Susanne Kronenberg

Mord im Kloster Eberbach


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      Susanne Kronenberg

      Mord im Kloster Eberbach

      Norma Tanns neunter Fall

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      Im falschen Film Das Rheingauer Kloster Eberbach, berühmt für seinen Weinbau, ist seit den 1980er-Jahren weltbekannt als einzigartiger Schauplatz des Kinoerfolgs „Der Name der Rose“. Bei einer Vorführung des Mittelalter-Thrillers in der Eberbacher Basilika trifft die Wiesbadener Privatdetektivin Norma Tann auf Ecki Winterstein. Der Regisseur will einen Abschnitt der wechselvollen Klostergeschichte in einem Dokudrama aufleben lassen: Im 19. Jahrhundert diente die ehemalige Zisterzienserabtei als Heil- und Pflegeanstalt für psychisch Kranke. Doch während der Filmaufnahmen rüttelt ein Mord das Drehteam auf. Normas ehemalige Kollegen, die Kommissare Milano und Wolfert, verfolgen die Spuren der Verdächtigen. Als Ecki Winterstein Norma um Unterstützung bittet, stößt sie auf ein mysteriöses Ereignis. Im Winter 1985, während der Dreharbeiten zu „Der Name der Rose“, verschwand eine junge Frau aus dem Kloster. Tage später wurde sie gefunden. Sie schien unverletzt, ihre Sprache jedoch hatte sie für immer verloren …

      Susanne Kronenberg, in Hameln geboren und im Taunus heimisch, findet die Inspiration für ihre Romane in ihrer Wahlheimat. In ihrem neusten Kriminalroman führt sie ihre Wiesbadener Privatdetektivin Norma Tann in das berühmte Kloster Eberbach im Rheingau, der mit seiner anheimelnden Landschaft und historischen Bedeutung eine wunderbare Heimat für diesen Krimi bildet. Neben Kriminalromanen veröffentlichte die Autorin zahlreiche Kurzgeschichten in verschiedenen Anthologien sowie Jugendbücher, Fachbücher und Bücher zu regionalen Themen. Als Dozentin für Kreatives Schreiben gibt sie Kurse und Workshops. Sie ist Mitglied des „Syndikats“ und Mitgründerin der Wiesbadener Autorengruppe „Dostojewskis Erben“.

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      Lektorat: Katja Ernst

      Herstellung/E_Book: Mirjam Hecht

      Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart

      unter Verwendung eines Fotos von: © Jareck / stock.adobe.com

      ISBN 978-3-8392-6768-4

      1

      Kloster Eberbach

      Mittwoch, der 15. September

      »Ist jemand gestorben? Ihr zieht Gesichter wie auf einer Beerdigung!«

      Für einen Moment wandten sich alle Blicke dem Neuankömmling zu, der sich lächelnd umsah und die Aufmerksamkeit aufzusaugen schien. Auch Norma ließ sich in seinen Bann ziehen. Bisher kannte sie Sören I. Wahler nur aus den Abendprogrammen des Fernsehens, in denen er bevorzugt als Koryphäe der Wissenschaften oder Chefarzt zu erleben war. Aalglatte Manager und abgebrühte Rechtsanwälte verkörperte er ebenso überzeugend. Erfolgsverwöhnte Männer, die sich nicht mit Selbstzweifeln belasteten, schienen ihm auf den Leib geschrieben zu sein.

      Mit seiner flapsigen Bemerkung hatte der Schauspieler die trübe Stimmung auf den Punkt gebracht. Tuschelnd und mit bedrückten Mienen standen die Gäste in Grüppchen beieinander, obwohl der Grund ihres Zusammentreffens alles andere als Anlass zu Trübsinn gab. Ecki Winterstein, ein renommierter Fernsehregisseur, hatte zum Empfang nach Eberbach eingeladen – ins Mönchsrefektorium des Klosters – und würdigte damit stilsicher den Start der Dreharbeiten für sein jüngstes Projekt. Unter der mit barockem Zierwerk üppig bestückten Stuckdecke, die den einstigen Speisesaal der Zisterzienser überspannte, schienen sich die zwei Dutzend Personen zu verlieren. Wie Sören I. Wahler mochten es vor allem Schauspieler und Schauspielerinnen, aber auch andere Mitwirkende im Drehteam sowie Freunde und Geschäftspartner des Regisseurs sein, vermutete Norma. Alle waren ihr fremd bis auf Timon und Lutz, in deren Begleitung sie gekommen war. Seit Lutz Tann im Ruhestand war und seinen Verlag eher als Liebhaberei denn als Geschäft betrieb, gönnte er sich den Luxus, auch Bücher mit unpopulären Themen he­rauszugeben. Das Manuskript, das ihm Ecki Winterstein ans Herz gelegt hatte, fiel in diese Kategorie. Der Regisseur hatte sich ausgiebig mit der Historie der Psychiatrie beschäftigt, um darüber ein Dokudrama für das Fernsehen zu drehen. In einer Kombination von dokumentarischen Elementen und Spielszenen sollte eine außergewöhnliche Ära Eberbachs im 19. Jahrhundert lebendig werden: bahnbrechende Jahrzehnte, in denen das säkularisierte Kloster als »Irrenanstalt« und später als Heilanstalt Psychiatriegeschichte geschrieben hatte. Das »Buch zum Film«, die Biografie des ersten Direktors der Eberbacher Heil- und Pflegeanstalt, sollte das Projekt vervollkommnen. Mit der Einladung zu diesem Empfang wollte Winterstein seinem Verleger danken.

      Als Norma sich umschaute, entdeckte sie Timon und Lutz beim Studium der Weinflaschen, die auf einem Tisch zum Ausschank bereitstanden. Das intensive Betrachten der Etiketten sollte den Männern wohl die Zeit vertreiben. Bisher waren alle Gläser leer geblieben, und kein Gast traute sich, Hand an die Häppchen auf dem Buffet zu legen. Norma konnte niemanden entdecken, der Anstalten gemacht hätte, das Wort zu ergreifen und den Empfang offiziell zu eröffnen. Alle schienen angespannt auf den Regisseur zu warten. Sie bemerkte eine Frau, die nervös an der Fensterreihe entlangstrich und dabei abwechselnd auf ihr Mobiltelefon sah oder erwartungsvoll zum angrenzenden Klosterhof hinausstarrte.

      Die Frau, eine sportliche Erscheinung Ende 50 oder da­rüber, taxierte Norma mit intensivem Blick. »Mein Name ist Nelly Nebelsiek. Sie sind Frau Tann, nicht wahr?«

      »Wir kennen uns?«, wunderte sich Norma.

      »Nicht persönlich, aber wer sollten Sie sonst sein?«, meinte Nelly Nebelsiek lächelnd. »Sie und Ihre beiden Begleiter sind die einzigen Personen in diesem Raum, deren Gesichter ich zum ersten Mal sehe. Ihre Namen sind mir bekannt, weil ich die Einladungen verschickt habe. Der heutige Abend sollte ein wunderbarer Auftakt für unsere Zeit in Eberbach werden. Und nun diese Katastrophe!«

      »Was ist denn passiert?«

      »Unser Hauptdarsteller fällt aus! Er hatte gestern einen Unfall«, entgegnete Nelly Nebelsiek unverblümt. »Ecki telefoniert sich die Finger wund. Er ist auf 180. Wo findet man von heute auf morgen einen passablen Ersatz?« Sie brach mit einem schicksalsergebenen Seufzer ab.

      »Darf ich fragen, was Ihre Aufgabe in der Filmproduktion ist?«

      »Oh, ich fungiere je nach Bedarf als Sekretärin, Laufbursche und Seelentrösterin. Ecki nennt mich die ›Mutter der Kompanie‹, und das triff den Nagel auf den Kopf. Vor allem bin ich als ›Wilhelmine‹ engagiert. Ich bin Schauspielerin.« Wieder fühlte Norma sich aufmerksam gemustert.