Helmut Schlegel

Verwandlung feiern


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      Mit einem weiten Herzen leben.

      Ein Herz, wie es Jesus hatte.

      Ein Herz für die anderen,

      die Gemütlichen und die Ungemütlichen,

      die Geliebten und die Gefürchteten.

      Jesus, berühre mein Herz

      mit der Kraft deines Herzens

      und lass daraus

      die Heilkraft des Friedens fließen.

      Mit Jesus lasst uns beten:

       Vaterunser

       gemeinsam beten

       Segnen

       einander still segnen

       UND FÜHRE UNS DURCH DIE VERSUCHUNG

       ERSTER FASTENSONNTAG

       Einstimmen

      Wer bin ich? Bewusst oder unbewusst bewegt mich diese Frage jeden Tag. Manchmal freut sie mich, manchmal ärgert sie mich. In der Bibel finden wir die Frage schon auf der ersten Seite. Die Schöpfungsgeschichte versucht eine Antwort. Die Erzählung, wie Gott den Menschen aus Erde bildet und ihm seinen Atem einhaucht, meint, dass wir beides sind: Erde und Geist, sterbliche Wesen und Gottes geliebte Kinder. Mit der Frage „Wer bin ich?“ gehen wir durch die Fastenzeit. Wir tun es in aufrechtem Gang, also im Bewusstsein, dass wir eine göttliche Würde in uns tragen. Wir tun es auch im Bewusstsein unserer Schwäche und in der Sehnsucht nach Vergebung.

      Beginnen wir im Zeichen des Kreuzes, das uns Halt und Erlösung gibt, und im Namen des dreifaltigen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

       Um Vergebung bitten

      Ich möchte, dass mein Kopf frei wird von den quälenden Gedanken, in denen ich mich nur um mich selbst drehe. Herr, erbarme dich.

      Ich möchte, dass meine Augen gütig werden, frei von Neid und Eifersucht, neugierig auf alles Schöne um mich. Christus, erbarme dich.

      Ich möchte, dass meine Ohren hellhörig werden und durch die vielen Töne und Geräusche hindurch das Wort Gottes vernehmen. Herr, erbarme dich.

       Vor Gott bringen

      Gott des Lebens, wir kommen zu dir am Beginn der Fastenzeit. In unsere leeren Hände legst du eine Zeit, die wir gestalten und feiern dürfen. Vierzig Tage, die uns spüren lassen, wonach wir hungern. Vierzig Tage, die unsere Sinne schärfen für das, wonach andere dürsten. Begleite uns in der Zeit der Stille und des Verzichts und gib uns die Kraft, Raum zu schaffen für deine Gegenwart.

       Hören

      Gen 2,7–9; 3,1–7 und Mt 4,1–11

       Vertiefen

      Vor vielen Jahren habe ich den Roman von Werner Bergengruen „Der Großtyrann und das Gericht“ gelesen. Der Großtyrann ist Herr der Stadt Casano. Er führt ein strenges Regiment, aber, so meint er es jedenfalls, nur zum Besten seiner Stadt. Eines Tages will er seine Untertanen auf die Probe stellen. Er inszeniert einen Mord und streut jeden Tag ein anderes Gerücht in der Bürgerschaft, wer der Mörder gewesen sein könnte. Er führt die Leute bewusst in Versuchung. Er will herausfinden, wie sie in ihrer Angst reagieren. Nach einer schlimmen und heillosen Zeit, in der sich alle gegenseitig bezichtigen, um die eigene Haut zu retten, beruft der Großtyrann eine Gerichtsverhandlung ein. Er deckt alles auf, die Meineide, die Intrigen, den Verrat an den besten Freunden, die dunklen Machenschaften, mit denen sich die Bürger seiner Stadt aus der Affäre ziehen wollten. Der Großtyrann schließt mit der Feststellung: „Ich habe gesehen, dass der Mensch nur in Versuchung geführt zu werden braucht, um in Schuld zu fallen.“ Da steht ein beherzter Bürger auf und sagt es dem Großtyrannen ins Gesicht: „Du bist der schlimmsten Versuchung erlegen, nämlich der, andere in Versuchung zu führen.“

      „Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen!“ Wir beten diesen Satz tagtäglich. Wenn wir genau darüber nachdenken, stockt uns der Atem: Ist das möglich? Kann Gott uns in Versuchung führen? Was könnte er damit wollen? Kann es sein, dass Gott uns auf die Probe stellt? Will er wissen, wie weit wir treu sind und wo wir schwach werden?

      Wenn es so wäre, dann müssten wir ihn als eine Art Großtyrann betrachten, wie ihn Bergengruen im Roman vorstellt. Nein! Gott hat es nicht nötig, uns auf die Probe zu stellen. Und er tut es auch nicht.

      Gott führt uns Menschen. Er führt uns durch unsere persönliche Lebensgeschichte. Er führt uns durch unsere Zeit, durch die Situationen unseres Alltags. Gott bietet sich uns immer als Weggefährte an. Nun ist aber das Leben nicht nur gut. Auf unserem Weg gibt es, das ist die konkrete Erfahrung, Stolpersteine und Schlaglöcher. Es gibt, vom Leben vorgegeben, Umwege, Irrwege, Abwege. Es gibt, wenn wir im Bild bleiben, Wegelagerer und Räuber. Ich kann mich als Mensch auf meinem Lebensweg verlaufen, ich kann fallen, ja sogar abstürzen. Das Leben selbst ist Versuchung, ja mein eigenes Herz ist Versuchung, ich kann mir zur Gefahr werden. Auch andere Menschen können mir zur Gefahr werden, sogar die Nächsten und Liebsten. Es gibt Angst, Misstrauen und Enttäuschung. Es gibt das Böse, das auf uns lauert. Jesus kennt das Leben, er kennt das Herz des Menschen. Jesus weiß, dass wir Menschen in Versuchungen geraten, oft, ohne uns dessen bewusst zu sein. Er weiß, dass nicht Lust oder Luxus die größten Versucher sind, sondern die Angst.

      Ich denke an einen Jugendlichen, der von seinen Kameraden als Feigling gehänselt wurde. Sozusagen als Mutbeweis stahl er in einem Geschäft eine Schachtel Zigaretten. Aber er war kein Dieb. Er wollte sich nur die Anerkennung seiner Kameraden erbetteln.

      Ich denke an jenen Mann, der seit Jahren wusste, dass man in seiner Firma Steuern hinterzog. Er machte das Spiel sogar mit – mit schlechtem Gewissen. Der Mann war kein Betrüger. Er hatte Angst, seine Arbeit zu verlieren. Die Angst macht zum Mitläufer. – Vielleicht ist das die übelste aller Versuchungen.

      Was wir im Vaterunser erbitten, bedeutet: Gott möge uns nicht in der Versuchung fallen lassen. Er möge uns im Gegenteil unbeschadet herausführen. Deswegen der wichtige Nachsatz: Erlöse uns von dem Bösen. Der Beter will sagen: Gott, löse uns aus der Fessel des Bösen, an die wir durch die Versuchungen des Lebens immer wieder gebunden werden. Bewahre uns davor, dass wir dem Bösen erliegen.

      Der Versucher sagt zu Jesus: „Befiehl, dass aus diesen Steinen Brot wird!“ (Mt 4,3) Es ist die Versuchung jedes Menschen. „Du sollst satt werden, du sollst alles haben“, sagt uns eine innere diabolische Stimme. Und die Werbeplakate sagen es uns auch. Nicht nur der Magen will satt werden. Auch die Augen und die Ohren, ja alle Sinne. Auch die Konten wollen satt werden, die Terminkalender, die Auftragsbücher. Wir sind nie ganz zufrieden. Wir sind nahezu unersättlich. Im Grunde wollen wir unsere verletzte und sehnsüchtige Seele sättigen.

      Wir sehnen uns im Grunde nach einem sinnvollen und glücklichen Leben und tun uns doch so schwer, den Sinn und das Glück zu genießen. Unser Lebenshunger will uns in Wahrheit zum Wesentlichen hinführen, zu einem bewussten Leben, zur Liebe, zu Gott. Das ist die Chance des Fastens und der Fastenzeit. Wer seinen Konsum einschränkt, wird seinen tieferen Hunger spüren. Und er kann zu den Quellen gelangen, die ihm wirkliches Leben schenken.

      Unsere zweite Versuchung heißt: Ich will etwas Besonderes sein. Auch diese Versuchung entspringt einem gesunden Bedürfnis. Wir brauchen Ansehen und Selbstwertgefühl, um leben