einen Leichten Kreuzer zu fliegen. Hinzu kam, dass die Shuttles nur auf dem ersten Band im Phasenraum fliegen konnten, was einer 1600-fachen Lichtgeschwindigkeit gleichkam. Für die zwanzig Lichtjahre zur PROTECTOR benötigte das Team also etwa fünf Tage. Mit dem Rückflug und zwei Tagen Aufenthalt war ihre Rückkehr für den 25. November geplant gewesen. Ein Tag hinter dem Zeitplan zu liegen, bedeutete bei diesen Problemen und Entfernungen nichts. Trotzdem machte Jayden sich Sorgen. Es war seine Mannschaft. Und er war nicht der Einzige, der sich sorgte.
Die vergangenen Tage waren für die Besatzung der HYPERION ereignislos verlaufen. Zu ereignislos.
Die Wissenschaftler arbeiteten daran, die neuen Sondendaten auszuwerten. Nach dem Abschalten der Phasenaggregate konnten die Sonden das Artefakt nun anfliegen. Lieutenant Commander Lorencia und ihre Crew arbeiteten hart daran, das Antriebsproblem zu beseitigen, was deutlich mehr Zeit in Anspruch nahm, als bisher gedacht. Wenn sie wieder zurück in der Solaren Union waren, würde Jayden sich den ein oder anderen Techniker zur Brust nehmen, der dafür verantwortlich war.
Ansonsten herrschte Alltag, der aber von einer permanenten Spannung durchzogen wurde. Die Gefahr durch die Parliden, die Unwissenheit über die Herkunft und Macht des Artefakts und die Verspätung des Teams um Lieutenant Kensington zerrten an den Nerven der Crew.
Er beneidete den Piloten des Kurierbootes nicht im Geringsten. Auf Phase drei flog ein solches Mini-Schiff mit 3300-facher Lichtgeschwindigkeit. Der Flug zur Erde war also in etwa achtzehn Tagen zu schaffen. Da er die Informationen auf die höchste Geheimhaltungsstufe gesetzt hatte, würde der Bote nicht bis zum Rand der Solaren Union fliegen und die Informationen per Phasenfunk übermitteln, sondern die Nachricht persönlich überbringen. Vermutlich hatte er sich in Stase versetzt, wie die meisten Kuriere es taten. Eine Antwort erwartete Jayden nicht. Die Admiralität wusste, dass er mit einem Abschluss der Mission lange vor dem Eintreffen neuer Befehle rechnete.
»Phasenabdruck am Rand des Systems«, meldete Lieutenant Nurakow, der Vertreter von Tess Kensington an der Ortungskonsole. »Die Überlichtplattformen beginnen passiven Scan und warten auf Transpondercode.«
Jayden atmete erleichtert auf.
»Telemetriedaten der Plattformen gehen ein.« Nurakow öffnete überrascht den Mund und blickte auf. »Transponderkennung negativ. Ich starte eine Überprüfung der Signatur.«
Jayden zuckte innerlich zusammen. Seine schlimmsten Befürchtungen schienen wahr zu werden.
»Sir, die Auswertung ergibt eine 92,45-prozentige Wahrscheinlichkeit für ein Parlidenschiff.« Auf der Ortungskonsole blinkte ein rotes Icon weithin sichtbar auf. »Zwei weitere Abdrücke, Sir. Ebenfalls Parliden.«
Jayden ließ sich nichts anmerken, während sein Magen gen Boden sackte. Drei Parlidenschiffe! Die Bewaffnung der HYPERION war gut, aber nicht so gut.
Vor seinem inneren Auge sah Jayden das brennende Wrack der DEFENDER II. Er hatte das Schiff als Interims-Captain in einen Kampf geführt, den nahezu niemand überlebt hatte. Eine Kolonie gerettet, ein Schiff verloren. Er würde den Moment nie vergessen, als er – schwer verletzt – aus dem Bullauge der Rettungskapsel die Explosion sah. Das Ende der DEFENDER II. Und nun sollte er etwas Ähnliches erneut tun? Ein Artefakt retten, um den möglichen Preis des Todes einer gesamten Crew. Es waren verdammt noch mal drei Parlidenschiffe!
Sein Blick wanderte zum taktischen Display. Kämpfen oder fliehen? Ein Rückzug wäre vermutlich die sicherere Alternative. Sie konnten immer noch versuchen, das Artefakt zu sprengen. Und die PROTECTOR? Überlichtschneller Funk war nicht möglich, da sie den genauen Einflugvektor des Schiffes in das System nicht kannten. Und bis das Schiff die Parliden orten konnte, würde kostbare Zeit vergehen, da diese vermutlich als Erstes die Sensorplattformen abschießen würden.
Nein! Er konnte es nicht. Kameraden im Stich lassen, die Mission aufgeben und die Sicherheit der Solaren Union gefährden? Auf keinen Fall.
Seine Eltern hatten gelacht, als er – ein reicher Dynastiesprössling – zur Space Navy gegangen war. Seine Herkunft hatte ihm in den Anfangsjahren eine Menge Probleme bereitet. Seine Kameraden hatten ihm Vetternwirtschaft vorgeworfen und ihm das Leben zur Hölle gemacht. Dabei hatte Jayden von Anfang an jedwede Unterstützung durch den Einfluss seiner Familie abgelehnt. Ein Ausgestoßener zwischen zwei Welten. Aber er hatte es geschafft. Er war seinen Weg gegangen. Er hatte Tikara II gerettet, Menschenleben geschützt.
Das hier waren sein Schiff, seine Mannschaft. »Lieutenant McCall, versuchen Sie Kontakt zu den Parliden aufzunehmen.«
Nach einigen Minuten meldete sie: »Keine Antwort, Sir. Ich versuche es weiter.«
Er blickte zu seiner I.O. »Gehen Sie auf Gefechtsalarm. Es sieht so aus, als müssten wir die Bewaffnung der HYPERION einem praktischen Test unterziehen.«
Sie nickte und wirkte dabei auf seltsame Art und Weise beruhigt.
Augenblicke später war die Kommandobrücke in rotes Licht getaucht. Ein breiter Streifen des Wandpanels, der rot aufleuchtete, zeigte den Alarmstatus im ganzen Schiff an.
»Lieutenant Nurakow, wie lange wird es dauern, bis die gegnerischen Schiffe in Gefechtsreichweite sind?«
»Bei gleichbleibendem Vektor und prognostizierter Geschwindigkeit«, er rief die aktuellen Angaben auf sein Display, »werden die Banditen I bis III innerhalb der nächsten neun Stunden in Gefechtsreichweite sein.«
Commander Ishida wandte sich an den Waffenoffizier. »Commander Akoskin, können Sie uns bereits eine Einschätzung von deren Offensivmöglichkeiten geben?«
Der Lieutenant Commander nickte. »Das kann ich, Commander – zumindest teilweise. Die beiden zuletzt eingetroffenen Schiffe – Bandit II und III – entsprechen von ihrer Tonnage unseren Leichten Kreuzern. Ähnlichen Schiffen sind wir auch schon im damaligen Krieg begegnet. Wenn ich in etwa die gleiche Entwicklung zugrunde lege, die auch unsere Schiffe durchlaufen haben, rechne ich mit mittelschwerer Bewaffnung bei leichter Panzerung. Ihre Offensiv- und Defensivbewaffnung ist der unseren unterlegen, dafür sind sie deutlich wendiger, da ihre Sublicht-Triebwerke und Trägheitskompensatoren leistungsfähiger sind. Das sind allerdings nur sehr vage Schätzungen. Wirklich sicher können wir uns nicht sein. Zu Bandit I kann ich nicht viel sagen. Seiner Masse nach handelt es sich um das Pendant zu einem Schweren Kreuzer. Entsprechend der entstandenen Phasenwelle gehe ich davon aus, dass er aus der dritten Phase gefallen ist.«
»Damit ist der Kampf, wie vermutet, ein unkalkulierbares Risiko.« Jayden rieb sich das Kinn. »Ich wünschte wirklich, wir hätten in den vergangenen Jahren mehr Informationen über deren Schiffstypen herausgefunden.«
Ishidas Finger glitten über die Oberfläche ihrer Kommandokonsole. Im Holotank schrumpften die Sensorergebnisse zu einem kleinen Ball und schwebten zu Boden. Stattdessen erschien die schematische Darstellung eines Leichten Kreuzers der Parliden, die mit lange veralteten Details versehen war. »Wir könnten es also mit zwei Leichten Kreuzern aufnehmen?«
»Vermutlich«, sagte Akoskin. »Aber diese Prognose mache ich unter Vorbehalt. Ich lasse den Computer gerade verschiedene Szenarien durchrechnen.«
»Machen Sie weiter.« Jayden nickte Akoskin auffordernd zu. »Lieutenant McCall, gibt es mittlerweile irgendwelche Reaktionen auf unsere Kommunikationsversuche?«
Das Kopfschütteln seiner Kommunikationsoffizierin zerstörte die letzte Hoffnung auf eine friedliche Lösung. Doch er würde den Teufel tun, den ersten Schuss abzufeuern.
Jayden beobachtete die Annäherung an den Parlidenkreuzer still, während seine Offiziere wie ein eingespieltes Team ihren Aufgaben nachgingen.
Sein erstes Kommando entwickelte sich immer mehr zum Desaster. Vermutlich bereute die Admiralität es längst, ihm den Tapferkeitsorden verliehen zu haben. Spätestens wenn die erste Armada aus Parlidenschiffen ihren Angriff auf die Solare Union begann, würde dem so sein. Andererseits traute er den Sternköpfen auch zu, die HYPERION einfach zu vernichten und sich dann stillschweigend das Artefakt unter den Nagel zu reißen. Alles war möglich. Sie wussten einfach zu wenig darüber, was in der Gesellschaft der Parliden vor