Michael Marburg

Im sexten Himmel


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      Michael Marburg

Im sexten Himmel

      Im sexten Himmel

      Copyright © 2017 Zettner Verlag und Michael Marburg

      All rights reserved

      ISBN: 9788711718087

      1. Ebook-Auflage, 2017

      Format: EPUB 3.0

      Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für andere als persönliche Nutzung ist nur nach Absprache mit Zettner Verlag und Autors nicht gestattet.

      1

      Es war ein Sommertag wie aus dem Bilderbuch.

      Die Sonne strahlte vom Himmel, die berühmten kleinen weißen Wolken segelten dahin, die Mädchen trugen ihre kürzesten Röcke, und die Männer in den Büros und Werkstätten dachten sehnsüchtig an ihren bevorstehenden Urlaub und daran, ob sie den Wagen vor dem Start noch zur Inspektion geben sollten oder nicht.

      Martin Neubert dachte nichts dergleichen. Er war einfach froh, die Tagesarbeit bis auf einen kleinen Rest hinter sich gebracht zu haben. Er war von der letzten seiner drei Baustellen unterwegs zum Architekturbüro, noch ein kurzer Blick auf seinen Schreibtisch — dann konnte er tun und lassen, was er wollte.

      Die Ampel vom sprang auf Rot. Natürlich. Martin Neubert hielt in der zweiten Reihe und zündete sich eine Zigarette an. Auf dem Bürgersteig gleich neben ihm kam eine junge Frau mit einem Kinderwagen vorbei. Sie trug ein buntes Sommerkleid, rückenfrei, der kurze Rock ließ das untere Drittel der hübschen, sonnenbraunen Beine sehen. Die Hüften schwangen erregend bei jedem Schritt, und die Frau machte keinen Hehl daraus, daß sie volle, feste Brüste hatte. Stolz und ungezwungen reckte sie sie der Umwelt entgegen.

      Wetten, daß die bald wieder ein Kind kriegt, dachte Martin Neubert und spürte ein angenehmes Prickeln in seinen unteren Regionen. Wenn ich mit diesem Appetithappen verheiratet wäre, dann wär’s mit meiner Ruhe vorbei.

      Das Prickeln verstärkte sich, Martin bekam eine halbe Erektion. Obwohl er damit im Moment nichts anfangen konnte, denn nun sprang die Ampel endlich auf Grün. Martin mußte weiterfahren.

      Das Architekturbüro lag in der Kantstraße. Eine moderne Fassade, hinter der sich zahlreiche Büroräume für die angestellten Architekten und die Sekretärinnen und die Verwaltung verbargen, und natürlich auch für den Chef, Dr. Winter.

      Dr. Winter hatte das größte Büro, ganz in Palisander, aber dafür arbeitete er am wenigsten. Das erwartete auch niemand von ihm, dazu hatte er seine Zeichenknechte, und außerdem war er wer, mußte repräsentieren und außer der Ehefrau eine anspruchsvolle Freundin unterhalten. Eine Soubrette von den Städtischen Bühnen.

      Martin Neubert fuhr den Wagen auf den Hof, parkte ihn und betrat das Bürogebäude. Hinter der Tür mit der Nummer 27 befand sich sein Schreibtisch.

      Martins Kollege, mit dem er das Zimmer teilen mußte, hieß Jürgen Vollmer und räumte schon auf. Jürgen Vollmer legte großen Wert darauf, pünktlich auf die Sekunde bei Dienstschluß das Büro verlassen zu können. Schließlich baute er sich draußen vor der Stadt auf einer Kleinparzelle ein kleines Haus mit kleinem Komfort, die Handwerker waren teuer, und Jürgen Vollmer mußte an allem sparen. Also legte er selbst Hand an, bis er todmüde ins Bett fiel. Dadurch war er in den ersten drei Stunden des nächsten Arbeitstages zu nichts zu gebrauchen. Außer zu Telefonaten auf Firmenkosten mit seinen privaten Lieferanten.

      „Du sollst zum Chef kommen“, sagte Jürgen Vollmer, als Martin Neubert eintrat.

      „Jetzt noch?“

      „Ja. Carla hat’s furchtbar wichtig gemacht.“

      Eine schlechte Nachricht. In fünf Minuten war nämlich Dienstschluß, und wenn man zum Chef befohlen wurde, dann dauerte das bestimmt länger als fünfmal sechzig Sekunden.

      Martin Neubert begab sich rasch in den Cheftrakt. Hier gab es nicht nur billige Läufer, sondern echt Orientalisches auf dem Marmorfußboden, außerdem Blumenkübel und rote Vorhänge. Manche Angestellte gingen, sobald sie hierherkamen, nur auf Zehenspitzen, als hätten sie Angst, die Pracht mit ihren billigen Schuhen zu beschädigen. Martin Neubert gehörte nicht zu ihnen.

      Carla lächelte nicht wie sonst, als Martin Neubert eintrat. Sie schaute ihn besorgt an. Ihr Haar war blond, ihr Ausschnitt war spitz, das Make-up war vollkommen.

      „Was will er, Mädchen?“ fragte Martin, ging zu ihr und gab ihr einen blitzschnellen Kuß auf den vollippigen Mund. Carla war die Chefsekretärin.

      „Dicke Luft, Martin“, sagte sie hastig. „Er hat eine Riesenwut auf dich.“

      „Mein Gewissen ist so rein wie der Teint deines Hinterns“, grinste Martin. Er mußte das wissen, denn er war erst vor neun Tagen mit Carla beim Baden gewesen, ganz allein und ganz privat an einem abgelegenen Waldsee. Und da Carla darauf hoffte, daß Martin sie hinterher in die Arme nahm und ihren Kitzler jubeln ließ, hatte sie beim Baden gleich auf jede Hülle verzichtet. Martin hatte ihre Hoffnung selbstverständlich nicht enttäuscht.

      „Mach keine dummen Witze“, erwiderte Carla. „Geh schnell rein, ich warte so lange.“

      Martin zog seinen Schlips zurecht und klopfte an die Tür. Der Chef rief irgendwas, Martin trat ein. Er legte die Entfernung bis zu Dr. Winters leerem Schreibtisch im Eiltempo zurück.

      Dr. Winter war ziemlich klein, hatte eine Vollglatze und scharfe, graue Augen.

      „Da sind Sie ja endlich“, knurrte er Martin entgegen.

      „Ich bin gerade erst aus Salsdorf zurückgekommen.“ In Salsdorf lag eine der drei Baustellen, die Martin als Architekt zu beaufsichtigen hatte.

      „Waren Sie heute auch auf der Baustelle von Frau Dr. Giering?“ fragte der Chef.

      „Selbstverständlich.“

      „Ist Ihnen da nichts aufgefallen?“

      Martin grinste. „Der Polier war besoffen“, sagte er. „Ich habe ihm gehörig den Marsch geblasen.“

      Dr. Winter verschränkte die Finger ineinander. Irgendwie sah er jetzt aus wie ein marmorner Buddha.

      „Sie müssen auch besoffen gewesen sein, Neubert“, sagte der Chef mit gefährlich ruhiger Stimme. „Sonst hätten Sie nämlich gemerkt, daß die Elektriker Mist machen.“ „Wieso?“

      „Frau Dr. Giering war heute nachmittag draußen und hat festgestellt, daß keine elektrische Anschlußstelle am richtigen Platz sitzt. Was sagen Sie dazu?“

      „Daß das nicht stimmt, sage ich dazu“, erwiderte Martin Neubert überzeugt.

      „Wollen Sie behaupten, daß die Bauherrin lügt?“ fragte der Chef und zog die Augenbrauen zusammen. „Wollen Sie behaupten, daß die Frau, für die ich ein neunzehnstöckiges Wohnhaus hochgezogen habe, bei ihrem privaten Bungalow plötzlich weiße Mäuse sieht?“

      „Natürlich will ich das nicht behaupten. Sie muß sich geirrt haben. Ich werde mich morgen mit Frau Dr. Giering sofort in Verbindung setzen und … “

      „Diese Mühe können Sie sich sparen“, unterbrach der Chef Martin mit schroffer Stimme. „Frau Dr. Giering möchte mit Ihnen nämlich nichts mehr zu tun haben.“ „Warum … “

      „Weil Sie unfähig sind, Neubert. Ich habe extra Sie an dieses Objekt gesetzt, weil ich hoffte, saubere Arbeit geliefert zu bekommen. Statt dessen lassen Sie jeden Pfusch zu, der diesen Idioten auf der Baustelle gerade einfällt. Sie sind entlassen.“

      Es war wie ein Schlag in den Magen. Martin brauchte ein paar Sekunden, bis er es begriffen hatte. Er fuhr mit der flachen Hand über sein Gesicht.

      „Chef“, sagte er mit brüchiger Stimme, „das ist nichts als eine miese Intrige.“

      „Von wem denn, Sie unschuldiges Opferlamm?“ höhnte der Chef.

      „Normalerweise würde ich es nicht sagen, Chef, aber da ich meine Haut retten muß, bin ich dazu gezwungen.“ Er holte tief Luft. „Frau Dr. Giering ist wütend auf mich,