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Mit Schalke machse wat mit


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dann schreib ich noch so ein, zwei Zeilen, an die ich mich heute nun wirklich nicht erinnere. Die Adresse von Schalke kann ich ja aus dem letzten Kreisel abschreiben. Gibt es irgendwie einen Ansprechpartner? Ich wüsste nicht, also einfach an Schalke 04, Kurt-Schumacher-Straße, und wer kennt noch die alte Postleitzahl? Genau, 4650 Gelsenkirchen.

      Was kam damals auf so einen kleinen Brief? 40 Pfennig, 80 Pfennig? Keine Ahnung, auf jeden Fall hab ich den Brief dann zur Hauptpost gebracht, ein kleines Klopf-Klopf auf den Umschlag und ab dafür. Zu verlieren hast du nichts dabei. Im schlimmsten Fall hörst du gar nichts. Aber, was ich definitiv noch weiß: Damals waren bei mir und meinen Freunden sogenannte lustige Anrufe in Mode. Und auf die Schüppe nehmen lassen wollte ich mich nun auch nicht. Deshalb habe ich von meinem Brief und meinem Text für Schalke niemandem erzählt. Nur meiner Mama. Die fand das auch ganz witzig. Aber sonst wusste das keiner.

      Nur einen Tag später kam ich von der Schule nach Hause und dachte eigentlich gar nicht an eine spontane Reaktion von meinem Lieblingsverein. Mama grinste schon beim Aufmachen der Tür und sagte: „Du, da hat einer von Schalke für dich angerufen. Ich hab den Namen aufgeschrieben, Bruchhagen. Du sollst dich mal melden.“ Alter Schwede, Mama kannte vieles von Schalke: die Spieler, den Trainer. Aber diesen Namen kannte sie bestimmt nicht, den hab ich ihr nie gesagt. Heribert Bruchhagen war damals Marketing-Chef beim S04 und dürfte inzwischen einem weiteren Publikum bekannt sein, insbesondere wegen seiner langjährigen Tätigkeit als Vorstand bei Eintracht Frankfurt. Aber damals, im September 1989, da war er halt bei Schalke.

      Schnell hatten wir uns telefonisch darauf verständigt, dass ich regelmäßig zu Heimspielen solche Texte schreiben könnte, weil ihm der, den ich geschickt hab, ganz gut gefallen hat. Honorar oder Ähnliches wurde überhaupt nicht thematisiert. Das interessierte mich auch nicht. Ich sollte die Texte einfach per Post schicken und fertig.

      Und echt: Ich hab mir den Schalker Kreisel immer irgendwo am Parkstadion gekauft. Fette zwei Mark kostete der damals. Und jawoll, da ist mein Artikel drin. Gegen Bayreuth. Sagenhaft. Und naja, es sollte nicht der letzte sein.

      Wenn ich nun gewusst hätte, wie sich das über den Lauf der Jahre entwickelt, dass ich in der Lage sein würde, im Schnitt alle zwei Wochen was halbwegs Humorvolles zu schreiben, dass tatsächlich das neue Maskottchen fünf Jahre später nach Erwin benannt werden würde, dass ich gute 25 Jahre später noch über diesen einen Brief schreiben würde ... Ich hab keinen Schimmer, was dann anders gelaufen wäre.

      Neulich sagte noch Kollege Robin: „Na klar, Erwin Koslowski, EK, hat die gleichen Initialen wie Ernst Kuzorra, deshalb hast du das genommen, oder?“ Natürlich ließ ich ihn in dem Glauben, wobei es das erste Mal war, dass ich das gehört hab, aber ja, klingt doch gut.

      Wobei, so richtig kapieren kann ich das selber nicht. Fast 25 Jahre sind es jetzt. Gut, es mag in der Anfangszeit mal vorgekommen sein, dass – der Deutschen Post sei Dank – der ein oder andere Kommentar zu spät auf der Geschäftsstelle eintrudelte, aber später per Fax oder per E-Mail passierte das nicht mehr so schnell. Ich habe dank dieses einen Briefes viele, viele neue, interessante, faszinierende Leute kennenlernen dürfen. Und es mag vielleicht ein wenig überzogen klingen (zumal – und das wissen meine Freunde – ich mich eigentlich völlig unwichtig finde), aber so ein bisschen Teil der Geschichte ist man da schon beim FC Schalke.

      Vor zwei, drei Jahren, bei einem Spiel gegen Eintracht Frankfurt, lief mir noch Heribert Bruchhagen über den Weg, und ich überlegte, ob ich was zu ihm sagen soll? Ich hab’s sein gelassen, weil ich sicher war, dass der Mann Wichtigeres im Kopf hat als unser Telefonat von 1989.

      Jedenfalls hab ich hier nochmal den Text von damals. Es müsste der erste „Nordkurwen-Kommentar“ sein. Blöder- und dummerweise hab ich die Ausgaben des Schalker Kreisel von vorherigen Spielen damals weitergegeben oder weggeworfen (wie konnte ich nur?!), aber seitdem habe ich alle verwahrt. Alle. Und auch den vom 19. September 1989.

      Ach so, der Text damals?

      Kein Ding. Bitte sehr:

       Der Nordkurwen-Kommentar

       Da sollze et nich mit die Nerfen kriegen. 42.000 Zuschauers bei uns, und watt machen die Junks daraus? 0:1 gegen Münzter, ferdammt nomma! Abber gut, die Junks ham ja gar nich so schlecht geschpielt, bloß die Schanxenauswärtunk war bissken dürftich (wem sachse datt?). Und unsere beiden Pünktkes hat der Schietzrichter auf sein Konto. Da zeicht der Willi anne Lienje ganz deutlich Appseits mit die Fahne und der Schiri sieht datt nich!!! Ja, Himmel, Schiri und Wolkenbruch, wozu issen dann sonn Lienjenrichter da oder watt? Kerl, und dann macht unser Träner den Schiri höflich darauf aufmerchsam und watt iss? App auffe Tribüne! Perunja! Und dann musse Dich da Hätzparolen fonn den Münzteranen Anhank gefallen lassen. Gottchen, et war Sonntach! Da iss, nachem Frühschoppen, nich mehr fiel los mit die Stimme, und ein Schalker Törchsken fehlte wie S04 inner Bundesliga! Naja, unn als dann die Junks auffen Rasen nomma allet nach forne schmissen, da wär fast noch ein Debakel durche Konters fonne Münzteraners geworden, wattet ja Dank Werner, nich wurde.

       Schlimm genuch, zwei Pünktkes futsch, Zuschauers sauer und Sänse issat erss ma mitten positives Punktekonto (datt iss, wennze mehr gewonnene Punkte hass als wie wie ferlorene. Unforstellbar eigentlich!).

       War datt jätz auch schon datt Ende mitten Aufstiech? Ich happ für meine Kumpels auffen Pütt gesacht: „Immer mit die Ruhe, die Säsonk iss noch lank. Da kann noch allet passieren?“ Lasst uns mit datt Schlimmste rechnen!

       Also... gut gehen!

       Euer Erwin Koslowski.

      Gut, mit der Freundin von damals ist schon längst Geschichte, ich sag nur Theologie-Studium. Aber sonst, du merkst schon, so viel hat sich gar nicht geändert, oder?

       Der Braunbär

      ■ THOMAS SEEGER

      Ich kann mich noch gut an den ersten Stadionbesuch mit meinem Sohn Justin erinnern. Er war gerade dreieinhalb und meiner Meinung nach im richtigen Alter, um vom Schalkevirus infiziert zu werden. FC Schalke gegen Bayer Leverkusen an einem schönen, sonnigen Samstagnachmittag. Gemeinsam mit meiner Herzallerliebsten packte ich einen kleinen Rucksack mit Getränken und ein paar Süßigkeiten, befestigte den Kindersitz am Fahrrad und machte mich auf den Weg zum Parkstadion. Die Sonne brannte ganz schön, und so entschied ich mich gegen die Kurve und besorgte mir am Ticketstand eine Tribünenkarte. Den Rucksack in der linken Hand, in der rechten Hand die Eintrittskarte und auf den Schultern meinen blau-weiß gekleideten süßen Fratz, stellte ich mich in die lange Reihe der Wartenden an. Langsam wurde es immer wärmer, und der Schweiß lief mir warm über das Gesicht. Einige Reihen vor uns stand eine Schar von leicht bis mittelleicht angetrunkenen Schalke-Fans. Sie sangen, schubsten und suchten das Terrain nach Leverkusener Gegnern ab.

      Plötzlich geriet ich in das Blickfeld eines auf den Einlass wartenden Fußballhünen. Er musterte mich mit einem langen Blick und verzog dabei keine Augenbraue. Wieder ein Schweißtropfen. War es die Hitze oder die aufsteigende Angst vor dem blauweißen Braunbären in den Reihen vor mir? Jetzt drehte er sich vollkommen in meine Richtung. Als er einatmete, erfasste mich ein starker Sog, bevor er mit einem tiefen Bass rief: „Macht mal Platz. Los, los, macht Platz, sonst mache ich Platz. Lasst doch mal unseren Nachwuchs ins Stadion!“

      Schon war er bei mir, nahm mich in den Arm und öffnete nur durch seine Blicke die Reihen wie Moses das Meer. Innerhalb von Sekunden hatte ich eine lange Warteschlange hinter mir gelassen und befand mich im Stadion. Erst nachdem ich an allen feiernden Fans des Eingangsbereiches vorbei war, begannen sie erneut zu singen und zu feiern. Der Bär schaute mir glücklich winkend nach, und ich war erleichtert und beschämt ob meiner furchtsamen Gedanken.

      „Und was war mit deinem Sohn?“, fragt ihr euch? „Hat er denn überhaupt schon das Spiel mitverfolgt in dem Alter?“ Nee, natürlich nicht. Nach ungefähr zehn Minuten war das Spiel nur noch Nebensache. Ihn interessierte eigentlich nur noch der Eismann, der sich langsam durch die Reihen auf uns zu bewegte. Erst nach dem Eis gelang es ihm noch einmal, fünf Minuten das Spiel mitzuerleben, bevor er den Rucksack mit Süßigkeiten plünderte. Aber insgesamt hat es uns beiden viel