Maya Schneebeli

KOMPASS - Zürcher Kompetenztraining für Jugendliche mit Autismus-Spektrum-Störungen


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mit einer Autismus-Spektrum-Störung lernen wie andere Menschen am Erfolg. Bei ihnen besteht mehr als bei anderen die Gefahr, dass sie bei Misserfolg aufgeben, da Fehler und Misserfolg zu Unklarheit, Unsicherheit und einer Art Kontrollverlust führen. Daher sollen sie möglichst nahe an ihrer Leistungsgrenze üben, sodass jede Übung möglichst schnell zu einem Erfolgserlebnis wird. »Prompts« helfen, dass das Verhalten (z. B. Einsatz von Gestik) erfolgreich gezeigt werden kann. Zu Beginn sollten jeweils mehr spezifische Prompts (z. B. Bild von Gesten, image Abb. 1.1) eingesetzt werden, die dann später nur noch eine Erinnerungs- oder Platzhalterfunktion haben (z. B. Mühlesteine als Erinnerungshilfe, mehr Gesten einzusetzen) ausgeschlichen werden, bis sie nicht mehr nötig sind. Sollte das Verhalten nicht mehr sicher oder wieder zu selten gezeigt werden, können wieder »Prompts« verwendet werden.

      16. Shaping: Nach Howlin et al. (1999) soll der Schwierigkeitsgrad der Aufgaben und Übungen laufend gesteigert werden. Mit dem verhaltenstherapeutischen Begriff »Shaping« ist gemeint, dass ein Verhalten zuerst im Ansatz da ist, und dann durch weiteres Üben immer mehr verfeinert wird und mehr Merkmale umfasst und der Teilnehmer auch allfällige Ausnahmen dazu kennt.

      17. Abstrahieren von Konkretem: Die KOMPASS-Autoren sind der Ansicht, dass auch die umgekehrte Problematik zur Konkretisierungsschwäche, nämlich die Abstraktionsschwäche, beachtet werden muss. Menschen mit einer Autismus-Spektrum-Störung fällt es immer wieder schwer, aus einzelnen konkreten Informationen ein übergeordnetes Konzept zu bilden, was mit der präferierten lokalen Informationsverarbeitung von Menschen mit einer Autismus-Spektrum-Störung zu tun hat. So geschieht aber implizites Lernen: Man erkennt in Einzelbeobachtungen oder Informationen den roten Faden und deduziert die zugrundeliegende konzeptuelle Idee. Erst das abstrakte Konzept kann man zur Generalisierung auf neue Situationen nutzen. Der Therapeut muss dem Klienten mit einer Autismus-Spektrum-Störung helfen, diese abstrakten Konzepte zu erkennen und zu verstehen.

      18. Inzidentelles Lernen: Das Lernen in der natürlichen Umgebung und nicht innerhalb einer gezielten Übungssituation ist besonders wirksam.

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      Es gibt keine ideale Therapie für Menschen mit einer Autismus-Spektrum-Störung, weder im Einzel- noch im Gruppensetting. Die Interventionen müssen individuell an den Betroffenen angepasst werden und seine Entwicklung berücksichtigen. Nach Remschmidt et al. (2006) sollte »die Intervention – neben Verhaltensaspekten – kognitive, emotionale, motivationale und körperliche Faktoren in gleichem Masse berücksichtigen, um dem Menschen mit Asperger-Syndrom in seiner Ganzheitlichkeit gerecht zu werden und ihn auf allen Ebenen zu fördern« (S. 190).

      1.6.3 Übersicht über evaluierte Trainingsprogramme

      Bei einer Literaturrecherche fanden sich bis Herbst 2008 vierzehn evaluierte Gruppentrainings für Kinder und Jugendliche mit einer Autismus-Spektrum-Störung im höheren Funktionsbereich. Mit Ausnahme des Sozialtrainings von Herbrecht et al. (2008) liegen den Autoren die dort verwendeten Manuale oder eine konkrete Beschreibung der Übungen und Aufgaben nicht vor. Wie die Übersicht von Jenny (2010) zeigt, werden eine Vielzahl von Themen und Methoden (image Kap. 1.6.1) angewendet. An dieser Stelle sollen die Studien der Vollständigkeit halber in der Reihenfolge ihres Erscheinungsjahres kurz erwähnt werden.

      • Mesibov (1984) beschreibt ein Gruppentraining (in Kombination mit Einzelstunden) der sozialen Kompetenzen für sprechende autistische Jugendliche ab 14 Jahren und Erwachsene. Neben dem gezielten Einüben sozialer Fertigkeiten soll sich eine langfristige Begegnungsgruppe im Sinne einer Selbsthilfegruppe entwickeln.

      • Die Gruppenbehandlung von Williams (1989) für Kinder im Alter von neun bis 15 Jahren findet wöchentlich in der Schule statt und umfasst unter anderem direkte Verhaltensinstruktionen für den schulischen Alltag.

      • Das Gruppentraining von Marriage et al. (1995, zit. nach Krasny et al. 2003), das mit einer parallelen Elterngruppe durchgeführt wird, richtet sich an Kinder von acht bis zwölf Jahren mit Asperger-Syndrom.

      • Das Sozialtraining in der Gruppe von Ozonoff und Miller (1995), das auch soziale Anlässe außerhalb der Gruppe umfasst, vermittelt Jugendlichen mit Autismus-Spektrum-Störungen im Alter von elf bis 15 Jahren spezifische Interaktions- und Gesprächskompetenzen sowie explizit ein Training der Theory of Mind.

      • Das Gruppentraining von Barry et al. (2003) für Kinder mit High-Functioning-Autismus im Alter von sechs bis neun Jahren, verwendet auf Regeln basierende Instruktionen in Form von sozialen Geschichten.

      • Solomon et al. (2004) haben ein Gruppenprogramm mit begleitender Elterngruppe für durchschnittlich intelligente oder lernbehinderte Kinder im Alter von acht bis zwölf Jahren mit Autismus-Spektrum-Störungen zusammengestellt, das auch gruppentherapeutische Prozesse berücksichtigt.

      • Das Gruppentraining von Sloman und Leef (2004, zit. nach Tse et al. 2007) für Neun- bis 14-Jährige mit Asperger-Syndrom bietet eine parallele Elterngruppe und arbeitet schwerpunktmäßig mit der Technik des Rollenspiels.

      • Baumingers (2002, 2006) multimodales kognitiv-verhaltenstherapeutisches Sozialtraining für Kinder und Jugendliche mit High-Functioning-Autismus oder Asperger-Syndrom wird in der Schule durch die Lehrperson durchgeführt und bezieht Trainingseinheiten mit einem unauffälligen, gleichaltrigen Kind mit ein. In der zweiten Studie (2006) werden zudem wöchentliche Einzeltrainings angeboten.

      • Das Gruppentraining von Gevers et al. (2006) bezieht sich auf ein manualisiertes Programm (Steernemann et al. 1996), das für Kinder von acht bis elf Jahren mit sozialen Beeinträchtigungen inklusive einer Autismus-Spektrum-Störung entwickelt wurde. Es wird zudem eine psychoedukative Elterngruppe angeboten.

      • Dunlop et al. (2002) haben ein Gruppenprogramm für Kinder von sechs bis elf Jahren und für Jugendliche von zwölf bis 16 Jahren mit Asperger-Syndrom zusammengestellt und evaluiert. Da diese Evaluationsstudie nur online und nicht in einer Fachzeitschrift publiziert ist, wurde es nicht in die Übersicht von Jenny (2010) aufgenommen. Das Besondere an dieser Studie ist, dass die Eltern in einem Interview vor dem Training drei individuelle Zielkompetenzen für ihre Kinder formulieren konnten, die anschließend auch überprüft wurden.

      • Das manualisierte Gruppentraining von Sofronoff et al. (2007) für Kinder von zehn bis 14 Jahren mit begleitender Elterngruppe arbeitet mit einem Belohnungssystem, es setzt auch die Social Stories von Gray (1998) ein und legt einen Schwerpunkt auf die Gefühlserkennung und -regulation.

      • Tse et al. (2007) stellen ein Sozialtraining für Jugendliche mit Autismus-Spektrum-Störungen im Alter von 13–18 Jahren vor. Sie arbeiten mit dem Manual von Goldstein und McGinnis (2000, zit. nach Tse et al. 2007), das nicht spezifisch für die Behandlung von autistischen Jugendlichen entwickelt wurde. Sie setzen vor allem Rollenspiele ein und organisieren auch soziale Aktivitäten außerhalb der Gruppe.

      • Das manualisierte Intensivtraining von Lopata et al. (2008) wird während der langen Sommerferien täglich durchgeführt und richtet sich an Kinder mit Asperger-Syndrom, High-Functioning-Autismus oder einer tiefgreifenden Entwicklungsstörung (NOS) im Alter von sechs bis 13 Jahren. Es wird mit dem Manual von Lopata et al. (2006, zit. nach Lopata et al. 2008) und nach dem Programm Skillstreaming (Goldstein et al. 2000; McGinnis und Goldstein 1997) gearbeitet und zudem eine begleitende Elterngruppe angeboten.

      • Das KONTAKT-Gruppentraining von Herbrecht et al. (2008) für Kinder und Jugendliche mit guten intellektuellen und verbalen Fähigkeiten mit einer Autismus-Spektrum-Störung im Alter von acht bis 19 Jahren ist an verhaltenstherapeutischen Prinzipien ausgerichtet und beinhaltet ein Verstärkersystem. Trainingsschwerpunkte sind die Emotionserkennung sowie die Verbesserung der Fremd- und Eigenwahrnehmung, aber auch konventionelle