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Mütter der Neuen Zeit


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zum Leben erweckt wurden. Unerwartete Finanzspritzen schmückten dann doch den Weihnachtsbaum mit Geschenken, und häufig wurde einem bewusst, dass weniger zu besitzen freier macht als man denkt. Wir gaben uns der Aufgabe, Eltern zu sein und unseren Kindern einen Schutzraum zu bieten, komplett hin und vertrauten dem Schicksal ganz selbstverständlich. Als ich dann zum zweiten Mal Mama wurde, klopfte erneut und energischer der berufliche Ursprungswunsch im sozialen Arbeitsfeld an. Die innere Unruhe in mir, bezüglich der beruflichen und familiären Zukunft, hatte hier schon ihren Ursprung. Während der zweiten Elternzeit, die nahtlos mit der ersten verschmolz, leitete ich von Mitte 2013 bis Mitte 2016 den Spielkreis der Krabbel- und Kleinkinder im Ort und bemerkte immer intensiver, dass das Zusammensein mit Kindern mich vollkommen erfüllte. Kinder faszinieren mich, weil sie noch auf ganz einfache und natürliche Art und Weise mit sich und der Welt verbunden sind. Sie können ohne Worte klar kommunizieren. So simpel wie es sich anhört, ist es eigentlich auch. Und trotzdem ist es Ausdruck einer Gegenwärtigkeit, nach der wir Erwachsenen uns heute sehnen.

      Immer öfter fesselten mich im Alltag die Augen der Kinder. Sie erblickten mich und sprachen mit mir. Einige dieser Augen schrien um Hilfe, und der Schmerz war so groß, dass ich auf der Stelle zu weinen begann als ginge die Welt unter. Andere zeigten mir pure Lebensfreude und streuten Glitzer in mein Leben. Ich saugte die Befindlichkeiten der Kinder förmlich auf. Diese Wahrnehmungsstärke führte mich also zu einem neuen Berufsfeld, der Tätigkeit als Tagesmutter.

      Von all diesen Gedanken und Gefühlen erzählte ich meinem Mann in unserem Gespräch. Wir erinnerten uns an die vergangenen Jahre, die wir so klar durch unsere gemeinsamen Werte gemeistert hatten. Ich erzählte ihm auch von meiner Unsicherheit in der Zeit der Krankheit, denn am Anfang akzeptierte ich die Berufswahl meiner inneren Stimme nicht. Es erschien mir schizophren. Wie um alles in der Welt kann ich Fremdbetreuung anbieten, wenn ich doch selbst Fremdbetreuung in den ersten Jahren der Kindheit völlig verwerflich finde?

      Wie so oft im Leben verließ ich mich aber auf meine Intuition, die letztlich auch meinen Mann überzeugte und startete im April 2018 die Qualifizierung zur Tagespflegeperson. Zuvor kündigte ich (mit einer inneren Sicherheit) nach 15 Jahren Betriebszugehörigkeit meinen sicheren und gut bezahlten Arbeitsplatz. Mutig fühlte ich mich, sehr mutig. Dieses Gefühl benötigte ich aber auch, um die kurzen Momente der Unsicherheit kleiner werden zu lassen. »Tue ich das Richtige? Ich werfe einen super bezahlten Job weg und starte in eine ungewisse Selbständigkeit.« Die Momente waren kurz, denn sofort klopfte die lange Zeit der Krankheit an und erinnerte mich, dass ich auf dem richtigen Pfad unterwegs war. Holprig und noch ungeteert war dieser Pfad, aber interessant und voller neuer Lebensenergie. Als ich das letzte Mal durch das Großraumbüro meines Arbeitgebers lief und dann die Tür hinter mir schloss, ploppte abrupt eine Hintergrundmusik in meinem Kopf auf. Kaum im Auto angekommen, drehte ich ohrenbetäubend laut das Lied »The storm is over« (©R.Kelly) auf. Und während ich mit voller Lautstärke mitsang, kullerten Tränen der Befreiung über meine Wangen. Die Befreiung spürte nicht nur ich, auch meine eigenen Kinder waren wie beseelt und erfreuten sich an der wieder neu gewonnenen Sicherheit, dass nun immer jemand zu Hause ist.

      Die Last war weg, und es war wieder Raum und Platz zur freien Entfaltung. Und unser Haus bekam wieder eine belebende Wärme geschenkt. Kochen, putzen, Vorbereitungen treffen, eine laufende Waschmaschine und kleine Kinderfüße über die Böden spazieren zu wissen, füllten die häusliche Hülle mit Licht und Liebe.

      In dieses Licht nehme ich durch meine Art der Betreuung die kleinen Tageskinder nun täglich mit. Dadurch schaffe ich eine familiäre Atmosphäre. Die Türe öffnet sich, und ich stehe den Kleinen gegenüber wie eine Tante oder auch Oma. Eine herzliche Umarmung und ein individuelles morgendliches Willkommens- und gleichzeitig Abschiedsritual von Mama oder Papa lässt jedes Kind einzigartig hier ankommen. Die Kinder beleben das Haus und strahlen Wärme aus, die unbeschreiblich wertvoll ist für das Zusammensein von uns allen. Diese kindliche Wärme und Fröhlichkeit zu wahren, ist meine Herzensangelegenheit. Das gelingt, wenn Fremdbetreuung sich nicht fremd anfühlt. Ich muss und will zu jedem einzelnen Tageskind eine liebens- und lebensfähige Beziehung aufbauen, nur dann kann Betreuung außerhalb des Elternhauses kindgemäß erfahren werden. Mein größter Wunsch ist es, dass die Kinder sich mit ihrer Seele verbinden können, um ihre Individualität zu wahren.

      Dieser Samen wurde in meiner eigenen Kindergartenzeit gesät, denn auch meine Erzieherin war – wie bereits erwähnt – berufen, Kindern eine Zeit der liebevollen Betreuung zu schenken. Niemals fühlte ich mich fremd, nicht gewollt oder komisch. Ich durfte sein, so wie ich war, und fühlte mich von ihr sehr gemocht.

      Wenn Betreuung sich wohlig warm anfühlt, dann kann sie gelingen und Früchte tragen. Und das geht nur, wenn man mit den Kleinsten auf Augenhöhe bleibt, sich Zeit nimmt für jeden und zugleich eine wirkliche Gemeinschaft schafft. Wenn alle Kinder morgens mit dem Spielen anfangen und mir zeigen, was sie schon alles können und was sie froh und glücklich macht, dann ist es ein Leichtes, diesen Frohsinn in den Tag zu tragen. An Tagen, an denen einer vielleicht noch etwas müde ist, kuscheln wir uns mit Buch und Handpuppe in eine Ecke und starten langsam in den Tag. Nach diesem Auftanken lässt sich dieses Kind leicht anstecken von den schon frei spielenden Tageskindern, und der Vormittag beginnt in einer angenehmen Einheit. Bei unserem täglichen Ausflug an die frische Luft, in die Natur, aufs Feld, sind alle vier Kinder glücklich. Sie rennen über die Felder und können grenzenlos herumtoben, kommen dann aber auch wieder gerne zurück in den Bollerwagen und freuen sich aufs Mittagessen. »Was gibt es heute, was kochen wir?« fragen sie dann in kindlicher Sprache und mit glitzernden Augen.

      Die Augen, das Tor zur Seele, sind für mich von größter Bedeutung. Der Glanz von Kinderaugen spricht für sich allein. Wenn er verlorengeht, geht auch die Leichtigkeit und Kindlichkeit. Täglich achte ich darauf, Sternenaugen zu sehen.

      Die Augen meiner Kinder funkeln wieder aus tiefstem Herzen, seit ich den ganzen Tag zuhause bin. Und auch mich steckt dieses Glitzern an. Es gibt mir Lebenskraft und Freude.

      Deshalb ist es mein Herzenswunsch, alle Mamas zu ermutigen, auf das Strahlen in den Augen ihrer Kinder zu achten. Wenn das Wohl des Kindes wieder an erster Stelle unseres Bewusstseins steht und wir uns nicht blenden lassen von zu vielen Meinungen der Gesellschaft, sondern in uns hineinhören und unser eigenes Glitzern wiedererkennen, dann finden wir dort den lichtvollen Weg schon klar vorgegeben, und wir müssen uns nur mutig trauen, diesen Pfad einzuschlagen.

       Das erste Jahrsiebt – Basis für Selbstannahme und Weltbeziehung

      Mein dreieinhalb-jähriger Enkel sagte zu mir: »Oma, meine Lieblingsfarbe ist Rot!« Dabei schien es, als wäre er mit seinem ganzen Leib und seiner ganzen Empfindung von dem Erlebnis Rot erfüllt. »Und deine Lieblingsfarbe ist Grün!« Er sah mich tief an. Können zwei Menschen sich näher sein, als wir in diesem Moment? Ein geheimes, tiefes Farbenverstehen verband uns. Es bedarf wenig Phantasie, um sich vorzustellen, dass diese klitzekleine Erfahrung zusammen mit den vielen, vielen anderen kleinen und größeren Erfahrungen sich tief einprägen wird, ja, dass alle Erfahrungen zusammen im wahrsten Sinne des Wortes leibbildend und zukunftsprägend sind. In dem großen Spektrum an natürlichen und künstlichen Sinneserfahrungen, die uns in der heutigen Welt umgeben, wird es immer wichtiger werden, dass wir Eltern und Großeltern uns dieser Auswirkungen auf die Leibbildung und damit unserer Verantwortung in der Auswahl derer bewusst werden.

      Dazu kommt, dass Kinder spüren, ob sie willkommen sind und bedingungslos geliebt werden. Unser vorbehaltloses: »Ja – du bist willkommen, so wie du bist!« lässt die Seele des Kindes wohlig eintauchen in den kleinen Körper und in die Welt wie in eine warme Badewanne. Sie wird für ihr Leben gesättigt und damit innerlich unabhängig und stabil in ihrer Beziehungsfähigkeit. Intellektuelle Überforderung, Kritik, Bewertung, Trennung und andere Kränkungen lassen die Seele zurückschrecken wie unter einer kalten Dusche. Unangemessene emotionale Abhängigkeit und Bindungsstörungen können daraus folgen.

      Bekommt später die wunderbare Phantasie im freien Spiel und das große »Können« weiten Raum, ob beim Familiespielen, Waffelnbacken, Feuermachen, Schnitzen und Nähen, Klettern, Bauen, Malen oder Matschen, dann kann sich das Kindergartenkind in seiner ganzen selbstständigen