Robert Corvus

Perry Rhodan 3102: Der Eiserne Kontinent


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sie an den Sportwettkämpfen des Bataillons teilnahm, hätte er sie für einen Teenager halten können. »Willst du bei ihr sein, wenn sie aufwacht?«

      »Wir sind Soldaten, keine Krankenpfleger.« Birn sagte es so hastig, als wollte er sich gegen eine Anklage verteidigen. »Mein Platz ist mitten im Geschehen. Also meistens dort, wo gekämpft wird.«

      »Wir haben genug andere, die deinen Platz für eine Weile einnehmen können«, stellte der Bataillonskommandeur fest.

      Birn presste die Zähne aufeinander. »Bitte, offen sprechen zu dürfen.«

      »Na los.«

      »Ich wurde wegen meiner Qualifikation ausgewählt, Perry auf den Planeten zu begleiten. Ich glaube, dass sich daran nichts geändert hat. Ich bin noch immer am besten qualifiziert, zumal ich bereits auf Bhanlamur im Einsatz war. Ich will in den Einsatz.«

      Myrilla wirkte so friedlich, dass es unpassend erschien, an ihrem Lager von Kämpfen zu sprechen.

      »Sie würde wollen, dass ich gehe«, behauptete Birn. »Auch Myrilla ist mit ganzem Herzen Soldatin.«

      »Hast du schon einmal jemanden getötet?«, wollte Carrera wissen.

      »Nein.« Der Soldat straffte sich. Ob er sich unbewusst ein wenig zur Seite drehte? Oder wollte er, dass die graue Raute an seiner Felduniform seinem Befehlshaber ins Auge fiel? »Aber ich hätte kein Problem damit, wenn mein Auftrag es verlangen sollte.«

      Carrera nickte. »Leutnant Emer Honn ist auf Bhanlamur gefallen. Deine Leistungsdaten und dein Rang machen dich zum Anführer der Kampfgruppe, Korporal, bis ein neuer Offizier das Kommando übernimmt.«

      Birn salutierte. »Ich werde dich nicht enttäuschen.«

      »Du wirst deine Leute nicht enttäuschen«, versetzte Carrera kühl. »Ich werde die Einsatzbefehle bald übermitteln. Eine halbe Stunde bleibt dir noch, dann wirst du deine Kampfgruppe bereit machen müssen.«

      Er musterte den Mann, der auf derselben Stufe der Militärhierarchie stand wie Carrera vor zwei Jahrzehnten. Das war nur ein Zehntel der Lebenserwartung eines Terraners, aber in diesem Moment fühlte es sich ein Menschenleben entfernt an. Trotzdem erinnerte sich Carrera, dass auch er darauf gebrannt hatte, seine ersten Meriten im Einsatz zu erwerben.

      Bei Weitem nicht alle waren so. Jeder Soldat hatte ein Vorrecht auf einen eigenen Charakter, und im Rahmen der Kameradschaft auf Sympathien und Antipathien. Ein Offizier musste alle führen und gemäß ihrer Befähigung einsetzen: die Tapferen und die Weisen, die Gierigen und die Dummen. Aus ihnen allen musste er eine Einheit formen, die den Auftrag erfüllte. Gehörte Birn zu den Dummen oder zu den Tapferen?

      Auf dem Südkontinent würde Carrera ihn im Auge behalten und es herausfinden. Und dann würde er Janer Birn an den Platz stellen, an dem er am besten zum Erfolg des Bataillons beitrug.

      Carrera salutierte und verließ die Krankenstation.

      5.

      Politik

      Lat-Antin kletterte auf den Turm der GEVELU AVALANI. Sofort traf sie ein Schwall Salzwasser. Sie war froh, dass sie die letzte Leitersprosse noch fest in der Faust hielt.

      »Nimm eine Leine!« Der Wind riss die Worte von Assena-Drees Lippen. »Du musst dich festbinden!«

      Lat-Antin stieg das letzte Stück hoch. Nun konnte sie über die Brüstung auf das bleifarbene Meer hinausschauen. Haushoch hoben sich die Wellen heraus. Der Regen fiel mit solcher Wucht herab, als wollte er die See niederdrücken. Trotz der Mittagszeit war der Südhorizont vor ihnen dunkelgrau.

      Der Schwerpunkt des Tauchträgers kippte über einen Wellenkamm. Der Bug neigte sich, in steiler Schussfahrt ging es abwärts. Lat-Antin klammerte sich an eine Haltestrebe.

      »Hast du die Leine?«, fragte Assena-Dree.

      Die GEVELU AVALANI erreichte das Wellental. Der stromlinienförmige Rumpf tauchte so tief unter die Oberfläche, dass Lat-Antin befürchtete, auch der Turm würde überspült. Sie wollte sich jedoch nicht die Blöße geben, zurück ins Innere zu springen. Hektisch hakte sie eine Sicherungsleine in die dafür vorgesehene Öse ihres Gürtels.

      Spritzwasser durchnässte sie und riss ihr die Mütze vom Kopf. Ob sie den Turmschacht hinunterfiel oder über Bord ging, sah sie nicht. Sie prustete und hustete Wasser aus.

      Immerhin pendelte der Tauchträger zurück in die Waagerechte.

      »So schnell nicht!« Assena-Dree lachte. »So leicht drückt man uns nicht auf Grund!«

      Auf der rechten Seite dröhnte der Rumpf.

      Lat-Antin wischte sich mit dem Unterarm das Salzwasser aus den Augen. Sie brauchte einen Moment, um zu erkennen, was dort vor sich ging.

      Einer der Haluter klammerte sich mit seinen vier Pranken an der nur wenig vorstehenden Aufhängung einer eingeklappten Tragfläche fest. Er brachte es sogar fertig, sich daran heraufzuziehen, bevor er sich mit seinen Säulenbeinen am Rumpf abstieß und zurück in die Fluten sprang. Das Dröhnen, das dabei aus seinem Maul drang, war wohl ein Lachen.

      »Sie halten also wirklich mit?«

      »Bisher.« Assena-Dree nickte. Lat-Antin fragte sich, wie die Mütze auf dem Kopf der Kommandantin hielt. »Wenn wir in ruhige See kommen, werden wir äußerste Kraft voraus geben. Ich bin gespannt, ob sie dann immer noch Fische spielen wollen.«

      Zweifelnd sah Lat-Antin über die See. Der Haluter war im Auf und Ab der Wellen verloren gegangen, aber sie hörte ihn noch. Oder einen der anderen beiden.

      Der Bug stieg auf, das Schiff machte sich daran, den nächsten Wellenberg zu erklimmen.

      »Irgendwann müssen sich selbst diese Wesen erschöpfen«, meinte Lat-Antin. »Wie lange brauchen wir noch bis Drakanur?«

      »Zwei Tage und ein paar Stunden. Auf See weiß man das nie so genau. Das Wetter macht seinen eigenen Plan.«

      Lat-Antin konnte sich nur schwer vorstellen, dass die Fahrt über die Wellen effizienter war, als unter Wasser einer geraden Linie zu folgen. »Wieso tauchen wir nicht unter dem Sturm hindurch?«

      »Das werden wir, sobald wir in das eigentliche Sturmgebiet kommen.«

      »Was ist denn das hier, wenn es kein Sturm ist?«

      »Raue See.«

      Lat-Antins Magen signalisierte ihr, dass er sich der Grenze des Erträglichen näherte. Sie ließ sich wohl besser eine Injektion gegen die Übelkeit geben. Aber erst musste sie noch etwas mit ihrer Freundin klären. Falls Assena-Dree überhaupt eine Freundin war. Lat-Antin dachte seit dem Auslaufen darüber nach, ob eine Politikerin überhaupt Freundschaften pflegen konnte, wenn sie etwas erreichen wollte.

      Zwei Haluter zogen sich auf den Rumpf, während sich der Tauchträger anschickte, die nächste Schussfahrt die Welle hinunter anzutreten. Sie waren erstaunlich behände, wenn man ihre Masse und ihren gedrungenen Körperbau betrachtete.

      Einer der beiden war wesentlich kleiner als der andere. Das musste Bouner Haad sein.

      Die Haluter legten sich flach auf den Rumpf, die Schädelkuppen voraus. So bekamen sie die volle Wucht der Elemente ab.

      Lat-Antin zog es vor, sich hinter die Brüstung zu kauern. Der Aufschlag im Wellental fühlt sich an, als träfe der Bug auf Fels.

      Dennoch fand die GEVELU AVALANI erneut in die Waagerechte. Lat-Antin zog sich hoch.

      Die Haluter waren an Ort und Stelle. »Unglaublich ...«

      »Die sind hart im Nehmen!« Assena-Dree lachte begeistert. »Mir scheint, dass wir die auch mit einem Tauchgang nicht abschütteln könnten. Wir werden alle zusammenbleiben. Bis zum Wrack der ONOKKO und bis zum Turm der Bestien.«

      »Nein, das werden wir nicht.« Ob die bedauernde Melodie, die Lat-Antin in diese Feststellung legte, im Heulen des Windes zu hören war?

      Assena-Dree