Jules Verne

Der Archipel in Flammen


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Ara­cho­va am 5. De­zem­ber und er­rich­te­te auf dem Schlacht­feld ein Sie­ges­zei­chen von drei­hun­dert ab­ge­schnit­te­nen Köp­fen. Das nörd­li­che Grie­chen­land war da­mit fast gänz­lich frei ge­wor­den.

      Lei­der war, be­güns­tigt durch die­se Kämp­fe, der Archi­pel den Ein­fäl­len der frechs­ten See­räu­ber preis­ge­ge­ben, wel­che je auf die­sen Ge­wäs­sern ge­haust hat­ten. Von die­sen nann­te man als einen der blu­tigs­ten und kühns­ten den Pi­ra­ten Sa­cra­tif, des­sen Name al­lein hin­reich­te, in al­len Hä­fen der Le­van­te Schre­cken zu er­re­gen.

      Sie­ben Mo­na­te nach der Zeit, mit der die­se Er­zäh­lung an­fängt, wa­ren die Tür­ken je­doch ge­nö­tigt ge­we­sen, sich nach ei­ni­gen der fes­ten Plät­ze des west­li­chen Grie­chen­lands zu­rück­zu­zie­hen. Im Fe­bru­ar 1827 hat­ten die Grie­chen ihre Un­ab­hän­gig­keit vom Golf von Am­bra­cia bis zu den Gren­zen von At­ti­ka zu­rück­ero­bert. Die tür­ki­sche Fah­ne weh­te nur noch in Mis­so­lung­hi, Voit­sa und Nau­pak­tes. Un­ter dem Ein­fluss des Lord Cochra­ne ver­zich­te­ten die Grie­chen des Nor­dens und die des Pe­lo­pon­nes auf ihre in­ne­ren Strei­tig­kei­ten und ver­sam­mel­ten am 31. März die Ver­tre­ter der gan­zen Na­ti­on zur Be­ra­tung in Tre­ze­ne, wo­bei die obers­te Ge­walt ei­ner ein­zi­gen Hand, und zwar der ei­nes Frem­den an­ver­traut wur­de, ei­nem rus­si­schen Staats­mann grie­chi­scher Ab­stam­mung, Capo d’Istria, ge­bo­ren in Kor­fu.

      Athen be­fand sich aber in den Hän­den der Tür­ken. Sei­ne Zi­ta­del­le hat­te sich am 5. Juni er­ge­ben, wo­mit das nörd­li­che Grie­chen­land in die Zwangs­la­ge ver­setzt wur­de, sich wie­der voll­stän­dig zu un­ter­wer­fen, doch un­ter­zeich­ne­ten Eng­land, Russ­land, Ös­ter­reich und Frank­reich am 6. Juli eine Übe­rein­kunft, nach der sie, un­ter Aner­ken­nung der Su­zerä­ni­tät der Pfor­te, doch auch eine grie­chi­sche Na­ti­on an­er­kann­ten. In ei­nem ge­hei­men Ar­ti­kel ver­pflich­te­ten sich die Si­gnat­ar­mäch­te über­dies, ver­eint ge­gen den Sul­tan vor­zu­ge­hen, wenn der­sel­be sich ei­nem fried­li­chen Ver­gleich wi­der­set­zen soll­te.

      Das sind die haupt­säch­lichs­ten Vor­komm­nis­se die­ses blu­ti­gen Krie­ges, wel­che der freund­li­che Le­ser sei­nem Ge­dächt­nis ein­prä­gen möge, da sie mit dem Fol­gen­den in ge­naues­tem Zu­sam­men­hang ste­hen.

      Die ein­zel­nen Tat­sa­chen, wel­che noch in­ni­ger die schon be­kann­ten Per­so­nen und die­je­ni­gen, wel­che in die­ser dra­ma­ti­schen Schil­de­rung fer­ner auf­tre­ten, an­gin­gen, wa­ren aber fol­gen­de:

      Un­ter den ers­ten Per­so­nen ist zu­nächst An­dro­ni­ka an­zu­füh­ren, die Wit­we des Pa­trio­ten Star­kos.

      Je­ner Kampf für die Un­ab­hän­gig­keit des Lan­des hat­te nicht nur Män­ner, son­dern auch Frau­en zu Hel­den ge­macht, de­ren Na­men glor­reich mit den Er­eig­nis­sen je­ner Zeit ver­floch­ten sind.

      Hier er­scheint auch der Name ei­ner Bo­bo­li­na, ge­bo­ren auf ei­ner klei­nen In­sel am Ein­gang des Golfs von Nau­plia. Im Jah­re 1812 wur­de de­ren Gat­te ge­fan­gen­ge­nom­men, nach Kon­stan­ti­no­pel ge­schleppt und auf Be­fehl des Sul­tans ge­pfählt. Da er­tön­te der ers­te Weck­ruf zum Auf­stand. Auf ei­ge­ne Kos­ten rüs­te­te Bo­bo­li­na 1821 drei Schif­fe aus und, wie es H. Bel­le nach dem Be­richt ei­nes al­ten Kle­ph­ten wie­der­er­zählt, nach­dem sie ihre Flag­ge auf­ge­zo­gen, auf wel­cher sich die von spar­ta­ni­schen Frau­en her­rüh­ren­den Wor­te »Ent­we­der dar­über oder dar­un­ter« be­fan­den, se­gel­te sie bis zur Küs­te Klein­asi­ens und ka­per­te und ver­brann­te die tür­ki­schen Schif­fe mit der Uner­schro­cken­heit ei­nes Tsa­ma­dos oder ei­nes Ca­na­ris. Nach­dem sie dar­auf das Ei­gen­tum an ih­ren Schif­fen frei­ge­big an die neue Re­gie­rung ab­ge­tre­ten, wohn­te sie der Be­la­ge­rung von Tri­po­litza bei, rich­te­te um Nau­plia eine Blo­cka­de von vier­zehn­mo­na­ti­ger Dau­er ein und zwang end­lich die Zi­ta­del­le zur Über­ga­be. Und die­se Frau, de­ren Le­ben mehr ei­ner Le­gen­de äh­nelt, muss­te um ei­ner Fa­mi­li­en­an­ge­le­gen­heit wil­len un­ter dem Dolch des ei­ge­nen Bru­ders ver­blu­ten.

      Noch eine an­de­re her­vor­ra­gen­de Ge­stalt ver­dient mit die­ser küh­nen Hy­drio­tin in glei­chen Rang ge­stellt zu wer­den. Im­mer brach­ten die­sel­ben Ur­sa­chen die­sel­ben Wir­kun­gen her­vor.

      Auf einen Be­fehl des Sul­tans wird in Kon­stan­ti­no­pel der Va­ter der Mo­de­na Ma­vro­ei­nis er­dros­selt, ei­ner Frau, de­ren Schön­heit ih­rer vor­neh­men Ge­burt gleich­kam. Mo­de­na stürzt sich dar­auf­hin so­fort mit in die Em­pö­rung, ruft den Auf­stand der Be­woh­ner von My­ko­ne her­vor, rüs­tet Fahr­zeu­ge aus, auf wel­che sie sich selbst be­gibt, or­ga­ni­siert Gue­ril­la­ban­den, wel­che sie an­führt, hält die Ar­mee Se­lim Paschas in den en­gen Schluch­ten des Pe­li­on auf und zeich­net sich vor­teil­haft aus bis zum Ende des Krie­ges, in­dem sie die Tür­ken in den Eng­päs­sen der Ber­ge von Phthio­tis fort­wäh­rend be­un­ru­higt.

      Noch ist Kaï­dos zu nen­nen, wel­che die Mau­ern von Vi­lia durch Spren­gung ver­nich­te­te und sich beim Klos­ter der hei­li­gen Jung­frau mit un­über­wind­li­chem Mute schlug. Mo­skos, ihre Mut­ter, die an ih­res Gat­ten Sei­te kämpf­te und die Tür­ken mit her­ab­ge­schleu­der­ten Fels­stücken zer­malm­te; De­spo, wel­che, um nicht den Mu­sel­ma­nen in die Hän­de zu fal­len, sich mit ih­ren Töch­tern, Schwie­ger­töch­tern und En­keln in die Luft spreng­te. Fer­ner die Su­lio­ten­frau­en, nebst de­nen, wel­che die in Sala­mis neu er­rich­te­te Re­gie­rung be­schirm­ten, in­dem sie die­ser die von ih­nen be­feh­lig­te Flot­til­le zu­führ­ten; Con­stan­ze Za­cha­ri­as, die, nach­dem sie in den Ebe­nen von La­ko­ni­en das Zei­chen zum Auf­stand ge­ge­ben, sich an der Spit­ze von fünf­hun­dert Bau­ern auf Leon­da­ri warf; fer­ner vie­le an­de­re, de­ren ed­les Blut in die­sem Krieg nicht ge­schont wur­de, in des­sen Ver­lauf man er­ken­nen konn­te, wes­sen die Nach­kom­men der al­ten Hel­le­nen fä­hig wa­ren.

      Eben­so hat­te auch Star­kos’ Wit­we ge­han­delt. Un­ter dem Na­men An­dro­ni­ka – den, wel­chen ihr ent­ar­te­ter Sohn hat­te, woll­te sie nicht füh­ren – ließ sie sich in der Be­we­gung eben­so durch un­wi­der­steh­li­chen Drang nach Ra­che, wie aus Lie­be zur Un­ab­hän­gig­keit hin­rei­ßen. Wie Bo­bo­li­na, die Wit­we ei­nes Man­nes, der hin­ge­rich­tet wor­den war, weil er sein Land zu ver­tei­di­gen such­te; wie Mo­de­na, wie Za­cha­ri­as, trat sie, wenn es ihr auch nicht gleich je­nen ge­stat­tet war, Schif­fe aus­zu­rüs­ten und Trup­pen zu un­ter­hal­ten, doch un­ver­zagt mit ih­rer Per­son in die er­schüt­tern­den Er­eig­nis­se die­ser Re­vo­lu­ti­on ein.

      Im Jah­re 1821 schloss An­dro­ni­ka sich den Ma­nia­ten an, wel­che der zum Tode ver­ur­teil­te und nach den Io­ni­schen In­seln ent­flo­he­ne Co­lo­co­tro­ni zu sich rief, als er am 18. Ja­nu­ar des ge­nann­ten Jah­res in Scar­da­mu­la lan­de­te. Sie nahm an der ers­ten ge­ord­ne­ten Schlacht in Thes­sa­li­en teil, als Co­lo­co­tro­ni die Be­woh­ner von Pha­me­ri und die von Ca­ri­te­ne an­griff, wel­che sich an den Ufern der Rhu­phia mit den Tür­ken ver­bün­det hat­ten. Eben­so wohn­te sie am 17. Mai der Schlacht von Val­tet­sio bei, wel­che die Flucht der Ar­mee Mu­stafa Begs her­bei­führ­te. Ganz be­son­ders zeich­ne­te sie sich aber aus bei der Be­la­ge­rung von Tri­po­litza, wo die Spar­ta­ner die Tür­ken als