haben Sie zweifellos recht.« Walker ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. »Aber es ist auch nicht die Kompetenz meiner Kameraden, die ich hier anzweifle.«
Du verdammtes Arschloch!
Walker verstand es ausgezeichnet, seine Beleidigungen so zu verstecken, dass sie keine Handhabe gegen ihn besaß. Solange er sie nicht direkt beleidigte, würde jede Aktion gegen ihn als kleinlich gelten, was ihren Stand weiter verschlechterte. Nichtsdestotrotz würde sie eine Lösung für dieses Problem finden müssen, sobald ihr aktueller Auftrag erledigt war.
Bevor Noriko sich eine passende Erwiderung zurechtgelegt hatte, blinkte ein Icon auf Kensingtons Konsole auf.
»Das rentalianische Schiff fährt die Phasentriebwerke hoch«, meldete die Ortungsoffizierin. »Bei gleichbleibender Geschwindigkeit kann der Raumer in etwa acht Stunden in den Phasenraum wechseln.«
Walkers Provokationen waren vergessen.
»Lieutenant Task, bereiten Sie den Interlink-Flug vor. Passen Sie Vektor und Geschwindigkeit so an, dass wir hinter dem Schiff bleiben. Lieutenant McCall, halten Sie eine Phasenfunkverbindung nach Asul aufrecht, solange wir uns noch in Reichweite der Relais-Kette befinden.«
Auf das mehrstimmige »Aye, Ma’am« hin vertiefte Noriko sich in die Anzeige auf ihrer Kommandokonsole. Wohin flogen die Rentalianer mit dem Artefakt und der Bombe?
*
Alorasul (Hauptstadt von Rental IV), Rental-System, 12. Januar 2266, 19:30 Uhr
Sein zweiter Transmitterdurchgang in wenigen Stunden. Jayden blickte beeindruckt auf den Bogen, zwischen dem die Energie waberte. Während es im heimatlichen Sonnensystem Stunden dauerte, mit einem Shuttle zu einer der Raumstationen zu fliegen, dauerte es hier nur einige Sekunden, derartige Entfernungen zurückzulegen.
Lu stand direkt neben ihm, nur wenige Schritte vom Bogen entfernt. Hinter der durchsichtigen Fläche erkannte er mehrere Rentalianer in einem fahl beleuchteten Stollen auf dem Asteroiden.
Lu ging voran. Jayden folgte dichtauf. Ein kurzes Kribbeln überlief seinen Körper, dann stand er in dem unterirdischen Gang. Die Wände bestanden aus porösem weißen Gestein, das von Rissen und Schächten durchzogen wurde. Als er die Hand ausstreckte, um den Stein zu berühren, flammte ein gelblich schimmerndes Prallfeld auf.
»Wir haben die Schächte damit versiegelt und mit Atmosphären-Patronen für atembare Luft gesorgt«, sagte Lu. »So müssen wir nicht immer in Weltraumanzüge steigen, um den Raum aufzusuchen.«
Skeptisch ließ Jayden das Prallfeld erneut aufflammen. Obwohl auch in der Solaren Union immer mehr auf Kraftfelder und energetische Schutzmechanismen zurückgegriffen wurde, stand er dem Einsatz dieser Technik mit gemischten Gefühlen gegenüber. Ein Ausfall der Energie führte unweigerlich zu einem schmerzhaften Tod oder – wie auf dem Mars geschehen – einem unkalkulierbaren Risiko.
Lu ging tiefer in den Stollen und Jayden folgte ihm. Nach wenigen Metern erreichten sie eine kleine Kaverne, in der vier Rentalianer aufgeregt die Wand beäugten, mit Scannern darüberfuhren und hektisch miteinander tuschelten.
Jayden beobachtete sie nur kurz, dann wurde seine Aufmerksamkeit von der Wand in Anspruch genommen. Genauer: von den Zeichnungen und Symbolen, die in den Stein eingraviert worden waren.
»Wir konnten die Schrift bisher nicht entziffern.« Lu trat näher heran. Einen Schritt vor der Wand blieb er stehen. »Unsere Wissenschaftler arbeiten daran, die Übersetzungsdatei zu vervollständigen. Das ist jedoch nicht so leicht. Es scheint, als ob jedes der Symbole für ein komplettes Wort steht, nicht für einen Buchstaben. Das macht es deutlich schwerer.«
»Es ist eine Warnung«, flüsterte Jayden.
Die Rentalianer um ihn herum verstummten. Mit vor Verblüffung wackelnden Ohren blickten sie ihn an.
Jayden begriff selbst nicht, was gerade geschah. Die Worte an der Wand waberten, zerflossen und setzten sich in leicht verständlichem Solar wieder zusammen. Was geschah hier? Ihm wurde schwindelig und heiß. Das Atmen fiel ihm merkwürdig schwer. So ähnlich hatte er sich nach dem Erwachen auf dem Mars gefühlt.
»Sie können die Schrift lesen?« Lu war einen Schritt von ihm zurückgewichen. »Wie ist das möglich, Cross? Was steht dort?«
Jayden hatte so eine Ahnung, warum er die Symbole plötzlich entziffern konnte, doch das war jetzt bedeutungslos. Er streckte seine Arme aus und berührte ein von Strahlen umgebenes Halbrund. Der Stollen wurde in gleißendes Licht getaucht. Inmitten des Raumes erschienen schwebende Punkte, leuchtende Sonnensphären und Asteroiden. Er hatte eine Holosphäre aktiviert.
Die Rentalianer jaulten überrascht auf. Jayden war nicht minder verblüfft. Was immer hier vor sich ging: Er konnte nicht sagen, was er eigentlich tat. Er deutete auf einen spezifischen Stern, worauf ein Planetensystem herangezoomt wurde. In Jayden flammte das brennende Verlangen auf, den Stern aufzusuchen. Was war nur los mit ihm? Er wollte dorthin, wollte mit einem Schiff in dieses System fliegen, wollte den Stern … zerstören.
Krampfhaft schüttelte er den Kopf, schloss die Augen und taumelte zurück in den Gang. Er musste weg, dieser Suggestion entkommen.
Erst als die Kaverne hinter ihm lag, öffnete er die Augen. So schnell er konnte, rannte er zum Transmitterbogen, der noch immer in Betrieb war. Er hielt erst inne, als er wieder auf Asul stand.
»Was ist mit Ihnen?!« Lus aufgeregte Stimme holte ihn zurück in die Realität. Der Rentalianer trat gerade durch den Transmitterbogen. »Soll ich einen Heiler herbeiholen?«
Jayden riss sich zusammen. »Danke, aber nicht nötig. Es geht schon wieder.« Er richtete sich wieder auf. »Ich weiß, wohin Ihr Schiff fliegt.«
Lu legte den Kopf schief und die Ohren an. Sein Fell stellte sich auf.
»Kommen Sie, ich berichte Ihnen auf dem Weg. Wir müssen zum Großen Rudelführer. Und ich brauche sofort eine Phasenfunkverbindung in die Solare Union. Es gilt, schnell zu handeln.«
*
Raumstation SOL-22, Im Orbit um Neptun, 13. Januar 2266, 21:00 Uhr
»Ich hoffe, es ist verdammt noch mal wichtig!«, fluchte Admiral Santana Pendergast, als sie den Raum betrat.
Seine Kollegin wirkte zerzaust, was Björn unweigerlich schmunzeln ließ, war sie doch sonst immer wie aus dem Ei gepellt. »Ich fürchte, das ist es«, sagte er. »Es gibt beunruhigende Neuigkeiten von Captain Cross.«
Pendergast nahm Platz und strich sich die Uniform glatt. »Das ist in letzter Zeit recht häufig der Fall, wie mir scheint.«
Björn verzichtete auf eine Antwort. Die Admiralin mochte sich nach außen hin ruppig und skeptisch geben, doch momentan unterstützte sie seinen Kurs und damit die aktuelle Crew der HYPERION, was von unschätzbarer Bedeutung war. Weitaus bedeutender, als sie bisher ahnte.
Die Plätze um den Tisch füllten sich nach und nach. Einige Admiräle traten ein, andere materialisierten sich als Holo-Projektionen. Als einer der Letzten erschien auch Michalew.
Der Führer der Hardliner, und damit Björns erbitterter Gegner, wirkte seltsam abwesend. Tiefe Falten durchzogen das Gesicht des 56-jährigen. Sein braunes Haar war licht; die eisgrauen Augen strahlten nicht so energiegeladen wie sonst, sondern blickten trüb in die Runde.
An der Stirnseite des ovalen Tisches erschien das Hologramm von Admiral Zhang. Als dienstältester Admiral war er der offizielle Leiter der Space Navy und konferierte täglich mit der Präsidentin. Obwohl die meisten Fachentscheidungen von den jeweils zuständigen Admirälen getroffen wurden, kam es auch immer wieder zu demokratischen Abstimmungen. Gerade politisch wichtige Entscheidungen wurden so getroffen, da niemand alleine verantwortlich sein wollte.
Die Space Navy wird immer mehr zu einem politischen Organ, stellte Björn einmal mehr abfällig fest. Es blieb zu hoffen, dass diese