätte: Nach einer Weile fühle ich mich in meinen Klamotten unwohl. Ich habe das dumme Gefühl, mich zum Clown zu machen, wenn ich mich weiterhin bekleidet über die Oberfläche dieses Planeten bewege. Aber ich reiße mich zusammen und warte jedes Mal tapfer ab, bis sich diese Anwandlungen wieder gelegt haben.

      Am meisten verblüfft es mich, wie selbstverständlich die Arkadier miteinander umgehen. Sie arbeiten, plaudern, lachen und scheinen nicht die geringste Scheu vor Berührungen zu haben. Im Gegenteil, überall sehe ich, wie sie Händchen halten, sich umarmen und ständig die körperliche Nähe ihrer Mitmenschen suchen. Obwohl ich zugegebenermaßen Schlimmeres befürchtet habe, muss ich feststellen, dass es insgesamt verhältnismäßig gesittet zugeht. Das höchste der Gefühle sind ein junger Mann, der auf einer Wiese liegt und gedankenverloren den Hintern seines offensichtlichen Liebhabers streichelt, und eine Frau mittleren Alters, deren Hand auf den Weichteilen ihres Gesprächspartners liegt. Doch diese Berührungen wirken genauso unverfänglich wie ein alltägliches Schulterklopfen oder Händeschütteln. Obwohl ich jede potenziell verdächtige Bewegung registriere, erkenne ich keinerlei Anzeichen, dass irgendwo tatsächliche Schweinereien stattfinden. Dass die Arkadier bei jeder sich bietenden Gelegenheit in der Öffentlichkeit herumvögeln, scheint zumindest meinem ersten Eindruck zufolge ein Gerücht zu sein, das der ausufernden Fantasie eines Erdenmenschen mit sexuellen Defiziten entsprungen sein muss.

      

      2

      Dann lässt July mich gnädigerweise eine Weile in meinem Apartment allein, damit ich mich etwas erfrischen und meine ersten Eindrücke verarbeiten kann. Anschließend mache ich mich auf den Weg zum Besucherzentrum. July hat mir nahegelegt, diese Einrichtung unbedingt aufzusuchen, in der die Funktionen eines Fremdenverkehrsamts und einer Einwanderungsbehörde vereint sind.

      Hier treffe ich Thela wieder, die noch verschiedene Formalitäten erledigen muss, bevor sie sich offiziell als Arkadierin fühlen darf. Ich habe zwar nicht vor, einen Einreiseantrag zu stellen, aber es gehört zum Pflichtprogramm jedes Neuankömmlings, sich über die Gepflogenheiten der arkadischen Gesellschaft informieren zu lassen. Außerdem kann es nicht schaden, wenn meine geneigten Leser erfahren, welchen Prozeduren sich ein werdender Arkadier zu unterziehen hat.

      Man lässt uns eine Weile in der Empfangshalle warten, die mit einem künstlichen kleinen Wasserfall inmitten eines Dschungels aus irdischen und arkadischen Pflanzen dekoriert ist. Dann werden wir von Carl begrüßt, einem freundlichen, kräftig gebauten Schwarzen, der ungeniert seinen imposanten Hammer zwischen den Beinen baumeln lässt. Thela starrt mit kaum verhohlenem Interesse auf sein Prachtstück, bis Carl mir augenzwinkernd auf die Schulter klopft und uns offenbart, dass er weiblichen Reizen nur wenig abgewinnen kann. Thelas Interesse verflüchtigt sich merklich, während ich eine leichte Verkrampfung meines Schließmuskels verspüre. Natürlich habe ich als aufgeklärter Mensch des ausgehenden zweiundzwanzigsten Jahrhunderts meine Erfahrungen an beiden Fronten gemacht, aber in dieser speziellen Hinsicht bin ich äußerst wählerisch.

      Wir ziehen uns in eine gemütliche Sitzecke zurück, wo Carl uns einige allgemeine Hinweise gibt, wie man auf Arkadia miteinander umgeht. Er bestätigt meinen ersten Eindruck, dass man sich in der Öffentlichkeit mit zielgerichteten sexuellen Aktivitäten ein wenig zurückhalten sollte. Es würde sich zwar niemand darüber aufregen, wenn man seinen Bedürfnissen gemeinsam oder auch allein freien Lauf lässt, aber im Allgemeinen ziehen es auch die Arkadier vor, ihren Vergnügungen ungestört und in aller Ruhe nachzugehen.

      Obwohl die Arkadier auf den ersten Blick kaum etwas voreinander zu verbergen scheinen, wird die Wohnung eines anderen als Privatsphäre heiliggehalten. Wenn man jemandem einen Besuch abstatten möchte und er oder sie nicht auf das Signal des Türmelders reagiert, obwohl man fest davon überzeugt ist, dass sich dieser Jemand in seinen eigenen vier Wänden aufhält, respektiert man einfach diesen Ausdruck des Wunsches nach Ungestörtheit und geht seiner Wege. Man sollte in einer solchen Situation auf keinen Fall ein zweites Mal klingeln, außer wenn ein wirklich ernster Notfall vorliegt.

      Als Carl mich davon zu überzeugen versucht, dass ich weniger Probleme hätte, wenn ich auf meine absolut überflüssige Kleidung verzichten würde, stößt er bei mir auf taube Ohren. Seinem Gesichtsausdruck entnehme ich, dass er für meinen exzentrischen Standpunkt nicht das geringste Verständnis aufbringt und mich vermutlich für vollkommen bescheuert hält, aber schließlich gibt er seinen sinnlosen Bekehrungsversuch auf. Denn zu meinem Glück gilt es auf Arkadia als äußerst unfein, irgendjemanden zu irgendetwas zwingen zu wollen.

      Das einzige ausdrückliche Verbot besagt,