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Alles darf nicht so ernst genommen werden!
Im Verlag CW Niemeyer sind bereits folgende Bücher der Autorin erschienen:
SchattenHaut
SchattenWolf
SchattenGift
SchattenTod
SchattenGrab
SchattenSchwur
SchattenSucht
SchattenGier
SchattenZorn
SchattenQual
SchattenSchuld
SchattenSchnee
FriesenNerz
FriesenGeist
FriesenSpiel
FriesenLust
FriesenSchmutz
KurzKrimis und andere SchattenSeiten
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EPub Produktion durch CW Niemeyer Buchverlage GmbH
eISBN 978-3-8271-8402-3
Nané Lénard
FriesenFlut
Der Roman spielt hauptsächlich in bekannten Regionen, doch bleiben die Geschehnisse reine Fiktion. Sämtliche Handlungen und Charaktere sind frei erfunden.
Für Lisa und Enrico
Prolog
Es war auch jetzt am frühen Morgen schon wahnsinnig heiß in Neuharlingersiel. Ganz ungewöhnlich für den Landstrich an der Nordseeküste. Selbst die Einheimischen schüttelten mittlerweile den Kopf. Die Hundstage schienen in diesem Jahr nicht vergehen zu wollen. Man verschanzte sich jetzt gerne in den Kellern, wo man sowieso während der Saison wohnte, um seine eigenen Räume gewinnbringend zu vermieten. Dort war es schön kühl, während die Touristen schwitzten, aber die konnten ja auch ans Meer zum Baden gehen.
Weitere 14 Tage mit Extremtemperaturen hatte der Wetterfrosch angesagt. Inzwischen erhielt er anonyme Morddrohungen. Hitze machte manche Menschen zu Untieren. Ihre wahre Natur drang an die Oberfläche. Andere wiederum litten still oder nahmen sich Urlaub an der See, wo sie sich mehr im Wasser als an Land aufhielten. Wer unter dem Dach wohnte, hatte schlechte Karten. Der alte, hinkende Fischer Hinnerk außer Dienst war ein ebenso armes Opfer des Klimawandels wie die in Neuharlingersiel und Umgebung allseits bekannte Lotti Esen. Wie Hinnerk schwitzte auch sie unter ihren Dachschrägen. Eigentlich nannte Lotti jeder, der sie kannte, nur Oma Pusch. Sie war nicht nur wegen der legendären Rollmopsbrötchen aus ihrem Kiosk beliebt, sondern auch, weil sie immer ein wachsames Auge oder Ohr auf alles ringsherum hatte. Nichts blieb ihr verborgen. Wer etwas wissen wollte oder zu erzählen hatte, ging zu ihrem kleinen Verkaufsstand am Hafen. Dadurch blieb sie immer nah am Zahn der Zeit, und meist war sie sogar den Ermittlern bei Morduntersuchungen eine Nasenlänge voraus. Das ärgerte einen ganz besonders: Oberkommissar Eike Hintermoser, der ausgerechnet auch noch ein Neffe von Oma Pusch war, obwohl er so einen merkwürdigen Namen hatte, aber davon später mehr. Wir müssen dringend runter zum Strand, auch wenn die Morgenröte gerade erst verblasst, denn es ist Ebbe. Und die legt frei, was die Flut verborgen oder mitgebracht hat.
Fluch oder Segen
Kein Windhauch lag über dem Sand. Selbst die Möwen hörte man nicht. Sie hatten sich wohl längst ein schattiges Plätzchen gesucht. Aber einer tat, was er immer tat: Frühmorgens sah man ihn am Strand entlanghinken. Das eine Bein war kürzer als das andere. Einheimische wussten, dass Hinnerk seine Behinderung einem Unfall auf See zu verdanken hatte. Immerhin war er nicht ertrunken. Neptun hatte ihn irrwitzigerweise verschont. Warum auch immer. Manch einer munkelte, die Fische hätten ihn wieder ausgespuckt, weil er so sternhagelvoll gewesen sei. Konnte einer, der säuft, nicht ersaufen? Egal, er hatte überlebt, was er nur darauf zurückführte, dass der Alkohol ihn nicht hatte untergehen lassen. Mittlerweile fühlte er sich durch ihn zusätzlich konserviert und durchaus noch in der Lage, der schönen Witwe Hansen den Hof zu machen.
Heute war er wahnsinnig froh, dass sie ihn begleitete, während er nach Strandgut suchte, um seine magere Rente aufzubessern. Und obwohl die Sonne unbarmherzig auf Hinnerks spärliches Haupthaar brannte, klagte er nicht ein bisschen. Schließlich musste er stark für Lina sein, kein Waschlappen. Sein Handicap war schon schlimm genug. Er konnte froh sein, dass sie überhaupt Zeit mit ihm verbrachte. Das Herz ging ihm auf, wenn er sie beobachtete, wie sie da vor ihm in der Morgenröte hersprang mit ihren grauen Flechtzöpfen. Ja, sie war in der Tat eine ungewöhnliche Frau. Wenn sie ihn doch nur erhören könnte, dachte er, war aber zu schüchtern, sich zu erklären. Außerdem schwitzte er jetzt in seiner Cordhose und dem Flanellhemd. Das war peinlich.
Das Thermometer zeigte gegen sechs Uhr früh bereits 21 Grad. Und hier war es immer noch ein paar Grad kühler als im Inland. Alle Überlegungen, sich seiner warmen Kleidungsstücke zu entledigen, warf Hinnerk über Bord. Er hatte nun mal nichts anderes im Schrank. Sein letztes T-Shirt hatte ein großes Loch, die einzige dünne Hose, die er besaß, rutschte ihm von seinem mageren Gesäß. Wäre er allein gewesen, hätte er in der Feinripp-Unterwäsche weitergesucht. Doch das blieb wegen der Schicklichkeit ein Traum. Er musste sich ablenken, während der Schweiß inzwischen in Bächen von seinem heißen Schädel rann.
„Guck mal hier, Hinnerk!“, rief Lina Hansen und schwenkte eine Flasche.
„Toll“, freute sich der Fischer, „das gibt immerhin Pfandgeld.“
Wenig später sah er etwas im Sand blitzen. Er bückte sich und zog ein Klappmesser heraus.
„Ui“, sagte Lina, „das sieht doch noch ganz gut aus.“
Hinnerk nickte, während er seinen Fund betrachtete und eine der Klingen ausklappte. „Etwas rostig vielleicht, aber das kriege ich wieder hin. So ein Taschenmesser kann man immer gebrauchen.“
Lina lief ein Stückchen voraus. Sie hatte wohl ebenfalls etwas entdeckt.
„Wahnsinn, ein Handy“, jubelte sie und strahlte. „Ich wollte schon immer eins.“
„Geht es denn noch?“, erkundigte sich Hinnerk verwundert.
„Woher soll ich das wissen?“, fragte Lina. „Ich kann doch mit so was nich üm.“
„Giv moal her, dat Dingens“, bat Hinnerk und tippte auf dem Display herum. Es schaltete sich ein und forderte ein Passwort.
„Do is noch Licht in“, sagte Lina. Sie grinste glücklich.
„Schon, aber wir kommen nicht rein“, wandte Hinnerk ein.
„Aber das kriegst du doch bestimmt hin“, war sich Lina sicher und Hinnerk brummte dazu. Damit hatte er zumindest nicht gelogen, obwohl er stark anzweifelte, das sechsstellige Passwort knacken zu können.
Lina war vorerst zufrieden und steckte das Smartphone ein, das rotgolden in der Sonne geglänzt hatte. Dann hüpfte sie weiter und sang dabei. Hinter ihr ächzte Hinnerk in seinen warmen Klamotten. Er konnte sich nicht vorstellen, wie man bei den Temperaturen noch herumspringen konnte wie ein junges Reh.
„Nu hebb ick wat für di“, rief Lina zehn Meter weiter vorn.
Hinnerk hörte beim Näherkommen ein Summen. Als er seine Angebetete erreicht hatte, sah er, dass sie auf einen Strohhut zeigte, der Hunderten von Fliegen als Sitzplatz diente, während sich andere bemühten, ihre Konkurrenten zu verdrängen. Lina versuchte,