Inger Gammelgaard Madsen

Schlangengift - Roland Benito-Krimi 7


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lächelte wieder und seine Stimme klang fast normal, als er fortfuhr. „Aber was führt dich zu uns? Seit deine Mutter von uns gegangen ist, habe ich nicht besonders viel von dir gesehen.“

      Roland räusperte sich.

      „Ich habe mich gefragt … wurde Salvatores Mörder schon gefasst?“

      Sergios Lächeln verschwand wieder.

      „Wir haben wirklich getan, was wir konnten. Glaub mir! Adriano Benitos Familie haben wir immer verteidigt. Aber du weißt, wie es ist, Rolando. Wir glauben zu wissen, wer es ist, aber die Beweise …“

      „Was habt ihr aus dem Autoverschrotter herausbekommen?“

      „Er hat steif und fest behauptet, nichts von dem Auto mit Salvatores Leiche gewusst zu haben, das sich auf seinem Grundstück befand, aber … hmm, sicher nicht die Wahrheit gesagt. Dann hat die Familie ihn gefunden. Drei Genickschüsse. Hinrichtung. Die anderen dachten wohl, er hätte geredet.“

      Roland schluckte und trank von dem Wasser, das Sergio ihm eingeschenkt hatte.

      „Aber das ist noch nicht zu Ende. Wir werden ihn schon noch kriegen, wenn nicht wegen Mordes, dann wegen etwas anderem. Mehrere Mafiosi sind ausgestiegen und haben angefangen, mit uns zusammenzuarbeiten. Wir haben einen Unterboss in Catania, der lustig singt. Der kann sehr nützlich werden.“

      „Ja, aber das ist doch wohl die Cosa Nostra, was haben die mit …“

      „Die meisten Clans kennen sich, und wenn sie festgenommen wurden und anfangen auszupacken, ist das Erste, was sie tun, ihre Konkurrenten in den anderen Familien reinzureiten, daher: wer weiß. Wir haben eine gute Zusammenarbeit mit Catania, meiner alten Abteilung.“

      „Aber kann man denen trauen? I pentiti. Den Reumütigen?”

      „Tja, das ist die Frage. Sie nennen sich ja Männer von Ehre. Wie ehrerbietig die in Wirklichkeit sind, ist zweifelhaft, aber die Aussagen können ja überprüft werden.“

      Der Fall um Salvatore stand trotz allem nicht still, das tröstete Roland. Als Salvatore verschwunden war, war Irene diejenige gewesen, die ihn daran gehindert hatte, nach Neapel zu reisen und selbst an den Ermittlungen teilzunehmen. Wie Asger Brink es nun tat, um seine Tochter zu finden. Roland hatte seinen Schmerz spüren können, seitdem sie sich im Café voneinander verabschiedet hatten.

      „Ich habe noch eine andere Sache, ich habe einem … äh, Freund versprochen, mich danach zu erkundigen. Er sagt, er habe euch kontaktiert. Seine Tochter ist hier in Napoli verschwunden.“

      „Davon weiß ich nichts.“

      „Die Frau ist nach einer Tauchtour in Ischia verschwunden.“

      „Nein, darüber weiß ich wirklich nichts. So viele werden vermisst gemeldet, daher … vielleicht ist es eine andere Abteilung, wir treten uns mit ganzen fünf Korps fast auf die Füße.“ Sergio richtete seine Krawatte.

      „Fünf?“

      „Ja, fünf! Wären es nur ein oder zwei wäre es überschaubar, aber man braucht auch Platz für die Polizia di Stato, das staatliche Polizeikorps. Polizia Penitenziaria, die Gefängnispolizei. Corpo Forestale dello Stato, die Waldpolizei und Guardia di Finanza, die sich um den Zoll und Wirtschaftskriminalität kümmert, so wie wir, die Arma dei Carabinieri, es ja über die militärischen Aufgaben hinaus auch tun. Ja, und damit nicht genug, haben wir noch die Polizia Provinciale, die Provinzpolizei, die Polizia Municipale, die Stadtpolizei, die sich jedoch hauptsächlich um Verkehrsdelikte kümmert, und nicht zu vergessen die Guardia Costiera, die Küstenwache. Alle sind eigenständige Korps, daher verstehst du vielleicht …“

      „Ja, ich weiß nicht, an wen sich mein Freund gewandt hat – vielleicht an die verkehrte Abteilung“, murmelte Roland verwirrt.

      „Ist die Vermisste Italienerin?“

      „Nein, Dänin. Sie heißt Elisabeth Brink, 35 Jahre. Versierte Taucherin. Ihr Vater ist hierhergekommen, um nach ihr zu suchen.“

      Roland kramte in seiner Tasche und holte das Foto heraus. Er legte es vor Sergio, der es kurz betrachtete.

      „Ich werde die Sache untersuchen. Das muss eine furchtbare Situation für ihn sein. Hat er schon in den Krankenhäusern nachgefragt?“

      „Ich glaube, er hat getan, was er konnte, aber er spricht kein Italienisch, daher …“

      Sergio stand auf und sah entschlossen auf die Uhr, dann ging er zum Schrank, zog den Bügel aus der schicken Jacke und zog sie an. Er richtete sich auf und schob die Brust raus, während er die Jacke zuknöpfte. Danach legte er eine Hand schwer auf Rolands Schulter.

      „Weißt du was, Rolando. Ich finde, du solltest deinem dänischen Freund helfen. Ich muss zu einer Versammlung – oder besser gesagt, einer Festlichkeit. Ein Kollege, der in Rente geht – du verstehst. Du kennst sicher die Redewendung: Wenn du nicht zu der Beerdigung deines Freundes gehst, kommt er auch nicht zu deiner, oder? Wir sehen uns noch einmal, bevor du wieder abreist. Vielleicht könnten du und deine Frau uns privat besuchen? Ihr habt unser schönes Haus mit Treppen durch die Klippen vom Meer bis hoch zum Garten noch gar nicht gesehen. Wie lange bleibt ihr?“

      Roland dachte sofort an Irene mit Gehhilfe und Krücken, was natürlich besser als der Rollstuhl war. Er stand ebenfalls auf und bereitete sich auf weitere Küsse und Umarmungen vor. Er fühlte sich in Bermudashorts und einem verschwitzten T-Shirt sehr klein und unbedeutend neben dem uniformierten, schicken Riesen.

      „Das wird die Zeit zeigen. Ein paar Wochen sind wir sicher noch hier.“

      Er ging mit Sergio hinaus in die Herbstsonne. Das Foto ließ er auf seinem Schreibtisch liegen. Die Küsse bekam er vor einem glänzenden, schwarzen Alfa Romeo mit roten Streifen aus, die zu der Uniform passten.

      „Grüß daheim. Wir sehen uns, Rolando.“

      Er schaute dem Auto nach, als es durch die schmale, gepflasterte Straße wegfuhr.

      Deinem dänischen Freund helfen! Er spürte immer nochSergios schwere Hand auf seiner Schulter. Warum sollte er einem Wildfremden helfen? Aber es war doch so: Wenn nicht ein Wildfremder Salvatores Leiche im Auto beim Schrotthändler gemeldet hätte, wäre er nie gefunden worden. Für immer wäre er verschwunden gewesen für die Familie, die nichts davon geahnt hätte, dass er zusammen mit einem Auto zu einem kleinen Schrottwürfel zerquetscht geendet wäre, statt im Familiengrab beigesetzt zu werden. Er hatte einen Kloß im Hals und machte sich auf den Rückweg. Er musste in der Mitte der schmalen Straße gehen, weil auf beiden Seiten entlang der abgeblätterten Fassaden Autos parkten – und in Aarhus sprachen sie von Parkproblemen.

      Einige von Sergios Worten klangen in ihm nach. Irgendetwas stimmte nicht. Als er über den Mord an seinem Vater gesprochen hatte, hatte er Palermo erwähnt. Aber soweit Roland wusste, war er in Neapel getötet worden. Woher hatte er das eigentlich? Oder war er einfach wie selbstverständlich davon ausgegangen? Er schüttelte den Kopf. Nein, er wollte es nicht wissen. Was sollte das bringen? Eine ältere Frau in einem kleingeblümten blauen Kittel grüßte ihn. Sie verschnaufte, mehrere volle Einkaufstüten zu ihren Füßen. Vielleicht wartete sie darauf, von jemandem abgeholt zu werden. Er grüßte lächelnd zurück, obwohl er sie nicht kannte. Das war eine der guten Sitten in Neapel. Alle schienen sich zu kennen. Die Gebäude sahen verfallen aus, aber nicht ohne einen gewissen Charme. Wohl der, dem die meisten Italien liebenden Touristen erlagen. Sie schauten nicht dahinter. Sahen nicht den Verfall, den Dreck. Ein Junge auf einem Motorroller fuhr mit hohem Tempo dicht an ihm vorbei. Sein Arm streifte Rolands Schulter, wenn es nicht bloß der Luftzug war.

      In der Via Stella machte er halt bei einem Spielzeugladen, der wie ein kleineres Tivoli aussah. Vor dem Geschäft standen runde, rote Tische mit Coca-Cola-Logo, weil man dort auch Getränke, Pizza und so etwas kaufen konnte. Ihm gefiel ein kleines rosafarbenes Fahrrad mit Stützrädern, aber Gabriella war zu klein und Marianna zu groß. Er beschloss, später noch mal wieder zu kommen, um ein Mitbringsel für Marianna zu kaufen. Sie war schwer enttäuscht gewesen, dass sie nicht mit Oma und Opa nach Neapel gedurft hatte,